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Bei der Demonstration wurde kritisiert, dass das BAMF die Asylanträge queerer Geflüchteter bereits in der Vergangenheit ablehnte.

© Wolfram Kastl/dpa/ picture alliance / dpa

Bei der Überprüfung von Fluchtgründen: Asylsuchende mussten sich outen – Ministerien geben Fehler zu

Bei der Überprüfung von Fluchtgründen kam es in mehreren Fällen zu Zwangsoutings. Nun haben die beteiligten Ministerien Fehler eingestanden.

Das Innenministerium und das Auswärtige Amt haben in einem gemeinsamen Schreiben an den Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Fehler bei der Behandlung von queeren Asylbewerber*innen zugegeben.

Zuvor hatte der LSVD Mitte März öffentlich kritisiert, dass das Auswärtige Amt auf Bitten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in mehreren Fällen die sexuelle Orientierung der Antragsteller*innen offenbart hatte. Die Überprüfungen von Fluchtgründen seien dabei durch Anwält*innen deutscher Botschaften und Konsulate in den jeweiligen Herkunftsländern der Asylsuchenden durchgeführt worden.

In Pakistan etwa habe ein Anwalt mit dem Vater eines Betroffenen über alle Informationen gesprochen, die sein Sohn im deutschen Asylverfahren angegeben hatte: Ob es in der Region eine „homosexuelle Szene“ gebe, habe er gefragt und auch, ob der Asylbewerber bisexuell sei. Die Familie soll daraufhin den Kontakt zu dem Asylsuchenden abgebrochen haben.

In einem weiteren Fall soll das BAMF einem iranischen Asylsuchenden angelastet haben, dass er binnen 20 Tagen nach seiner Ankunft in Deutschland noch nicht auf einer App nach anonymem Sex gesucht habe, obwohl er wisse, dass Homosexualität hier nicht strafbar sei.

"Paranoide Angst, dass Asylsuchende Homosexualität vortäuschen"

„Im BAMF scheint es eine fast schon paranoide Angst davor zu geben, dass Asylsuchende nur vortäuschen, lesbisch oder schwul zu sein“, erklärt Patrick Dörr, Mitglied im Bundesvorstand des LSVD. Das Schreiben der beiden Ministerien begrüße der Verband aber ausdrücklich: „Da sie die Fehler klar eingestanden und eine Reihe konkreter Maßnahmen zur Verhinderung weiterer solcher Vorkommnisse versprochen haben, sind wir nun zuversichtlich, dass in Zukunft keine Outings mehr erfolgen“, so Dörr.

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In dem Papier verspreche das BAMF, die Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und die übermittelten Inhalte einer Anfrage an das Auswärtige Amt in Zukunft vorab noch stärker zu überprüfen. Das Auswärtige Amt habe die Auslandsvertretungen zudem dafür „sensibilisiert, sowohl bei der Amtshilfe in Asylangelegenheiten besonderes Augenmerk auf datenschutzrechtliche Bestimmungen zu legen, als auch eine Schaffung von Nachfluchtgründen zu vermeiden“.

In einem der Fälle habe das BAMF einem geouteten Nigerianer in einem Abhilfebescheid nun den Flüchtlingsstatus zuerkannt, so Dörr. Aufgrund der geschaffenen Nachfluchtgründe müsse dies nun auch in den anderen Fällen erfolgen, fordert er.

Verfassungswidrigkeit von Zwangsoutings

Auf die Verfassungswidrigkeit der Zwangsoutings haben zudem auch die queerpolitischen Sprecher*innen der grünen Bundestagsfraktion, Sven Lehmann und Ulle Schauws, hingewiesen. Sie forderten vom Auswärtigen Amt, die Praxis zu beenden. „Menschen, die in Deutschland Schutz vor Tod und Verfolgung suchen, dürfen durch deutsche Behörden nicht weiter gefährdet werden“, so Schauws und Lehmann.

Die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke kritisierte unterdessen, dass Asylanträge von verfolgten LSBTIQ noch immer mit der Begründung abgelehnt würden, die Betroffenen könnten ihre Sexualität ja geheim halten. „Dabei haben sowohl der Europäische Gerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht das sogenannte Diskretionsgebot klar und unmissverständlich verworfen“, so Jelpke.

Anfang Mai hatte der LSVD zudem vor einem geplanten Gesetz gewarnt, nach dem Daten zur sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität im Ausländerzentralregister gesammelt werden sollen.

Der Verband lehne den Gesetzesvorschlag nicht nur aus datenschutzrechtlichen Überlegungen ab, sondern sehe in dem Vorhaben der Bundesregierung auch eine massive Gefahr für LSBTIQ-Geflüchtete: Sollten Daten des Ausländerzentralregisters zur sexuellen Orientierung etwa der Polizei im Herkunftsland bekannt werden, könnte dies eine massive Gefährdung für abgeschobene Geflüchtete bedeuten. In jedem Fall sei es aber eine sehr konkrete Gefahr für ehemalige Partner*innen und queere Bekannte. 

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