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König des Kitschs. Rosa von Praunheim thront in seinem Ausstellungsraum in der Dreier-Schau "Abfallprodukte der Liebe" am Pariser Platz.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Ausstellung zu drei queeren Regisseuren: Der Bär und die Bettwurst

„Abfallprodukte der Liebe“: Die Akademie der Künste würdigt am Pariser Platz die Künstlerfreundschaft von Werner Schroeter, Elfi Mikesch und Rosa von Praunheim.

Schon das Entrée ist eine Ansage, eine unpolitische allerdings, mehr im Stil von Hilde Knefs „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Da leuchten einem in der Mitte des ersten Raumes Blütenblätter aus einem überdimensionalen roten Kasten entgegen. Und dass sie künstlich sind, passt zu der hier gefeierten Künstlerfreundschaft besser, als wenn es echte wären.

„Geboren, um berühmt zu werden“ sollte die Ausstellung, die die Akademie der Künste ihren drei Mitgliedern Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim und Werner Schroeter am Pariser Platz widmet, eigentlich heißen. Das erzählt zumindest Rosa von Praunheim bei der Vorbesichtigung. Die Idee, die seinen und Werner Schroeters Narzissmus wahrlich gut getroffen hätte, platzt jedoch. Sie wirkt selbst für drei Ikonen des deutschen Autorenfilms und queeren Kinos zu arrogant. Mit „Abfallprodukte der Liebe“ leiht nun der deutsche Titel eines Essayfilms von Werner Schroeter über die Kunst von Opernsängerinnen und Opernsängern dem in Filmen, Fotografien, Texten, Malereien und Devotionalien niederrauschendem Bilderregen den Namen.

Angefangen hat die bis zum Krebstod von Schroeter im Jahr 2010 andauernde private und berufliche Verbindung zwischen ihm, Praunheim und Mikesch schon in den Sechzigern. Und dass sowohl die zwischenmenschliche als auch die künstlerische Experimentierfreudigkeit damals deutlich radikaler als heute war, ist den Biografien der drei ebenso anzusehen wie ihren avantgardistischen Super-8- und 16-Millimeter-Filmen.

Du hast ja gedacht, ich bin der Teufel

Allein ein Praunheim-Klassiker wie die dilettantische Romanze „Die Bettwurst“ wirkt als ausschnittsweise an die Wand geworfene Projektion heute wie Bad-Taste-Trash von einem anderen Planeten. Was mögen da erst die Zuschauer im Jahr 1971 gedacht haben. Womöglich ähnelte ihre Skepsis dem 1942 in Riga geborenen Regisseur und Politaktivisten gegenüber ein wenig der von Elfi Mikesch. Die gelernte Fotografin ist Jahrgang 1940, stammt aus Judenburg in der Steiermark und hat neben 20 eigenen Regiearbeiten bei vielen Filmen von Werner Schroeter und Rosa von Praunheim die Kamera geführt. Zuletzt bei „Überleben in Neukölln“, einem Dokumentarfilm, der im November 2017 herauskam. Als einer von rund 150 Filmen, die der „weltweit produktivste schwule Filmemacher“ unterdessen verbucht.

Kinder des Olymp. Werner Schroeter, Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim in jungen Jahren.
Kinder des Olymp. Werner Schroeter, Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim in jungen Jahren.

© Markus Tiarks

„Du hast ja anfangs gedacht, ich sei der Teufel“, sagt von Praunheim zu Mikesch. Sie pariert sein glitzerndes Zirkusdirektoren-Outfit mit strengem Schwarz – ein Kontrast, der auch ihre Ausstellungsräume auszeichnet – und gibt zu, beim Erstkontakt 1963 in Frankfurt am Main reichlich irritiert gewesen zu sein. „Für den Teufel habe ich dich aber nie gehalten, das wäre zu hoch gehängt.“ Schroeter, der eine internationale Karriere als Film- und Theaterregisseur hingelegt hat, in Italien und Frankreich fast mehr als hierzulande verehrt wurde und viele Jahre das deutsche Lieblingskind der Pariser Intelligenzia war, hat sie durch Praunheim kennengelernt, der auch eine kurze Zeit mit ihm verbandelt war. Schon zu Schroeters Lebzeiten sei die Idee entstanden, Elfi Mikeschs notorische Bescheidenheit durch eine ihr gewidmete Ausstellung auszuhebeln, sagt von Praunheim. Dass daraus nun eine geworden ist, die genauso sein Werk wie das 30 Filme und unzählige Theater- und Opernproduktionen umfassende von Schroeter skizziert, wird ihn gewiss nicht traurig stimmen.

