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Die Drag Queen Bambi Mercury (33) erlangte durch die Castingshow "Queen of Drags" Berühmtheit.

© Facebook

Drag Queen Bambi Mercury im Interview: „In der Pandemie habe ich viel intimere Gespräche geführt“

Drag Queen Bambi Mercury präsentiert eine CSD-Online-Veranstaltungsreihe. Es geht unter anderem um mentale Gesundheit und Urlaub. Im Gespräch verrät sie mehr.

Die Drag Queen Bambi Mercury (33) hostet in den kommenden Wochen im Rahmen der Community-Pride-Wochen mehrere Veranstaltungen auf Facebook, bei denen es unter anderem um Themen wie mentale Gesundheit, Urlaub in der Pandemie und Regenbogenfamilien geht. Die Auftaktveranstaltung "Mental Health & Wellbeing" findet am 8. Juli um 16 Uhr statt. Im Interview spricht Bambi über persönliche Erfahrungen des vergangenen Jahres, Urlaubspläne und Herausforderungen für die queere Community.

Bambi Mercury, wo werden Sie in diesem Jahr Ihren Sommerurlaub verbringen?
Das ist eine gute Frage. Ich habe jetzt zwei Babykatzen zuhause, deshalb beschränkt sich mein Urlaub auf mein Wohnzimmer und meinen Balkon. Ich war gerade eine Woche bei meinen Eltern und das war schon fast Urlaub. Einen Tag waren wir auch wandern. Und ich hoffe, nächstes Jahr wieder verreisen zu können.

Bei einer der geplanten Veranstaltungen sprechen Sie über das Thema Urlaub während Corona. Lässt sich in diesem Jahr verantwortungsvoll Urlaub machen?
Auf jeden Fall. Mittlerweile gibt es viele Möglichkeiten, sich an die Regeln zu halten und in einigen Urlaubsdomizilen sind die Zahlen recht niedrig. Man kann außerdem in Deutschland sehr schön Urlaub machen. Ich glaube, weil man jetzt so lange zuhause war und nicht weg konnte, hat man eine ganze andere Wertschätzung dafür, was gerade möglich ist und worauf man Lust hat. Die Auswahl ist zwar kleiner, aber man ist bedachter und entspannt bewusster.

Ende Juli findet auch wieder eine CSD-Parade mit vielen Menschen statt. Worauf freuen Sie sich sonst noch in diesem Sommer?
Ich würde mich freuen, mich mal wieder an einen See legen zu können, aber bisher hat es noch nicht geklappt. Auf die Pride freue ich mich auch, vor allem darauf, wieder fröhliche Gesichter zu sehen. Die glänzenden Augen sieht man ja trotz der Masken und Abstände.

Ich glaube, das Allerschönste ist, wieder eine Gemeinschaft zu erleben und Musik zu hören. Ich bin eigentlich eher ein Nachtmensch. Sommer und Hitze mag ich zwar nicht so sehr, aber ich habe es vermisst, unter dem freien Himmel zu tanzen und mit Freunden im Park zu sitzen.

Das CSD-Motto lautet in diesem Jahr erneut „Save our community, save your pride.“ Warum ist dieses Motto auch in diesem Jahr noch aktuell und wichtig?
Viele Menschen, die mit der queeren Community keine Berührungspunkte haben, sind genervt davon, dass einen Monat im Jahr das Regenbogenthema aufkommt. Wenn man aber in andere Länder auf Menschen, die nicht der heteronormativen Mehrheit angehören, schaut, kann man gar nicht leise sein. Auch hier in Deutschland gibt es genug Parteien, die sich sehr problematisch verhalten.

Das macht mich wütend und traurig. Wir sind zwar an einem Punkt, an dem wir viel geschafft haben, aber es lässt sich längst nicht von Gleichberechtigung sprechen. Viele denken, dass der CSD eine Party ist, aber in erster Linie ist es eine politische Demonstration. Vor uns haben viele queere Menschen so viel durchgestanden und gekämpft, damit wir heute so frei auf die Straße gehen können. Ich finde, dass wir das unbedingt beibehalten müssen. Wir müssen für unsere Community auf der ganzen Welt laut sein.

