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Kampf für Menschenrechte. Überall in den patriarchalen Systemen Europas haben es Lesben besonders schwer, meinen die Organisator*innen der Europäischen Lesben*konferenz.

© Imago/ipon

Großes Lesbentreffen: "Das Ziel ist, Lesbenfeindlichkeit zu bekämpfen"

In Wien treffen sich bald hunderte Lesben zur European Lesbian* Conference. Der Queerspiegel befragte zwei der Organisator*innen.

In Wien findet vom 6. bis zum 8. Oktober die Europäische Lesben*-Konferenz statt, die European Lesbian* Conference (EL*C). Diskutiert wird etwa über die “patriarchale Machtkontrolle in lesbischen Beziehungen”, über digitalen Aktivismus oder über “Gender-Stereotypen in den Bildungssystemen Europas”.

Silvia und Maria, wie ist es zur European Lesbian* Conference gekommen?

Silvia: Im vergangenen Oktober haben einige der Organisator*innen an einem tollen Workshop der jährlichen ILGA Europe Conference teilgenommen, also dem europäischen Kapitel der Internationalen Vereinigung für Lesben, Schwule, Bis, Trans und Intersex. Dieser Workshop hieß “Lesben organisieren sich in Europa: Wie steht es um die lesbischen Bewegungen”? Mehr als 70 führende lesbische Aktivist*innen waren dort, es war ein magischer Moment. Wir kamen zu der gemeinsamen Erkenntnis, dass alle Lesben bestimmte Formen von Unterdrückung erleben – unabhängig von ihren kulturellen und wirtschaftlichen Hintergründen und unabhängig von der Tatsache, dass die eine Hälfte der Teilnehmer*innen aus westlichen Ländern, die andere Hälfte aus Osteuropa und vom Balkan kam. Und wir haben gesehen, dass wir nicht wirklich wissen, wie wir mit der Unterdrückung umgehen sollen. Überall in Europa sind Lesben unsichtbar, mangelt es an Gleichberechtigung und Akzeptanz.

Maria: Uns wurde klar, dass es für Lesben besonders schwer ist, in sexistischen und patriarchalen Strukturen zu leben und für die eigenen Rechte zu kämpfen.

Wer hat das Programm der Konferenz zusammengestellt?

Silvia: Wir wollten den Input aus unseren communities in die Konferenz einspeisen. Das Programm basiert also auf den mehr als 120 Antworten, die wir auf unseren call for papers hin bekommen haben. Das heißt, die Workshops kommen von lesbischen Grasroot-Aktivist*innen, Forscher*innen, Künstler*innen oder NGO-Mitarbeiter*innen, die Themen eingereicht haben, die sie gerade selbst beschäftigen. Außerdem haben wir beschlossen, so viele Vortragende wie möglich zu haben, um die große Diversität unserer Hintergründe und Kämpfe abzubilden. Ungefähr 100 Lesben werden die Gelegenheit bekommen, ihre Sichtweisen, ihre Expertise und ihre Best-Practice-Beispiele zu teilen.

Was erhoffen sich die Organisator*innen von der Konferenz?

Silvia: Wir hoffen, dass wir die Lage der Lesben in Europa im Zuge der Konferenz klarer sehen und dass wir so in den folgenden Jahren an einer gemeinsamen politischen Agenda arbeiten können. Mit der Hilfe daran interessierter Lesben planen wir dann die Gründung einer NGO. Sie soll Lesben dabei helfen, dauerhafte Netzwerke zu schaffen und als Ort dienen, in dem gemeinsames Wissen, Geschichten und Fähigkeiten  zusammengeführt werden. Die NGO soll es auch erlauben, auf aktuelle wichtige Themen zu reagieren und europäische Institutionen in lesbischen Angelegenheiten zu beraten.

Maria: Im Kern lautet das Ziel unserer Konferenz: Wie können wir Lesben stärken und ihre Lebensqualität verbessern? So bringen wir etwa verschiedene Generationen von Lesben zusammen, die vor verschiedenen Herausforderungen stehen. Es wird Vorträge von Leuten mit verschiedenen ökonomischen, religiösen und sozialen Hintergründen geben.