Uns verbindet das Herz und das Auge

Mikesch, die genauso wie Praunheim und Schroeter längst den queeren Filmpreis Teddy für ihr Lebenswerk erhalten hat, wirkt mit ihrem zwischen zwei kleinen Schroeter- und einem großen Praunheim-Raum gelegenen Ausstellungsteil nicht von ungefähr wie eine Mittlerin. Hier dominiert die kühle Strenge der Schwarzweiß-Fotografie, die sie von Kindesbeinen an geprägt hat. In einem Leuchtkasten hängen Glasnegative, die aus dem Fotostudio ihrer Lehrzeit stammen. In zwei mit Film- und Klangsequenzen ausgestatteten Boxen reflektiert sie ihr Lebensmotiv: die Camera obscura, genauer, das Erfahren der Welt als dunkler Raum mit einem Loch in der Wand. Was sie als Kamerafrau mit so unterschiedlichen Filmsprachen wie Schroeters theatralem Pathos und dem Krawallkitsch von Praunheim verbindet? Sie lächelt leise. „Das Herz und das Auge.“ Gerade dieser Kontrast sei ein Faszinosum, der unterschiedliche Wege der Welterfahrung ermögliche. Und der kann auch bei drei Künstlern, die das Thema Homosexualität eint, nicht unterschiedlicher sein.

Elegie in Schwarzweiß. Elfi Mikesch, Regisseurin, Fotografin und Kamerafrau in ihrem Ausstellungsraum in der Akademie der Künste.
Elegie in Schwarzweiß. Elfi Mikesch, Regisseurin, Fotografin und Kamerafrau in ihrem Ausstellungsraum in der Akademie der Künste.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Wallt in den Schroeter-Räumen mit Klanginstallationen von Eberhard Kloke und Fotos von Schroeters Hausgöttinnen Maria Callas und Magdalena Montezuma der brüchige, aber tiefernste Geist der großen Oper. Tobt im letzten Raum die ungebremste Infantilität des Poposex-Propheten Praunheim. Hinein geht es durch Gitterstäbe, die seine Geburt im Gefängnis symbolisieren. Obendrüber wird in roten Lettern vor Penissen gewarnt, die es dann auch gefilmt, gemalt, geformt und auf Stoff geklebt zu sehen gibt.

Bodenlose Banalität, die stilbildend ist

Plunder wie der rote Plüschpapagei, der auf einem pinken Thron hockt, stammt aus seiner Wilmersdorfer Wohnung. Dazu gesellen sich Plakate mit Parolen, die vom lebenslangen Emanzipationskampf sprechen, ein Mausoleum toter Stars, und ein Lotterbett, in dem man über Kopfhörer Gedichten lauschen kann. Eine Inszenierung, die sich mal wieder in schönstem Schwulen-Camp der Musealisierung verweigert. Und in ihrer bodenlosen Banalität stilbildend ist.

Praunheims ewigen Neid auf den Rivalen Schroeter, der im Gegensatz zu einem „Dreckspatz“-Filmer wie ihm für seine Werke mit Goldenen Bären und Löwen ausgezeichnet wurde, hat er inzwischen überwunden. „Ich war gestern noch an seinem Grab auf dem Friedhof am Südkreuz und habe ihm gesagt, dass er zur Eröffnung kommen soll.“ Sie fällt auf den internationalen Tag gegen Trans- und Homophobie, an dem Praunheim vorher zu einer Polittunten-Demo für die Opfer des Paragrafen 175 am Brandenburger Tor lädt. Vermutlich ohne Blütenregen.

Akademie der Künste, Pariser Platz 1, Eröffnung Do 17.5., 19 Uhr, bis 12.8., Di-So 11-19 Uhr (auch Pfingstmontag), Infos zum Rahmenprogramm unter ww.adk.de

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