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Und was muss Ihrer Meinung nach „gesaved“, also gerettet, werden?

Ich denke wir müssen über die Probleme sprechen und zwar nicht einen Monat lang, sondern das gesamte Jahr über. Dafür braucht es auch Aufklärung. Unsere Community zu ‚saven‘ bedeutet für mich auch, dass Aufklärung schon in Schulen beginnt. Die Mehrheitsgesellschaft muss verstehen, dass wir immer noch angefeindet werden, sei es im Berufsleben, auf der Straße oder in der Bar. Viele können sich das nicht vorstellen.

Sie sind eigentlich auf der Bühne zuhause, aber schrieben zuletzt, dass Corona Ihr Leben „auf den Kopf gestellt“ hat. Inwiefern?
Ich habe seit ich 16 Jahre alt war im Einzelhandel und später im Management gearbeitet und ich habe mich erst ziemlich spät getraut, nur durch meine Kunstfigur meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Nachdem ich gekündigt und gerade einen Auftrag erhalten hatte, sah die Welt plötzlich ganz anders aus.

Auf einmal ist alles weggefallen, was ich an Zukunftsvisionen und Sicherheiten hatte. Hinzu kam, dass ich zwei Kinder habe, für die ich verantwortlich bin. Zwischenzeitlich wusste ich nicht, wie es weitergeht und ich habe mich schuldig gefühlt. Es hat lange gedauert, zu merken, dass es nicht meine Schuld ist und ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin.

Wie war es für Sie, Ihre Fan-Community ausschließlich online zu erleben?
Ich habe schon vorher viel online gemacht und Bilder beziehungsweise Videos hochgeladen. Manchmal habe ich auch Livetalks gemacht oder themenspezifische Abende veranstaltet, um mit der Community zu quatschen. Grundsätzlich habe ich gemerkt, dass ich meine Plattform nutze, um zu unterhalten, aber auch aufzuklären.

Während der Pandemie habe ich da ein ganz gutes Gleichgewicht gefunden und ich war froh zu sehen, dass so viele Leute bei mir geblieben sind und mich unterstützt haben. Wenn man merkt, dass man anderen Menschen Mut macht und sie aufmunternd mit seinen Videos, obwohl man selbst zuhause sitzt und es einem dreckig geht, dann gibt das Kraft.

Bambi Mercury betont die Bedeutung von Safe Spaces für die queere Community.
Bambi Mercury betont die Bedeutung von Safe Spaces für die queere Community.

© Facebook

Vor welchen großen Herausforderungen standen besonders queere Menschen während der Pandemie?
Unsere Klubs, Bars und Veranstaltungen waren geschlossen. Durch die Pandemie sind viele Schutzräume weggefallen und wir waren auf uns selbst gestellt. Gerade Jugendlichen, die kein gutes Zuhause haben, fehlten sichere Räume. Wir können froh sein, dass es zumindest online queere Gruppen gibt. Dank Facebook können wir uns vernetzen.

Aber es ist erstaunlich, wie die Außenwelt immer noch der Meinung ist, dass wir keine eigenen Räume brauchen und das, obwohl wir tagtäglich angefeindet werden.

Wie haben Sie das in Ihrem persönlichen Umfeld erlebt?
Eine befreundete Drag Queen wurde auf der Straße angefeindet, kaum, dass die Maßnahmen etwas gelockert wurden und man wieder raus konnte. Das Problem war außerdem, dass nur die Außengastronomie geöffnet hatte und dementsprechend auch die Drag Auftritte draußen stattfanden. Wir haben also ein paar Safe Spaces zurückbekommen, die unter den aktuellen Umständen aber nicht safe sind.

