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Panorama: Zittern im Norden Italiens

Am Gardasee bebte die Erde wie seit 100 Jahren nicht mehr – nur neun Menschen wurden leicht verletzt

Mittwoch, eine Minute vor Mitternacht. „Ein Krachen wie von einem extrem schweren Donner. Dann hat alles zu zittern angefangen. Mir hat’s sogar das Bett verschoben.“ So erzählt eine junge Frau aus San Felice am Gardasee. Wie zehntausende Menschen in ganz Oberitalien – auch in Mailand war das Beben deutlich zu spüren – ist sie sofort voller Angst aus dem Haus geflüchtet und hat sich draußen in einem Hagel von Ziegelsteinen, Putz- und Stuckbrocken, Dachziegeln und Glasscherben wiedergefunden.

Der Morgen danach sah dann, gemessen am ersten Schrecken, vergleichsweise freundlich aus. 5,2 auf der Richterskala, so stark war das Beben dem Italienischen Amt für Geophysik und Vulkanologie zufolge; knapp 30 Sekunden hat es gebebt. Demnach, sagen die Fachleute, hätte alles viel schlimmer ausgehen können. So aber registrierte man nur neun Leichtverletzte – die meisten hatten sich infolge überstürzter Flucht verletzt. Ein Mann in Mailand wurde von einer herabstürzenden Fensterscheibe getroffen.

125 Menschen bleiben vorerst evakuiert, bis die Risse an ihren Häusern näher untersucht sind. An die 60 Patienten zweier Krankenhäuser – darunter frisch am Herzen operierte – sind in nahe gelegene Spitäler verlegt worden. Und der wahrscheinlich einzige langfristig sichtbare Schaden, das wird der an seiner Spitze teilweise abgebrochene Glockenturm von Salò sein.

Die Region Salò-Brescia, unmittelbar westlich des Gardasees, wo viele Deutsche Ferienhäuser besitzen, gilt als traditionelles Erdbebengebiet. „Glücklicherweise bauen sie ihre Häuser entsprechend“, sagt Guido Bertolaso, der Chefdes italienischen Zivilschutzes. Viele Schulen blieben am Donnerstag geschlossen. Bei vielen Häusern ist noch nicht klar, ob sie vielleicht abgerissen werden müssen. Erst eine genaue Untersuchung kann ergeben, ob die Statik in Ordnung ist.

Die Unruhe im Boden wird von der Afrikanischen Erdplatte verursacht, die dort gegen die Eurasische drückt, und gerade unter dem Gardasee gibt es nach Auskunft des obersten italienischen Erdbebenwächters, Enzo Boschi, eine Ansammlung kleinerer Bruchplatten mit einem gewissen Eigenleben.

Ein so schweres Beben wie jetzt aber war zuletzt 1901 registriert worden.

Insgesamt beziffert Boschi die Zahl der Beben in Italien pro Jahr auf 8000. Die meisten werden nur von den Fachleuten wahrgenommen; allerdings ist die Erinnernung an die letzten Katastrophen noch sehr frisch: 1997 wurden Teile Umbriens verwüstet und Zehntausende von Menschen zu jahrelangem Aufenthalt in Zeltstädten gezwungen; die Basilika des Heiligen Franziskus in Assisi ist erst vor wenigen Wochen wieder ganz hergestellt worden.

2001 stürzte in Apulien eine Schule ein; 30 Kinder und Lehrer starben. Am Fuß der Alpen, auf derselben geologischen Ebene wie jetzt am Gardasee, hat es zum letzten Mal 1976 heftig gebebt. Damals starben in Friaul 965 Menschen; die Erdstöße waren bis nach Bayern spürbar. Auch gerieten Anfang Juli dieses Jahres zahlreiche venetische Campanile ins Wackeln, als im nahen Slowenien die Erde rumorte.

Und noch beim Frühstück gestern, als sie die Nachrichten aus Oberitalien hörten, spürten auch die Anwohner der südlichen Adriaküste ein leises Grummeln. Es rührte von einem Seebeben her, genau zwischen Italien und Kroatien.

Der Norden Italiens wird immer wieder von Beben heimgesucht. Es sind so genannte tektonische Beben . Dabei entladen sich Spannungen in der Erdkruste , die sich über viele Jahre durch das Gegeneinanderschieben von Erdplatten aufgebaut haben.

In Norditalien drücken durch die Kontinentaldrift der Afrikanischen Platte gewaltige Kräfte nach Norden. Außerdem gibt es viele Mikroplatten, die sich unberechenbar verhalten. Tsp

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