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Panorama: Zwei Stunden Sterben

Eine grausame Hinrichtung in Ohio – und wieder diskutiert Amerika über die Todesstrafe

Abermals hat es in den USA grausame Probleme bei der Hinrichtung eines Mörders mit der Giftspritze gegeben. Die Exekution von Christopher Newton in Ohio dauerte annähernd zwei Stunden, weil die Ausführenden Schwierigkeiten hatten, eine geeignete Vene in den Armen des übergewichtigen Mannes zu finden.

Die Panne fällt mitten in einen Verfassungsstreit in den USA bis hinauf zum Supreme Court, ob die Giftspritze zulässig ist oder wegen Grausamkeit verboten werden muss. Das würde de facto zu einem Ende der Hinrichtungen führen. In fast allen der gut 30 US-Staaten, die die Todesstrafe anwenden, ist der Giftcocktail aus drei Substanzen, die erst Schmerzfreiheit, dann Bewusstlosigkeit und schließlich Herzstillstand bewirken sollen, die einzig zulässige Methode. Bei einem reibungslosen Ablauf dauert die Prozedur etwa 20 Minuten. Gegner bezeichnen sie als grausam, weil die letzte Substanz schwere Verbrennungen hervorruft und damit auch Schmerzen, sofern die ersten Substanzen nicht wirken.

In Ohio hatte es vor einem Jahr ähnliche Probleme gegeben. Florida hatte die Vollstreckung der Todesstrafe im Dezember vorübergehend ausgesetzt, nachdem der Todeskampf von Angel Nieves Diaz 34 Minuten gedauert hatte. Die Injektionsnadeln hatten seine Venen durchstoßen, die Gifte flossen ins Gewebe statt in die Blutbahn. Erst eine zweite Dosis Gift erlöste ihn. In Kalifornien hatte ein Richter den Staat gezwungen, das gesamte Exekutionssystem zu überprüfen und Hinrichtungen so lange auszusetzen. Dort hat es 2005 Verzögerungen bei der Exekution eines der bekanntesten Todeskandidaten gegeben: Tookie Williams, Gründer der Streetgang „Crips“. Beim Obersten Gericht in Washington sind Klagen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Todesspritze anhängig.

Der Fall Newton trägt absurde Züge, die zu Zweifeln an seinem Geisteszustand führen. Er selbst hatte alles getan, um hingerichtet zu werden – und den Mord an einem Zellengenossen nach eigenen Angaben nur deshalb begangen. Der 37-Jährige hatte den Großteil seines Lebens in Gefängnissen verbracht. Als er 1999 in Freiheit war, brach er in das Haus seines Vaters ein und hinterließ, wie er sagte, absichtlich Fingerabdrücke, um wieder in Haft zu kommen.

2001 erschlug er seinen 27-jährigen Mitgefangenen Jason Brewer im Streit um eine Schachpartie. Newton sagte, er wolle damit seine Hinrichtung erreichen. Ihm mache der Gedanke Angst, den Rest des Lebens hinter Gittern zu verbringen. Vor seiner Exekution entschuldigte er sich bei der Familie des Opfers. Kritiker nennen seine Hinrichtung „staatliche Beihilfe zum Selbstmord“.

Newtons Anwälte hatten beantragt, ihm die Todesstrafe wegen eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit zu ersparen. Die Hinrichtung geistig Verwirrter ist in den USA verfassungswidrig. Doch ein Gericht befand Newton im Herbst 2006 für straffähig. Er verzichtete auf eine Berufung und bekräftigte, er wolle sterben.

Bei der Exekution am Donnerstag schlugen zehn Anläufe fehl, eine geeignete Vene bei dem 120 Kilogramm schweren Mann zu finden. Newton scherzte währenddessen mit den Gefängnisbediensteten und erbat sich eine Toilettenpause. Um 10 Uhr Ortszeit hatte die Hinrichtung begonnen. Um 11 Uhr 53 wurde er schließlich für tot erklärt. Newton ist der 21. Todeskandidat, der in diesem Jahr in den USA hingerichtet wurde, und der 1079. seit Wiedereinführung der Todesstrafe im Jahr 1976.

Am Dienstag war in Arizona Robert Comer hingerichtet worden. Menschenrechtsgruppen fordern eine Aussetzung der Todesstrafe, bis der Supreme Court abschließend über die Verfassungsmäßigkeit der Giftspritze geurteilt hat.

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