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Wollen in Freiheit leben: Diana Namusoke (links) und Success Johnson.

© Kerstin Söderblom

Abschiebung von Homosexuellen: Kirchenasyl für zwei lesbische Frauen

Zwei Lesben sollen nach Nigeria und Uganda abgeschoben werden. Dort könnten sie umgebracht werden. Aktuell erhalten sie Asyl in einer Berliner Kirche.

Im schlimmsten Fall könnten Success Johnson und Diana Namusoke in Nigeria und Uganda gesteinigt werden. Deswegen erhalten die beiden Frauen seit November Kirchenasyl in einer Berliner Gemeinde. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte ihre Abschiebung angeordnet. Die Begründung: Die Behörde glaubt den beiden Frauen nicht, dass sie lesbisch sind.

In ihrem Heimatland Uganda sei sie verprügelt worden, erzählt Namusoke in einem Video zu einer Petition für ihr Bleiberecht. „Meine Familie wollte mich in eine Ehe zwingen. Es endete damit, dass ich gefoltert und geschlagen wurde. Schlussendlich hat meine Familie Menschen gesendet, um mich zu ermorden.“

Einvernehmlicher Sex zwischen Menschen des gleichen Geschlechts ist sowohl in Uganda als auch in Nigeria verboten. Als Strafe droht Homosexuellen in Nigeria eine Haft von bis zu 14 Jahren und in der Hälfte der Bundesstaaten die Todesstrafe durch Steinigung. In Uganda droht eine Haftstrafe von zwölf Jahren bis lebenslang. Zudem rufen religiöse Führer dort offen zum Mord an Homosexuellen auf. Diese homophoben Gesetzgebungen und religiösen Hasspredigten ebnen den Weg für Lynchjustiz-Morde, zumal Zivilisten keine Strafe zu befürchten haben.

Das Problem: Johnson und Namusoke haben seit ihrer Ankunft in Deutschland nicht in jeder Anhörung dieselbe Geschichte erzählt. So habe Namusoke laut einer Referentin vom Kirchenasyl beim Eintritt nach Deutschland zwar gesagt, dass sie homosexuell sei, beim Interview zum Asylverfahren habe sie jedoch nur angeführt, dass sie zwangsverheiratet werden sollte. Erst beim Gerichtsverfahren dann habe sie ihre Homosexualität wieder als Grund genannt.

Oft wird den Geflüchteten ihre Homosexualität nicht geglaubt

Bei Success Johnson (24) sei es andersherum gewesen: Weil sie aus einer Vergewaltigung ein Kind hatte, sei sie bei der Einreise davon ausgegangen, dass ihr niemand glauben würde. Erst bei späteren Anhörungen habe sie sich geoutet.

Dass deutsche Behörden Geflüchteten nicht glauben, homosexuell zu sein, ist nichts Ungewöhnliches. Laut LeTRa, einer Lesbenberatungsstelle in München, wird die Mehrheit aller Erstanträge auf Asyl wegen Homosexualität abgelehnt. Als Begründung wird oftmals angeführt, dass die Behörde den Asylsuchenden nicht glaubt. In einer Stellungnahme sagt eine Sprecherin des BAMF: „Die Glaubhaftmachung setzt einen schlüssigen Sachvortrag voraus. Hierzu gehört die lückenlose Schilderung der persönlichen Erlebnisse.“ Und weiterhin: „Die Anhörung bildet das Herzstück des Asylverfahrens. Die Asylsuchenden werden darauf hingewiesen, dass sie dazu verpflichtet sind, alle für ihre Flucht relevanten Tatsachen und Umstände vorzutragen. Nicht vorgetragene Sachverhalte kann das Bundesamt bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen.“

„Der Fall dieser beiden Frauen ist charakteristisch dafür, wie das deutsche Asylsystem organisiert ist“, sagt Ulrike La Gro von der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche. Namusoke und Johnson sollen vor ihrem ersten Behördengespräch keinerlei unabhängige Asylverfahrensberatung bekommen haben - eine Beratungsleistung, die es Schutzsuchenden ermöglicht, ihre eigenen Rechte und Pflichten im Asylverfahren zu erkennen, die Fluchtgründe bei der Anhörung adäquat vorzutragen und sich bei den unterschiedlichen Behörden und Zuständigkeiten zurechtzufinden.

Die Frauen dieser Herkunftsländer kostet das Coming-Out eine große Überwindung

„Man muss einfach verstehen“, sagt La Gro, „welche Überwindung es für Frauen aus diesen Herkunftsländern bedeutet, sich öffentlich zu outen“. Wenn man aus einer Gesellschaft komme, in der ein Coming-Out lebensgefährlich sei, sei es sehr schwer, das Wort „lesbisch“ überhaupt in den Mund zu nehmen. Zudem seien Johnson und Namusoke in den sogenannten „Ankerlagern“ gemeinsam mit anderen Nigerianern und Ugandern untergekommen, „ohne Rücksicht darauf, dass vulnerable Gruppen eigentlich gesondert untergebracht werden sollten“. Aus Furcht vor den Reaktionen anderer Geflüchteter verstecken Homosexuelle in Notunterkünften oftmals ihre sexuelle Orientierung. Ein ähnliches Problem stellen laut La Gro die Anhörungen dar: Bei den Asylinterviews sitzen den Menschen oft Dolmetscher aus dem eigenen Land gegenüber. Das erhöhe die Scham und die Hemmung, sich im Gespräch zu outen.

Jetzt haben sich Johnson und Namusoke in einer Petition von change.org mit Unterstützung der Münchener Lesbenberatungsstelle LeTRa sogar öffentlich geoutet. La Gro ist sich sicher: „Wenn es nicht der Wahrheit entspräche, würden sich die beiden Frauen nicht so exponieren und in aller Öffentlichkeit aussprechen, dass sie lesbisch sind. Wer würde das mitten im Asylverfahren riskieren, wenn einem im Fall einer Abschiebung die Todesstrafe durch Steinigung droht?“

Beim Kirchenasyl nimmt eine Kirchengemeinde Schutzsuchende, für die eine Abschiebung lebensbedrohlich sein kann, aus christlicher Motivation auf. Kurzfristig können durch Kirchenasyl Abschiebungen ausgesetzt werden. Das Ziel ist grundsätzlich, einen zeitlichen Aufschub zu erwirken, damit Behörden Asylanträge angesichts drohender Härten erneut prüfen können. Es kam mehrfach die Debatte auf, dass sich das Kirchenasyl in einer rechtlichen Grauzone bewege.

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