zum Hauptinhalt
Die Türkei wird nicht länger zwischen Sommer- und Winterzeit unterscheiden.

© dpa

Zeitumstellung: Ankara dreht an der Uhr

Die Türkei stellt am kommenden Sonntag auf die Mekka-Zeit um – und rückt damit auch von Europa ab.

Der türkische Energieminister und Schwiegersohn von Staatspräsident Tayyip Erdogan, Berat Albayrak, bringt sein Land auf arabische Gebetszeit. Denn am Sonntag wechselt die Türkei praktisch die Zeitzone. Die Umstellung zur Normalzeit im Winter am kommenden Sonntag macht die konservativ-religiöse Regierung in Ankara nicht mehr mit. Statt Osteuropäische Zeit (EET) gilt nun Greenwich plus drei Stunden. Das ist die westrussische oder Arabische Standardzeit (AST): also Mekka statt Athen oder Bukarest für die Türken.

Das religiöse Motiv hinter dem Zeitzonenwechsel liegt für viele Türken auf der Hand. Häufig gab es im Fastenmonat Ramadan Streitereien unter Gläubigen über den wahren Beginn von Auf- und Untergang der Sonne. Für die Frommen zählen Mekka und Medina, die heiligen Städte des Islams, die einst unter dem Protektorat des Osmanischen Reichs standen. Nicht zufällig trägt Berat Albayrak nach dem Vorbild türkischer Historienserien einen Vollbart, ebenso wie sein Schwager Bilal Erdogan.

14 Jahre AKP-Regierung haben der türkischen Gesellschaft ihren Stempel aufgedrückt. An Handreichungen für eine konservative Lebensführung hat es während all der Zeit nie gefehlt: vom Verzehr des richtigen Brotes – Weißbrot macht dick und entspricht nicht der türkischen Tradition, so lehrte Erdogan – über die saftigen Steuern auf Alkohol bis zur Aufforderung an die Türkinnen, lautes Lachen in der Öffentlichkeit zu unterlassen, aber mindestens drei Kinder zu gebären.

Das jährliche Drehen an der Uhr, erstmals 1925 aus Europa importiert, ärgerte die Konservativ-Frommen immer schon. Bereits Albayraks Vorgänger, der langjährige Energieminister Taner Yildiz, machte sich für die Aufgabe der Winter- und für die Beibehaltung der Sommerzeit stark. Die Türken sollen früher schlafen gehen, so empfahl er, damit sie früher mit der Arbeit beginnen können. Logisch war das nicht. Bleiben die Uhren nun auf Sommerzeit, wird es im Winter noch später hell und auch später dunkel. In Istanbul wird die Sonne dann erst gegen acht Uhr morgens auf- und gegen 18 Uhr untergehen.

Yildiz hatte seinerzeit aber eine Studie in Auftrag gegeben, um die möglichen Ersparnisse in der Türkei bei der Beibehaltung der Sommerzeit im Winter zu berechnen. Sie sind heute offiziell das Argument für den Wechsel der Zeitzone, wenn die europäische Sommerzeit in der Nacht zum Sonntag endet. 2,3 Terawattstunden oder fast eine Milliarde Lira – derzeit umgerechnet 300 Millionen Euro – sollen damit zwischen November und März eingespart werden.

Die Berufsvereinigung der Elektroingenieure in der Türkei bezweifelt das allerdings. Der Berufsverband weist auf den zusätzlichen Energiebedarf am Morgen hin, wenn sich die Berufstätigen in der Dunkelheit auf den Weg machen müssen. Auch Exporteure und Finanzdienstleister in der Türkei kritisieren die Abkoppelung von Europa. Wenn in London um neun Uhr morgens die ersten Büroangestellten kommen, gehen ihre türkischen Handelspartner zum Mittagessen. Und die Börse in Istanbul schließt dann bereits nachmittags um halb drei Uhr britischer Zeit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false