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Kena (Samantha Mugatsia) und Ziki (Sheila Munyiva) sind ein heimliches Paar.

© Salzgeber

Lesbischer Liebesfilm "Rafiki": Rosa ist eine warme Farbe

In Cannes gefeiert, in Kenia verboten: Nun kommt der knallbunte lesbische Liebesfilm „Rafiki“ von Wanuri Kahiu in die deutschen Kinos.

Das erste Date endet mit einem Schwur. Auf einem Dach hoch über ihrer Nachbarschaft am Rande Nairobis versprechen sich Ziki (Sheila Munyiva) und Kena (Samantha Mugatsia), niemals so zu werden wie die Leute dort unten. Stattdessen wollen die beiden jungen Frauen „etwas Echtes“ sein. Lächelnd haken sie ihre kleinen Finger ineinander und schauen sich verliebt in die Augen.

Echt bedeutet anders. Die beiden wollen nicht als typische kenianische Hausfrauen enden, die den ganzen Tag kochen und putzen. Echt bedeutet aber auch Gefahr, denn Beziehungen zwischen Menschen gleichen Geschlechts sind in Kenia geächtet, Homosexualität steht unter Strafe, die Kirche verdammt sie. Eine der ersten Szenen von Wanuri Kahius Spielfilm „Rafiki“ zeigt eine homofeindliche Tirade gegen einen jungen Mann, der an einem Imbissstand vorbeigeht.

Hier, bei der klatschsüchtigen Betreiberin und deren Tochter, hängt auch Kena gern mit ihrem besten Freund Blacksta (Neville Misati) ab. Sie erhebt nur zaghaft Einspruch gegen den Hassausbruch, ist sie sich der Tabus ihrer Gesellschaft doch sehr bewusst. Mit ihrem Skateboard und ihrem jungenhaften Auftreten bewegt sie ohnehin auf einem schmalen Grat.

Die Väter der jungen Frauen sind Konkurrenten

Dass sie und Ziki ständig zusammen unterwegs ist, wird kritisch beäugt, denn ihre Väter sind Konkurrenten im gerade heißlaufenden lokalen Wahlkampf. Kenas Vater, der einen Kiosk betreibt, verfügt dabei über deutlich bescheidenere Mittel als der Zikis, der sich als erfolgreicher Geschäftsmann einen großen Lautsprecherwagen leisten kann.

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Wanuri Kahiu, die zusammen mit Jenna Bass auch das auf einer Kurzgeschichte basierende Drehbuch schrieb, bedient sich nicht nur des Romeo-und-Julia-Motivs, sie erzählt ihre Geschichte überhaupt ganz klassisch als die schüchterne Annäherung von zwei Teenagern, die ihre erste große Liebe erleben.

Die gute Chemie zwischen ihren Hauptdarstellerinnen – beide sind Debütantinnen – macht einen großen Teil des Charme von „Rafiki“ (deutsch: Freund/-in) aus. Überdies sieht der Film, in den auch musikclipartige Montagen eingewoben sind, fantastisch aus: Wanuri Kahiu setzt auf ein knallbuntes Farbkonzept mit Rosa und Lila als dominierenden Tönen. Was nebenbei eine Aneignung von Farben ist, die sonst stereotyp weiblich und heterosexuell konnotiert sind – ein reclaiming of pink sozusagen.

Neonleuchtend tanzen die Verliebten in den Morgen

Als schwelgerischen visuellen Höhepunkt inszeniert sie die Nacht, als sich Kena und Ziki zum ersten Mal küssen. Fein zurechtgemacht besuchen sie eine Party, die im Schwarzlicht stattfindet. Mit fluoreszierender Schminke im Gesicht tanzen sie neonleuchtend bis in den Morgen.

Diese vor Glück und Schönheit strahlende Sequenz passt gut zu dem von Kahiu geprägten Begriff des „Afro-Bubblegum“, der an die Tradition des Afrofuturismus anknüpft. Statt immer nur von Armut und Hilfsbedürftigkeit zu erzählen, möchte sie „Afrika auf hoffnungsvolle, vergnügliche Art darstellen“, wie sie letztes Jahr auf dem Festival von Cannes erklärte, wo „Rafiki“ als erster kenianischer Film überhaupt Premiere hatte und gefeiert wurde.

Ganz anders sah es in Kenia aus, wo die Filmklassifizierungsbehörde ein Verbot verhängte. Deren Chef, Ezekial Mutua, sagte: „Wir können keinen Film erlauben, der den Anschein erweckt, dass Homosexualität in Kenia akzeptabel ist.“ Auf gleichgeschlechtlichen Sex – der im Film übrigens nicht zu sehen ist – stehen bis zu 14 Jahre Gefängnis. Weil „Rafiki“ laut Mutua versucht, „Homosexualität zu legitimieren und normalisieren“, wurde er verboten. Genauso erging es 2015 dem schwarz-weißen Episodenfilm „Stories of our Lives“, der basierend auf Interviews mit kenianischen Schwulen und Lesben fünf queere Alltagsgeschichten erzählt.

Das Verbot des Films wurde für eine Woche aufgehoben

Wanuri Kahiu wehrte sich juristisch gegen das Urteil der Klassifizierungsbehörde und errang zumindest einen kleinen Erfolg: Im September durfte ihr Film eine Woche lang in den Kinos laufen – und konnte deshalb als Kenias Oscarkandidat eingereicht werden. Zwar hat es nicht für eine Nominierung gereicht, doch die „Rafiki“-Vorstellungen waren die ganze Woche ausverkauft.

Auch über digitale Kanäle wird der Film Zuschauerinnen und Zuschauer in Kenia sowie in ganz Afrika finden, was vor allem für die marginalisierten queeren Communitys von Bedeutung ist. Oft kriminalisiert und gesellschaftlich isoliert, sind sie im kulturellen Leben unterrepräsentiert – zumal wenn es um positive Darstellungen queeren Lebens geht. „Rafiki“ setzt vor allem für junge lesbische Frauen ein ermutigendes Zeichen, wobei darin natürlich nicht nur alles rosarot leuchtet, sondern die Homofeindlichkeit von Zikis und Kenas Umfeld sich allmählich immer stärker manifestiert.

In der Kirche, wo die Nachbarschaft zusammenkommt, predigt der Pfarrer gegen Schwule und Lesben. Dass die Importreligion Christentum die als unafrikanisch geltenden „Sünder“ bekämpft, ist reichlich absurd. Doch nach solchen Widersprüchen fragt selbst Kenas Mutter nicht. Sie sieht ihre Tochter von Dämonen besessen und verstärkt die Gewalt, die den Mädchen in der zweiten Filmhälfte angetan wird, noch. Dass „Rafiki“ dennoch einen optimistischen Schluss hat, ist wichtig. Und im Sinne von Afro-Bubblegum.

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