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Lisi Maier - seit Mai 2012 Bundesvorsitzende des Bundes der katholischen Jugend.

© BDKJ

Zur Papstwahl von Franziskus: „Wir müssen den Papst jetzt erst einmal kennenlernen“

Die Wahl Jorge Mario Bergoglios zum Papst Franziskus ist ein "gutes Signal" für die katholische Kirche, sagt Lisi Maier. Im Interview spricht die Bundesvorsitzende des Bundes katholischer Jugend über ihre Erwartungen und Wünsche - die der Kirchenpolitik widersprechen.

Lisi Maier kommt aus München (28) und ist seit Mai 2012 Bundesvorsitzende des Bundes der katholischen Jugend, dem Dachverband der katholischen Jugendverbände und Organisationen wie zum Beispiel den Pfadfindern oder der katholischen Landjugend. Insgesamt sind 660 000 Jugendliche im BDKJ organisiert. Bevor sie hauptberuflich den Vorsitz übernahm, war sie Politik-Lehrerin in Bayern; ihre Schwerpunktthemen sind Jugendpolitik und Mädchen- und Frauenpolitik. Sie vertritt in erster Linie die Interessen der Jugend im politischen Berlin und versucht diese in Expertenkommissionen des Bundestags oder in den Gesprächen mit Abgeordneten und durch die Zusammenarbeit mit den Ministerien in den politischen Prozess einzuspeisen.

Wie finden Sie, dass der neue Papst aus Südamerika kommt?

Das ist ein gutes Signal. Denn er ist jemand, der auch andere Lebenswelten kennt und eine andere Perspektive hat als ein Europäer.

Konnte man dies auch schon in seinem ersten Auftritt bemerken?

Es war eine schöne Geste, wie bescheiden er aufgetreten ist. Ein wichtiges Zeichen ist auch, dass er sich den Namen Franziskus, den Namen des Schutzpatrons der Armen, ausgewählt hat. Ich denke, dieser Papst, wird die Sorgen der Armen besser wahrnehmen können, da er einen anderen Blick darauf hat. Wir müssen den Papst jetzt erst einmal kennenlernen.

Welche Erwartungen haben Sie an den Papst Franziskus?

Das muss man differenziert betrachten. Auf der einen Seite sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich mit einem neuen Papst etwas ändert. Andererseits muss man realistisch sein und da denke ich, dass es auch mit einem neuen Papst kurzfristig keine tiefgreifenden Reformen in der katholischen Kirche geben wird.

Welche Veränderungen würden Sie sich für die katholische Kirche wünschen?

Zum einen würde ich mir mehr Gleichberechtigung zwischen Laien und Priestern wünschen – dass hier eine gemeinsame Gestaltung stattfindet. Schließlich besteht der größte Teil der Gläubigen aus Laien. Außerdem treten wir für eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen ein und dafür, dass auch Frauen mehr Verantwortung in Leitungs- und Weiheämtern übernehmen können.

Warum liegt Ihnen dieses Thema so am Herzen?

Ein großer Teil der kirchlichen Arbeit wird auch heute schon von Frauen geleistet. In den Gemeinden, in Ehrenämtern. Auch in unseren Jugend-Verbänden haben wir eine Parität in unseren Leitungspositionen. Warum soll das nicht überall sein? Ich erwarte das in der Kirche ebenso wie in der Gesellschaft. Es gibt noch viele Lebensrealitäten, denen sich die Kirche zukünftig annehmen muss.

Welche Lebensrealitäten wären das?

Ein Beispiel ist der Umgang mit geschiedenen und wiederverheirateten Ehepaaren. Wenn ein Mensch nach einer gescheiterten Ehe eine neue Partnerschaft wagt, verdient diese Liebe Respekt, nicht unser Urteil. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Homosexualität. Ich würde mir wünschen, dass die Amtskirche die Liebe zwischen zwei Männern oder Frauen genauso gleichwertig anerkennt, wie die zwischen Mann und Frau.

Wie könnte hier die Rolle des Papstes in Zukunft sein?

