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Heiraten ist eine Sache. Doch auch Menschen, die füreinander einstehen, aber keine Hochzeit wollen, sollten vom Staat unterstützt werden.

© Julian Stratenschulte/dpa

Nach der Ehe für alle: Jetzt muss der "Pakt fürs Zusammenleben" kommen

Nicht alle wollen heiraten. Dennoch sollte der Staat anerkennen, wenn Menschen füreinander Verantwortung übernehmen: Die Zeit ist reif für einen "Pakt für das Zusammenleben", sagen die Grünen Sven Lehmann und Franziska Brantner im Gastbeitrag.

Die Ehe für alle ist in Kraft – endlich!

Was kommt jetzt? Nicht alle Menschen wollen heiraten, nicht jede Partnerschaft ist darauf angelegt, dass die Partner eines Tages vor dem Standesbeamten stehen. Der Staat sollte trotzdem anerkennen, wenn Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Die Zeit ist reif für den „Pakt für das Zusammenleben“. So vielfältig die Menschen sind, so vielfältig sind inzwischen auch die Formen des Zusammenlebens, auch unter Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans- und Interpersonen.

Rechtlich sind all diese Partnerschaften ohne Trauschein für den Staat derzeit Freundschaften. Das bedeutet: Egal, wie lange Menschen zusammenleben, wie eng ihre Beziehung ist oder wie sehr sie füreinander einstehen, werden sie nie als Paar behandelt, das gegenseitig Verantwortung füreinander übernimmt.

Menschen sollen selbst entscheiden, in welchen Zusammenhängen sie leben

Aber Auskünfte im Krankenhaus? Eine gegenseitige Vertretung bei Banken oder Versicherungen? Gibt es nicht. Oder nur, wenn Partner zum Notar gehen und komplexe Vollmachten erteilen. Bezeichnend ist, wo der Staat plötzlich ganz unkompliziert Partnerschaften anerkennt: nämlich, wenn der Staat etwas davon hat. Geht es etwa darum, ob jemand Hartz IV bekommt, wird ermittelt, ob er nicht in einer Beziehung lebt, in der jemand anderes als der Staat für ihn aufkommen kann. Partnerschaften bringen also Pflichten mit sich – von Rechten kann bislang aber keine Rede sein. Es ist im Interesse der Gesellschaft, wenn Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Deshalb sollte der Staat dies auch rechtlich einfacher ermöglichen, also Rechte an die Seite von Pflichten stellen.

Menschen sollen selber entscheiden können, in welchen familiären Zusammenhängen sie miteinander leben. Das ist bei vielen nicht immer die Biofamilie, sondern es sind Wahlverwandtschaften, Wahlfamilien oder familiäre Netzwerke. Dieser Vielfalt wollen wir Grünen auch das Recht anpassen und fordern deshalb, auch in Deutschland einen Pakt für das Zusammenleben (PaZ) einzuführen. In Frankreich gibt es schon seit 18 Jahren den „Pacte civile de solidarité“. Die Partnerschaft verpflichtet dort zur gegenseitigen Hilfe – aber man hat auch Rechte, etwa in steuerlicher Hinsicht und bei Erbfällen. Auch andere Länder – etwa die Niederlande – kennen solche Formen der rechtlich abgesicherten Partnerschaften.

Vorstellbar sind Pakte in allen möglichen Kombinationen

In Deutschland sollte der PaZ dazu dienen, das Zusammenleben von Menschen alltagstauglich abzusichern – unbürokratisch und unabhängig von der Ehe. Es geht darum, ob Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, ob sie sich lieben ist dafür gar nicht wichtig. Vorstellbar sind solche Pakte in allen möglichen Konstellationen, auch unter Nachbarn und Nachbarinnen oder Verbindungen über Generationen hinweg.

Wer sich formlos für einen Pakt registriert, erhält für die Dauer des Paktes einige Rechte, kann etwa im Krankenhaus Auskünfte über den Gesundheitszustand des Partners einfordern oder kann in der Schule oder bei Behörden den Partner vertreten. Wer den Partner finanziell unterstützt oder für betreute Kinder die Kita-Beiträge zahlt, sollte das von der Steuer absetzen können. Außerdem müssten die Partner beim Elterngeld einem Ehepaar gleich gestellt werden.

Menschen werden von teuren Gängen zum Notar entlastet

Wo es Rechte gibt, gibt es auch Pflichten: Die Beistandspflicht aus dem Sozialrecht gibt es wie oben beschrieben ja sogar heute schon – ohne, dass damit irgendwelche Rechte verbunden wären.

Werden Partnerschaften durch das Instrument eines Paktes verkompliziert, bürokratisieren wir Beziehungen? Im Gegenteil, wir vereinfachen und entlasten Menschen von teuren Gängen zum Notar. Es gibt das Bedürfnis von Menschen sich und ihre Partnerschaft auch rechtlich abzusichern. Bislang ist das außerhalb der Ehe unsicher, kompliziert und nur mit rechtlichen Hürden möglich. Wir Grüne stehen mit dem Pakt für eine echte Alternative, er war deshalb auch Teil des Grünen Programms für die Bundestagswahl. Wir setzen uns dafür ein, dass er möglichst bald zur Realität wird.

Sven Lehmann ist Vorsitzender der Grünen in Nordrhein-Westfalen und frisch gewähltes Mitglied des Bundestags. Franziska Brantner ist Mitglied des Bundestags und war bis zur Bundestagswahl Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion.

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Sven Lehmann, Franziska Brantner

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