Die Konferenz ist für Lesben, aber hinter “Lesben” steht das Gendersternchen, um Offenheit auch für andere Leute zu zeigen. Warum sollte eine Lesben-Konferenz nicht bloß für Lesben offen sein?

Silvia: Das Hauptziel der Konferenz ist es, Lesbenfeindlichkeit zu bekämpfen. Die Diskussion darüber betrifft aber nicht nur Leute, die sich als Lesben identifizieren, sondern alle, die an Gleichberechtigung interessiert sind. Manchmal braucht man schon auch safe spaces, um bestimmte Themen wie Geschlechtsprivilegien oder race anzugehen. Aber nach unserer Erfahrung haben Lesben seit jeher überwiegend politisch inklusiv gearbeitet, sei es in den feministischen und queeren Bewegungen, sei es, um Geflüchteten zu helfen oder in den Kampagnen rund um AIDS. 

Maria: Lesben waren an allen Menschenrechtskampagnen, die in den letzten 50 Jahren zum gesellschaftlichen Wandel in Europa beigetragen haben, beteiligt, und sie werden sich auch in Zukunft daran beteiligen.

Wie viele Lesben haben sich schon zur Konferenz angemeldet und aus welchen Ländern?

Maria: Uns hat das Interesse wirklich überrascht! Jetzt, einen knappen Monat vor der Konferenz, sind 350 Lesben aus 43 Ländern und 123 verschiedenen Städten angemeldet.

Silvia: Leider sind weitere Anmeldungen nicht mehr möglich, die Kapazitäten sind nämlich völlig ausgelastet.

Wie lässt sich vermeiden, dass diejenigen, die sich die Teilnahme nicht leisten können, die kein Englisch sprechen oder die Behinderungen haben, ausgeschlossen werden?

Maria: Wir haben uns gleich am Anfang der Planung dazu entschlossen, so viel Geld wie irgend möglich einzuwerben. Wir wollten eine Konferenz organisieren, die eine hohe Qualität hat, an der die Teilnahme aber trotzdem erschwinglich ist. Die Teilnahmegebühren sind also sehr niedrig. Mit der Hilfe der verschiedenen Spender*innen, darunter Astraea, Mama Cash, ILGA Europe, der Guerrilla Foundation oder der Grünen Partei Österreichs unterstützen wir die Anreise und Unterbringung von mehr als 80 Lesben aus verschiedenen Ländern. Es wird auch eine selbstorganisierte Übersetzung ins Russische geben. Der Ort ist barrierefrei und wir sind dabei, Gebärdendolmetscher*innen zu suchen.

Was müsste geschehen, damit die Ergebnisse der Konferenz nachhaltig wirken?

Silvia: Wir wollen die European Lesbian* Conference zu einer regulären Veranstaltung machen, die in verschiedenen europäischen Städten durchgeführt wird. Tatsächlich sind wir schon dabei, die nächste Konferenz im Oktober 2019 anzuschieben. Außerdem wollen wir erreichen, dass der 8. Oktober zum Internationalen Lesben-Tag wird.

Maria: Während der Konferenz werden wir auch unseren ersten “EL*C Kurzreport über Lesben* in (Teilen von) Europa” herausgeben. In diesem Kurzreport werden wir Forschungsergebnisse über die Lage von Lesben in Europa zusammenführen. Damit wollen wir diese Studien leicht zugänglich für alle machen, die sich für das lesbische Leben in Europa interessieren – unabhängig von ihren Bildungshintergründen. Weil die Forschung zu Lesben* in Europa sehr heterogen ist, werden wir jährlich ein Thema lesbischen Lebens herausheben. Zunächst wird es um Diskriminierung und Gesundheit gehen.

Silvia: Ich möchte hervorheben, dass alles ehrenamtlich organisiert wird. Auch in Zukunft wäre es wichtig, dass Leute ihre Zeit und Energie in die Konferenz stecken – und wenn sie können, auch Geld (Spenden unter https://europeanlesbianconference.org/donations/).

Die Fragen stellte Anja Kühne.

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