Es wäre wirklich wichtig, dass Franziskus den Gläubigen zuhört und auf ihre Sorgen und Nöte von heute eingeht. Außerdem sollte er offen gegenüber einer neuen Lebenswirklichkeit sein und diese auch akzeptieren.

"Rücktritt Benedikt XVI. macht das Papst-Amt menschlicher"

Wie realistisch halten Sie die Anerkennung von Homosexualität durch katholische Kirche?

Anerkannt ist die Homosexualität ja, aber die Frage ist, wie man damit umgeht und da würde ich mir eben wünschen, dass, wenn ein Mensch einen Menschen des gleichen Geschlechts liebt, diese Liebe auch respektiert wird. Da wünsche ich mir, dass dieser Respekt in einer den Menschen zugewandten Kirche rüberkommt.

Wie sehen Sie die Rolle Bergoglios in der Debatte um die Homo-Ehe in Argentinien?

Es ist keine Überraschung, dass ein Papst gewählt wurde, der auch für traditionelle kirchliche Positionen steht. Ich glaube nicht, dass er diese Haltung grundsätzlich ändert, auch wenn ich persönlich mir das wünschen würde. Aber vielleicht überrascht er uns ja.

Wie stehen Sie zu seiner Haltung in der Zeit der Militärdiktatur?

Ich kann mir da schwer ein Bild machen. Jedenfalls war er offenbar kein Kollaborateur. Ja, er hat nicht richtig gehandelt, hätte mehr tun können. Er den Fehler eingestanden, den Dialog gesucht und sich mit einem der beiden Pater aussöhnen können. Auch wenn wir das von hier aus kritisch sehen, in die Umstände kann man sich nur schwer reinversetzen.

Wie wichtig ist der neue Papst für Ihre Arbeit in den Jugend-Verbänden?

Wir haben im Verband festgestellt, dass für die Jugendlichen in den Gemeinden der Papst gar keine so große Rolle spielt. Hier es ist wichtiger, dass sie vor Ort ein starkes Vorbild haben, jemand, der sie bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung oder der Sinnsuche begleitet. Kirche muss vor Ort geschehen – hier kann der Papst nur Impulse geben.

Wie sehen Sie die Chance, dass Franziskus neue Impulse gibt?

Es ist schwierig für eine einzelne Person wie den Papst, die Gläubigen, die auf so vielen Kontinenten leben, unter einen Hut zu kriegen. In den einzelnen Regionen gibt es verschiedene Themen und Bedürfnisse, die wichtig sind. Auch in Bezug auf die über 600 000 organisierten Jugendlichen in unseren Verbänden ist das schwierig zu beantworten. Hier werden die Vorgaben der Amtskirche – gerade auch in Bezug auf Verhütung – als eine Handlungsmöglichkeit gesehen, doch jeder Einzelne muss dann für sich selbst und frei entscheiden. Kirche muss hier Orientierung bieten und darf nicht mit starren Normen agieren.

Hatten Sie Verständnis für den Rücktritt von Papst Benedikt XVI.?

Ich finde diesen Schritt sehr bemerkenswert und gut. Man hat gemerkt, dass er die Entscheidung gut abgewägt hat und das Zwiegespräch mit Gott gesucht hat. Die Einsicht, dass seine Kräfte für das Amt nicht mehr ausreichen, finde ich sehr wertvoll. Es macht das Papst-Amt menschlicher. Ich denke, diese Botschaft wird bleiben.

Wünschen Sie sich, dass Franziskus den Pontifex-Twitter-Account weiterführt?

Ich fände es gut, glaube aber nicht, dass dies das allerwichtigste ist. Wenn er die neuen Medien weiterhin nutzt, würde ich mir wünschen, dass sie einem Gespräch mit den Gläubigen dienen und er so ihre Interessen wahrnimmt. Es wäre schön, wenn hier ein Dialog und nicht eine einseitige Kommunikation stattfindet – auch wenn es unrealistisch ist, dass der Papst mit allen Katholiken kommunizieren kann.

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