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Cooler Typ: Mark Ronson

© Florent Dechard

Popmusiker und Grammy-Gewinner: Marke: Ronson

Er produzierte das Erfolgsalbum von Amy Winehouse, Paul McCartney hat jüngst mit ihm aufgenommen. Der Brite Mark Ronson erzählt in Anekdoten, wie er wurde, was er ist.

JUGEND

Als ich acht war, heiratete meine Mutter zum zweiten Mal – Mick Jones, den Gitarristen der Band Foreigner. Wir drei Geschwister zogen mit ihr nach New York. Dadurch habe ich gelernt, mich im Leben schnell an neue Umgebungen anzupassen. Reiner Überlebensinstinkt. Kinder können grausam sein, wenn man anders ist. Für die amerikanischen Schüler war ich eine Kuriosität, ich habe meinen britischen Akzent so schnell wie möglich abgelegt, damit sich die anderen nicht mehr darüber totlachten. Sie schimpften mich Commie, Kommunist, das war 1983, zu Zeiten des Kalten Krieges. Politisch hat das gar keinen Sinn ergeben, sie riefen jeden so, der kein Amerikaner war. Das galt als schlimmste Beleidigung unter Neunjährigen. New York war damals ein gefährlicheres Pflaster als heute. Ich erinnere mich, wie anrüchig die Gegend um den Times Square war. Meine Mutter nahm uns einmal ins Studio unseres Stiefvaters mit, als wir über den Platz gingen, hielt sie uns Kinder ganz fest an den Händen, so dass sie die fast zerquetschte. Die ganze Zeit hatte ich sowieso nur Augen für die großen gelben Taxis – die kannte ich ja nur aus Filmen. Nach wie vor bin ich berührt, wenn ich die vorbeifahren sehe.

MICHAEL JACKSON

Mit 13 Jahren begann ich, Musik aufzunehmen. Mein Stiefvater hatte ein Acht-Spuren-Aufnahmegerät und ein Studio zu Hause. Wenn er auf Tour war, durfte ich es benutzen. Sean Lennon war ein Schulfreund von mir – der Sohn von Yoko Ono und John Lennon. In seiner Wohnung gingen Stars ein und aus. Das hört sich im Nachhinein völlig verrückt an, aber mit 13 Jahren befreundete sich Sean mit Michael Jackson. Als der Sänger später unter Verdacht stand, Kinder missbraucht zu haben, hat Sean beteuert, dass nie etwas vorgefallen sei. 1988 tourte Michael gerade mit seinem Album „Bad“ in New York, am Nachmittag kam er zu Besuch, und Sean bettelte: „Michael, Michael, gib uns einen Basslauf, damit Mark und ich daraus einen Song machen können.“ Ich werde nie vergessen, wie Michael vor uns stand, mit den Fingern den Rhythmus schnippte, weil er kein Instrument spielen konnte, und sang: „Du-du-du- du-dumm-dumm.“ Hört sich heute nach dem verschollenen Basslauf eines Hits von ihm an, ein bisschen wie „Smooth Criminal“. Wir Dummköpfe haben kein Lied daraus gemacht, sondern ein zwölf Minuten langes Stück aus dem gesungenen Basslauf geschnitten.

HIP-HOP

Als Kind habe ich viel Soul und Funk aufgesogen, weil mein Vater diese Musik oft spielte. Ende der 80er Jahre hörte ich zum ersten Mal Hip-Hop, Musik von Slick Rick oder LL Cool J, und auf den Platten wurden viele der alten Titel gesampelt. Das war wie eine Brücke für mich. Mit 18 fing ich an, in New Yorker Bars Hip-Hop aufzulegen. Ich zog bei meinen Eltern aus, verdiente als DJ 100 Dollar auf die Hand für einen Abend. Außerdem arbeitete ich als Verkäufer in einem Modegeschäft in Uptown Manhattan. So kam ich über die Runden. Es fühlte sich großartig an, wenn ich meine Plattenspieler, das Mischpult und den Plattenkoffer ins Taxi schleppte, durch den Schneesturm zu einer Bar in der Lower East Side fuhr, um dort zwei Stunden meine Lieblingslieder zu spielen. Anfang der nuller Jahre begann ich, Rocktitel mit Hip-Hop-Sounds zu mischen. Das konnte manchmal ins Auge gehen. Ich habe in Bars aufgelegt, wo vor der Tür geschossen wurde, oder die hübsche Barfrau plötzlich auf den Tresen sprang und auf zwei Gäste, die eine Schlägerei anzettelten, mit dem Feuerlöscher eindrosch. Stellen Sie sich vor, da ist ein Drogendealer-Kerl auf der Tanzfläche, er will Geld im Club lassen, vor seiner Freundin angeben – und dann kille ich seine Stimmung mit einem Rocksong dazwischen. Bei solchen Gelegenheiten war die Chance recht hoch, dass eine Flasche Champagner in meine Richtung flog.

Wie Mark Ronson einmal ein Studio für Stevie Wonder buchte

Ein Held von Ronson: der Musiker Stevie Wonder.
Ein Held von Ronson: der Musiker Stevie Wonder.

