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World Wide WEG: Die Coolnesfalle

Freunde finden kann so schwer nicht sein. Das glaubte unsere Autorin, bevor sie über ein paar Verhaltensregeln an ihrer High School aufgeklärt wurde

Von: Jacqueline Möller

An: werbinich@tagesspiegel.de

Betreff: Die Coolnesfalle

„Hast du Lust, nach der Schule etwas zu unternehmen?“; „Am Wochenende machen wir aber was zusammen, oder?“; „Na, schon Pläne für nächste Woche?“ So ungefähr war meine Traumvorstellung, bevor ich nach Kanada kam: Meine Klassenkameraden zeigen sich interessiert und scheuen sich nicht, mich anzusprechen. Nehmen mich ohne jegliche Vorurteile in ihre seit Jahren bestehenden Cliquen auf. Und ehe ich mich versehe, bin ich nicht mehr die Neue, sondern gehöre zu den Alteingeschworenen.

Kneif, kneif. Die Realität an meiner High School sieht anders aus. Ich muss Eigeninitiative beweisen! Mit einem Dauerlächeln gehe ich meine Mission „Freunde finden“ an. Mary, ein blondes, zierliches Mädchen, das im „Creative Writing“-Kurs neben mir sitzt und recht sympathisch wirkt, wird mein erster Versuch sein. Ich will die Pausen nicht mit anderen Austauschschülern verbringen, sondern mit Einheimischen – wozu sonst mache ich ein Auslandsjahr?

Kaum ist die Stunde vorbei, frage ich Mary, ob sie Lust hat, in der Pause mit mir in die Cafeteria zu gehen. „Klar!“ Ein innerer Freudenschrei durchfährt mich. Nach außen hin belasse ich es bei einem Lächeln. Sie muss mir ja nicht gleich an der Nasenspitze ansehen, wie froh ich über ihre Antwort bin.

Dass an kanadischen High Schools ganz eigene Regeln gelten, ist mir in den ersten Tagen meiner Freundessuche nicht ganz klar. Ich stehe unter dem Zwang, Kontakte zu knüpfen und verdränge die Ignoranz und das Desinteresse der anderen. Erst die Worte meines Klassenkameraden Eric rütteln mich wach. „Du musst Folgendes wissen“, sagt er in der Mittagspause. „Hier gibt es die Coolen, den Rest und die Streber, die wir aber zum Rest zählen.“ Sobald man sich mit einem der Streber abgibt, sei einem der Weg zu den Coolen verbaut. „Mein Tipp: Finde schnell heraus, wer dir am meisten liegt.“

Klare Worte. Harte Worte. Mein naives Vorhaben, einfach offen und freundlich auf jeden zuzugehen, ist dahin. Nachdem ich den ersten Schock dieser verbalen Abreibung überwunden habe, beobachte ich meine Umgebung mit neuem Blick. Und stelle fest: Eric hat völlig recht. Die Realität entspricht dem schlimmsten Klischee. Die gutaussehende Cheerleaderin ist natürlich mit dem Quarterback zusammen; die Sportler blicken verächtlich auf jeden herab, der nur dreimal die Woche Sport treibt; und die Melancholiker tragen am liebsten Schwarz. Und zu welcher Kategorie gehöre ich? Zu welcher Kategorie gehört Mary? Gute Frage. Insgeheim denke ich darüber nach, als ich mit ihr in der Cafeteria einen Kaffee trinke.

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