Denken Sie, dass sich die Art von Treffen mit Freund*innen langfristig verändert hat oder das Ende des Lockdowns womöglich „überhyped“ ist?
Ja, das glaube ich schon. Man ist auf jeden Fall während der Pandemie entschleunigt und in vielen Momenten hat man gemerkt, wer Freunde und wer Bekannte sind. Ich selbst habe in meinem Freundeskreis gemerkt, dass wir früher viel mehr hingenommen haben und uns nicht weiter Gedanken gemacht haben, wenn jemand meinte es ginge ihm nicht gut.

Jetzt sind wir an einem Punkt, wo es mehreren Leuten nicht gut geht und dementsprechend ein ganz anderer Austausch stattfindet. Weil wir alle im selben Boot sitzen und jeder seine Erfahrungen teilt. In dieser Pandemie-Zeit habe ich mit meinen Freunden viel intimere und offenere Gespräche geführt.

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Also bieten sich auch neue Chancen?
Ich denke ja. Man muss der Realität natürlich ins Auge sehen und sich klarmachen, dass es nicht mehr wird wie früher. Bestimmte Safe Spaces wird es nicht mehr geben, weil sie den Lockdown nicht überlebt haben. Aber ich finde, wir müssen das Positive sehen: Wir selbst haben unsere eigenen Werte anders wahrnehmen und genießen können. Und es haben Menschen zueinander gefunden, die so nicht zusammengekommen wären, zum Beispiel in den sozialen Medien. Das ist ein guter Anfang für etwas Neues.

In einer Veranstaltung beschäftigen Sie sich mit dem Thema Regenbogenfamilien. Sie selbst sind Vater von zwei Kindern. Wie haben Sie die Zeit der Pandemie aus der Perspektive eines Elternteils erlebt?
Bei uns ist es so, dass die Kinder bei der Mutter groß werden und ich unter der Woche in regelmäßigen Abständen dort bin. Als die Pandemie angefangen hat, habe ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und einfach nur gehofft, dass es ganz schnell vorbei geht. Kleine Kinder bekommen davon nicht viel mit, aber ich hatte Angst, dass es so bleibt und meine Kinder keine richtige Kindheit haben.

Ich hatte sogar schon Panik, irgendwann Homeschooling machen zu müssen. Die Zukunft für meine Kinder hatte ich mir anders vorgestellt. Zum Glück ist die Anfangsangst dann abgeflaut.

Zumal Regenbogenfamilien in den Gesetzesregelungen, die sich nur auf einen Haushalt bezogen, häufig nicht mitgedacht wurden…
Genau. Ich bin irgendwann fast wahnsinnig geworden und war total verunsichert. Manchmal wollte ich nicht mehr nach Hause, sondern nur noch im Kinderbett bei meinen Kindern liegen blieben. Und manchmal habe ich mir gewünscht, selbst wieder Kind zu sein und von all dem nichts mitzubekommen. Wenn man erwachsen ist und Verantwortung trägt und merkt, dass die Welt verrückt spielt, dann Prost Mahlzeit!

Gerade Regenbogenfamilien fehlt es an Sichtbarkeit und Vorbildern. Gab es bestimmte Herausforderungen, auf die Sie sich deshalb nicht einstellen konnten?
Auf jeden Fall. Ich bin mit der Vorstellung, dass ich irgendwann Haus, Frau und Hund haben werde, aufgewachsen. Als ich dann geoutet und Mitte zwanzig war, habe ich gemerkt, dass das, worauf ich in meinem Leben vorbereitet wurde, gar nicht stattfindet. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass ein schwuler Mann Kinder haben kann oder solche Konstellationen funktionieren.

Es mangelte an Figuren oder Familien, mit denen man sich identifizieren konnte. Darüber wurde nicht gesprochen und damals war ich komplett überfordert. Es hat zehn Jahre gedauert, bis ich verstanden habe, dass man sich sein Familienkonzept selbst gestalten kann. Die Hauptsache ist ja, dass es den Kindern gut geht.

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