© AFP

STEVIE WONDER

Es ist eine schöne Begleiterscheinung, dass ich mit vielen meiner Idole zusammenarbeiten kann – Duran Duran oder Stevie Wonder, der auf meinem neuen Album singt. Als ich 18 war und in meinem New Yorker Studentenzimmer lag, habe ich so oft „Talking Book“, sein Album von 1972, aufgelegt. Ich habe vor einem Jahr einen Brief an sein Management geschickt. Wie sehr ich Stevie schätze, dass er mein Lieblingsmusiker ist, dass ich ihn gern auf meiner Platte dabei hätte. Vier Monate später bekam ich aus dem blauen Dunst heraus einen Anruf: Stevie ist gerade auf Tour, übermorgen hat er einen Tag Zeit in Chicago, buch schon mal ein Studio, vielleicht kommt er. Ich dachte, nie im Leben. Vorsichtshalber habe ich trotzdem eines reserviert. Hinfliegen konnte ich nicht, weil ich in New York an einem Soundtrack arbeitete und eine Verabredung mit den Filmproduzenten hatte. Die ganze Zeit dachte ich: Geht Stevie Wonder jetzt wirklich ins Studio? Ich musste mich zurückhalten, seiner Managerin nicht 100 E-Mails zu schreiben. Eine Nachricht habe ich verfasst, ich hoffe, dass sie nicht zu verzweifelt klang: Glauben Sie, Stevie schafft es heute, ins Studio zu kommen? Sie schrieb sofort zurück: Er geht gerade rein. Und sieben Stunden später erhielt ich die E-Mail mit den Aufnahmen.

AMY WINEHOUSE

Ich begann 2006 mit Amy Winehouse zusammenzuarbeiten – für ihr zweites Album „Back to Black“ nahm ich sechs Lieder auf. Als ich sie zum ersten Mal traf, merkte ich, wir begeisterten uns für dieselbe Musik: die Soulmusik der 60er Jahre, die man in ihrem Londoner Pub um die Ecke spielte. Sie wollte, dass ihre Platte einen ähnlichen Sound bekäme, ohne wie ein Aufguss zu klingen. Der frühere Sex-Pistols-Manager Malcolm McLaren hat mir später gesagt, als er unser Album hörte, habe er die Handschrift eines Amateurs gespürt. Kurz überlegte ich, ob das eine Beleidigung war, aber ich nehme mal an, von jemandem, der Punk miterfand, war das als Lob gedacht. Er verstand, dass wir aus Versehen etwas Eigenes geschaffen hatten. Am Ende verkaufte sich Amys Album 20 Millionen Mal. Alles für knapp zwei Wochen Arbeit. Wir haben eine Woche an den Demos für die Lieder gesessen, dazu kam eine weitere für das Einspielen mit den Musikern. Zwei Jahre später gingen wir das erste Mal wieder ins Studio. Wir hatten den Auftrag bekommen, das Lied für den neuen 007-Film „Ein Quantum Trost“ zu schreiben. Ich setzte Amy unter Druck, versuchte es immer und immer wieder, dieses eine Lied aus ihr herauszukitzeln – es war ja der Traum eines jeden englischen Jungen: einmal einen Bond-Song zu schreiben. Aber es klappte einfach nicht. Die Magie war futsch.

STIMMEN

Mir ist es wichtig, am selben Ort zu sein wie der Künstler, mit dem ich arbeite. Es gibt einen Mehrwert, wenn jemand vor mir singt und ich ihre oder seine Gegenwart spüre. Nur für Stevie Wonder habe ich diese Regel bisher gebrochen. Manchmal gehe ich sogar so weit und suche mir meine Stimme auf einem Road-Trip. So habe ich Keyone Starr gefunden, die eine Disco-Funk- Nummer auf meinem neuen Album singt. Ich wollte eine Soul-Diva haben. Songwriter Jeff Bhasker und ich waren um zwei Uhr nachts noch im Studio in New York, hatten das eine oder andere Glas Whiskey getrunken, und er sagte: „Vergiss die Sängerinnen in Manhattan, wir müssen in den Süden fahren, wo das Herz der amerikanischen Musik liegt, wo noch echter Gospel gesungen wird.“ Und am nächsten Morgen brachen wir mit dem Auto Richtung Mississippi auf. In einer kleinen Halle der Jackson State University haben wir dann Keyone entdeckt. Als ich sie singen hörte, wusste ich: Das ist sie! Sie klang ein wenig nach Reibeisen, ein Organ, in dem ich einen gewissen Bruch hörte – als wenn es mit Honig überzogen sei, der leicht angebrannt war. Lauryn Hill hat so eine Stimme, Steve Winwood auch. Ich finde andererseits Whitney Houston als Künstlerin toll, aber ihre Stimme zu perfekt.

Mark Ronson ist einer der weltweit erfolgreichsten Produzenten und Musiker. Für seine Arbeit mit Amy Winehouse erhielt der Brite drei Grammys. Seine aktuelle Single „Uptown Funk“ (gesungen vom Soul-Sänger Bruno Mars) steht in mehreren Ländern auf Platz eins, das Album „Uptown Special“ erscheint am 23. Januar in Deutschland. Der 39-Jährige stammt aus der Familie eines Londoner Immobilienclans, wuchs aber zum großen Teil in New York auf.

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