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Panorama: Zittern um den guten Tropfen

Eben noch herrschte bei den Winzern Euphorie ob des idealen Weinklimas. Jetzt lassen starke Regenfälle das Schlimmste befürchtenManfred Kriener Wird sich das Jahrtausend mit einem guten Weinjahrgang verabschieden?

Eben noch herrschte bei den Winzern Euphorie ob des idealen Weinklimas. Jetzt lassen starke Regenfälle das Schlimmste befürchtenManfred Kriener

Wird sich das Jahrtausend mit einem guten Weinjahrgang verabschieden? Die deutschen Winzer sind gestern erneut nass geworden. Die Hauptlese, die in dieser Woche bei den meisten Gütern begonnen hatte, musste an Rhein und Neckar nach zum Teil kräftigen Regengüssen unterbrochen werden. Der schon vorab hochgejubelte letzte Jahrgang des Milleniums hängt wieder am seidenen Faden. Wenn der Regen in den nächsten Tagen nicht aufhört, pumpen die Wurzeln das Wasser in die Trauben und verdünnen den Saft. Auch die Fäulnis wird weiter zunehmen, wenn die prallen Beeren unter dem Wasserdruck aufplatzen. "Aber noch ist alles drin, ein paar graue Tage sind noch kein Grund für die Leichenbittermiene", bleibt Michael Graf Adelmann im württembergischen Kleinbottwar optimistisch.

Enttäuschend begann die Hauptlese bei den deutschen Rotweinkönigen Werner und Volker Knipser in der Pfalz. Der empfindliche Schwarzriesling und der Portugieser mußten nach zwei feuchten Wochen am Montag geerntet werden, um der grassierenden Fäulnis zuvorzukommen. 82 Oechsle waren "nicht das, was wir uns von diesem Jahrgang erhofft haben", sagte Dirk Rosinski, der bei Knipser die Lese organisiert. Jetzt hofft er auf die späteren Sorten Cabernet Sauvignon und vor allem auf den Spätburgunder.

Kritisch ist auch die Menge des 99er Jahrgangs. In vielen Weinbergen hängen die Stöcke übervoll. Winzer, die nicht rechtzeitig und rigoros die Erträge begrenzt haben, werden in diesem Jahr dünne Weine einfahren. Wenn sich die Trauben jetzt noch mit Wasser vollsaugen, wird dieser Effekt noch verstärkt. Entscheidend für die Qualität des 99ers werden die nächsten beiden Wochen sein: Die Reife der Trauben stimmt, jetzt brauchen die Rebstöcke nur noch eines: Trockenes Wetter. Kühle Temperaturen sind durchaus erwünscht, weil sie die Fäulnisprozesse verlangsamen können.

Bei den weißen Sorten sieht es besser aus. Chardonnay, Weiß- und Grauburgunder hängen in Baden, in der Pfalz, in Rheinhessen und an der Nahe in guten Lagen mit hohen Spätlese-Mostgewichten zuckerschwer am Stock. Sie könnten reingeholt werden, sobald es trocken wird und die aufgenommene Wassermenge wieder veratmet ist. Karl-Martin Schmitt vom fränkischen Spitzengut "Schmitt¥s Kinder" ist mit den fast idealen Zucker- und Säurewerten zufrieden. "Aber jetzt muss es endlich trocken bleiben, wir zittern alle." Am schwierigsten ist die Prognose beim Riesling. Die wichtigste deutsche Sorte hat an der Mosel und im Rheingau in den besten Steillagen schon über 80 Oechsle erreicht. Die erste große Leserunde sollte nächste Woche beginnen. Aber die Beerenhäute sind auffällig dünn. Eine längere Regenperiode würde sie zum Platzen bringen. © 1999

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