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Panorama: Zu Besuch in der U-Haft

Von Katja Wallrafen, Singapur Weinend kam Susanne Bohl aus dem Besprechungsraum neben dem Gerichtssaal - und war doch nicht traurig: „Ich durfte Julia umarmen – zum ersten Mal. Wir haben uns im Oktober letzten Jahres verabschiedet, als ich zurück nach Deutschland fuhr.

Von Katja Wallrafen, Singapur

Weinend kam Susanne Bohl aus dem Besprechungsraum neben dem Gerichtssaal - und war doch nicht traurig: „Ich durfte Julia umarmen – zum ersten Mal. Wir haben uns im Oktober letzten Jahres verabschiedet, als ich zurück nach Deutschland fuhr. Seither hatten wir uns nicht berührt. Und jetzt, endlich, durfte ich sie umarmen“, sagte Susanne Bohl und: „Sonst ist ja immer das dicke Glas zwischen uns.“ Susanne Bohl war gestern bei der letzten richterlichen Vorbesprechung im Fall ihrer in Singapur wegen Drogenbesitzes inhaftierten Tochter Julia dabei.

Vier Mal haben sich inzwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Richterzimmer getroffen, um den Ablauf des Verfahrens gegen die 22- Jährige zu klären. Am 21. Juni, so Bohls Verteidiger Subhas Anandan, wird nun endlich das Verfahren eröffnet. Dabei werde Julia Bohl sich des Drogenkonsums und -besitzes sowie der Duldung des Drogenhandels bekennen. Anwalt Anandan machte keine Angaben über die Höhe des zu erwartenden Urteils, betonte allerdings, er sei „ganz glücklich“ über die Entwicklung des Falls. Nach Julias Festnahme am 13. März hatte es so ausgesehen, als drohe ihr der Galgen. In ihrer Wohnung waren 687 Gramm Cannabis gefunden worden – bei mehr als 500 Gramm sieht Singapur obligatorisch die Todesstrafe vor. Eine Reinheitsanalyse des Cannabis drückte den Wert jedoch auf rund die Hälfte. Vor zwei Wochen hatte Anandan das Strafmaß auf vier bis fünf Jahre Gefängnis plus Geldstrafe taxiert.

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel berichtete Julias Mutter Susanne Bohl erstmals über die Haftbedingungen ihrer Tochter. Julia geht, steht, sitzt und liegt 23 Stunden allein in einer etwa fünf mal zwei Meter großen Einzelzelle. Sie darf das Geviert nicht verlassen, hat keine Uhr. Nur durch eine kleine Milchglasscheibe an der Decke dringt Tageslicht. Julia hat kein Bett, keine Matratze; nur eine dünne Bastmatte, die sie vor dem Schlafengehen auf dem harten Boden ausbreitet. Sie besitzt ein Kopfkissen und eine dünne Decke. Zweimal am Tag wird für sie das Wasser angestellt – zweimaliges Duschen ist ein Privileg der Untersuchungshaft. „Julia geht es gut“, sagt die Mutter, „sie beklagt sich nicht.“ Im Leben ihrer Tochter herrsche Routine und ein streng geregelter Alltag. Das werde auch am 18. Juni so sein, an Julias Geburtstag. An die frische Luft kommt die 22-Jährige nicht, sportliche Übungen sind ihr verboten. „Julia hat Asthma und braucht eigentlich Bewegung“, sagt die Mutter besorgt, lobt aber sogleich die medizinische Betreuung: „Sie ist sehr gut".

Julia trägt Häftlingskleidung; der raue Stoff löste anfangs Hautausschlag aus und wurde inzwischen behandelt. In ihrer Zelle steht weder ein Stuhl noch ein Tisch – doch besonders vermisst sie einen Spiegel. Seit März hat Julia sich nicht mehr in die Augen sehen können. Zu ihrer Mutter sagte sie einmal: „Du erkennst die Leute aus dem Gefängnis daran, dass sie außen an den Fußknöcheln Hornhaut haben.“ Die Insassen sind gehalten, sich den Wärtern im Schneidersitz zu präsentieren.

Wie alle Häftlinge gibt sich Julia Mühe, nicht aufzufallen. Keinesfalls will sie die Aufmerksamkeit der Wärter auf sich zu ziehen. Sie folgt brav den Kommandos, die alle paar Stunden über die Flure hallen. Dann müssen sich die Insassen in die Mitte der Zellen bewegen, müssen sichtbar stehen oder sitzen. „Julia beklagt sich nicht“, sagt die Mutter. Auch nicht übers Essen.

Meistens stehen Huhn- oder Thunfisch-Sandwich auf dem Speisezettel der Gefängnisküche. Doch Höhepunkte der gleichförmigen Stunden sind immer die Besuche: Susanne Bohl darf montags bis freitags für jeweils zwanzig Minuten kommen und pro Woche zwei Taschenbücher mitbringen. Worüber sie mit ihrer Tochter spricht? „Anfangs über alltägliche Dinge, übers Wetter. Meistens muntern wir uns gegenseitig auf, stark zu sein. Und mittlerweile sprechen wir auch die Probleme offen an.“ Julia sei schließlich kein Unschuldslamm gewesen.

Sie habe aber von Anfang an gesagt, sie sei keine Drogenhändlerin. An ihren Tod am Strang hat Julia selbst nie geglaubt.

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