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Die Skyline von Frankfurt am Main.

© Arne Dedert/dpa

Exklusiv

Dutzende sahen zu, wie Person angegriffen wird: Homofeindliche Attacke mitten in Frankfurt?

Bei einem Übergriff in der Frankfurter Innenstadt liegt mutmaßlich ein queerfeindliches Tatmotiv vor. Zunächst war von einer „Massenschlägerei“ die Rede.

Es sind verstörende Szenen. Dutzende Schaulustige, die meisten männliche Jugendliche, die dabei zusehen, wie eine Person mitten in der Frankfurter Innenstadt regelrecht zusammengeschlagen wird. Als Täter ist vor allem ein Junge in auffällig roter Jacke auszumachen, der immer wieder auf sein Opfer einschlägt, bis es schließlich zu Boden geht.

Niemand der Umstehenden scheint einzugreifen. Im Gegenteil: viele haben ihre Smartphones in der Hand und filmen die Situation. Lediglich ein Mädchen versucht der Person am Boden am Ende aufhelfen zu wollen. Gepostet wurde der Clip offenbar zunächst auf dem Messengerdienst „Snapchat“ . Betitelt sind die Szenen mit zwei Sätzen: „Ffm ist todeswitzig“ und „Transe wird tod gehauen (sic!)“.

Der offizielle Polizeibericht erwähnt den homofeindlichen Hintergrund nicht

Die Bilder sollen einen Vorfall zeigen, der sich am Samstagabend im Zentrum Frankfurt am Mains abgespielt hat. Mehrere Medien, wie etwa die „Bild“ -Zeitung, berichteten zunächst von einer „Massenschlägerei“ von bis zu 150 Personen in der „Zeil”. Recherchen des Tagesspiegels legen jedoch nahe, dass es sich um einen möglichen queerfeindlichen Übergriff statt der angeblichen Massenschlägerei handelt.

Im offiziellen Polizeibericht wird ein homofeindlicher Tathintergrund nicht erwähnt. In einer Stellungnahme sprach die Behörde von mehreren Festnahmen, nachdem ein 20-jähriger von einer größeren Personengruppe zunächst beleidigt - und später durch Schläge und Tritte - angegriffen worden ist. Mehrere Personen, zwischen 14 und 30 Jahren alt, wurden von Beamten vorübergehend festgenommen.

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Das mutmaßliche Opfer betreibt auf der Fotoplattform Instagram einen eigenen Kanal. Hier äußerte sich die geschädigte Person am Sonntag: „Ich habe immer noch Schmerzen und es tut immer noch so weh. Es belastet mich so, dass ich nicht gut atmen kann.“ Gleichzeitig bedankte sich die Person für „den ganzen Support“ und viele positive Nachrichten. So wurden bereits wenige Stunden nach dem Vorfall in den sozialen Netzwerken hunderte Solidaritätsbekundungen mit dem mutmaßlichen Opfer des Übergriffs gepostet.  

Das Opfer hatte in einem YouTube-Kanal über queere Themen gesprochen

Wie queer.de berichtete, hatte das Opfer des Übergriffs am Wochenende zuvor in einem Frankfurter YouTube-Kanal über queere Themen und LGBTIQ*- Feindlichkeit gesprochen. Womöglich machte dieses Video die Täter auf das Opfer aufmerksam. 

Die Frankfurter Polizei bestätigte dem Tagesspiegel am Dienstagnachmittag, dass es sich nach neusten Ermittlungsstand um einen mutmaßlichen homophoben Tathintergrund handelt. Aufgrund des minderjährigen Alters einiger Tatverdächtiger hat ein Jugendkriminalitäts-Dezernat die Ermittlungen übernommen.

Bereits im vergangenen Jahr ist die Anzahl der Straf- und Gewalttaten gegen LGBTIQ* stark angestiegen. Der Bundesregierung zufolge gab es 2019 mindestens 564 politisch motivierte Straftaten, die auf die sexuelle Orientierung der Opfer zurückzuführen ist - darunter 147 Gewalttaten. Damit stieg die Zahl der Straftaten gegen queere Menschen im vergangenen Jahr um über 60 Prozent. Auch 2020 gab es zahlreiche Vorfälle bei denen homosexuelle Menschen auf offener Straße attackiert wurden.

Ein Attentat erst im Oktober in Dresden

Erst im Oktober wurde in der Dresdner Innenstadt ein Mann von einem Islamisten angegriffen und erstochen, sein Begleiter schwer verletzt.  Das Attentat könnte einen homofeindlichen Hintergrund haben. So berichten mehrere Medien übereinstimmend, dass es sich bei den Opfern um ein homosexuelles Paar handelte.

Bislang schweigen sowohl die sächsischen Ermittlungsbehörden und auch die Bundesanwaltschaft dazu. Die fehlende Stellungnahme der Behörden wurde insbesondere von queeren Verbänden heftig kritisiert. So zeigte sich Jörg Litwinschuh-Barthel, Vorstandvorsitzender der Magnus-Hirschfeld-Stiftung, „irritiert“ darüber, dass die Behörden ein „wichtiges Tatmotiv“ verschwiegen und forderte, religiösen Fundamentalismus nicht länger auszublenden. 

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