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Panorama: Wollte das Opfer, was der Täter tat?

Wiederaufnahme des Verfahrens: Der „Kannibale von Rotenburg“ steht noch einmal vor Gericht

Der Sitzungssaal 165 C des Landgerichts Frankfurt mit seiner aufsteigenden Pressetribüne gleicht einem Theater. Das Stück, das am Donnerstagmorgen gegeben wird, „Der Kannibale von Rotenburg“, ist eine Reinszinierung, eine Wiederaufnahme – vielleicht hält sich deshalb der Zuschauerandrang in Grenzen, während oben jede Menge Journalisten stehend den Auftritt des Angeklagten erwarten.

Verhandelt wird die Sache Armin Meiwes, angeklagt wegen Mordes zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und Störung der Totenruhe. Der Tathergang ist hinlänglich bekannt, weil er schon einmal verhandelt wurde. Im Januar 2004 verurteilte das Landgericht Kassel den 44 Jahre alten Computertechniker wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Später kassierte der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil und gab den Fall zurück, dieses Mal allerdings an das Landgericht Frankfurt. Meiwes drei Verteidiger sehen darin einen „willkürlichen“ Akt, durch den ihrem Mandanten sein „gesetzlicher Richter entzogen“ werde. Zuständig seien die Landgerichte Fulda, Marburg oder Gießen gewesen, nicht aber Frankfurt. Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht jedoch bereits abgewiesen.

Meiwes selbst macht am Donnerstagmorgen vor der 21. Strafkammer einen aufgeräumten, entspannten Eindruck. Er trägt einen anthrazitfarbenen Anzug, ein schwarzes Hemd und eine längs gestreifte Krawatte. Sein schmallippiger breiter Mund verleiht seinem Gesicht meist ein verstimmtes Aussehen, wenn er nicht gerade lächelt. Vor der Mittagspause wird er sich mit seinen Verteidigern in ein Besprechungszimmer zurückziehen, um 40 Minuten des Schlachtvideos anzusehen, die ihm bisher nicht vorgelegt worden waren. Angefertigt hat er es selbst: Vom Moment der Penisamputation seines Opfers B., auch als „Entmannung“ eingeführt, bis zum Portionieren der menschlichen Fleischpakete, die Meiwes in seiner Gefriertruhe lagerte und nach und nach verzehrte, bis er verhaftet wurde.

Während die Staatsanwälte nun erneut versuchen werden, eine Verurteilung wegen „Tötung aus niederen Beweggründen“ zu erwirken, weicht auch die Verteidigung nicht von ihrer Strategie ab, es handele sich um eine im Strafgesetzbuch geregelte „Tötung auf Verlangen“. Denn das Opfer Bernd B. habe „bestimmt und ausdrücklich“ darum gebeten, getötet und verspeist zu werden. Ihr Mandant sei durch den „ausdrücklichen Wunsch zur Tat bestimmt“ worden. Der BGH verwarf diese Argumentation, weil der Wunsch B.s für Meiwes nicht „handlungsleitend“ gewesen sei. Am Nachmittag wurde der Prozess vertagt, weil der Angeklagte selbst sich zu den Vorwürfen zunächst nicht äußern wollte.

Karin Ceballos Betancur[Frankfurt am Main]

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