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Das Münchner Oktoberfest ist das größte Volksfest der Welt.

© Felix Hörhager/dpa

Queeres Oktoberfest: Feiern auf der Gaywiesn

Auf dem Oktoberfest in München und auch in Berlin gibt es spezielle Angebote für queere Menschen. Doch insgesamt ist die Stimmung nicht immer homofreundlich.

Halbzeit auf der Wiesn. Seit über einer Woche heißt es wieder „O´Zapft is!“ in den Münchener Festzelten, wo Millionen von Menschen eine Weißwurst nach der anderen vertilgen, literweise Bier trinken und zu den Klängen der Blaskapellen tanzen.

Doch die ausgelassene Stimmung hat ihre Schattenseiten: So meldeten Sanitäter bereits am ersten Tag nach nur zehn Minuten die erste „Bierleiche“: Eine 18-jährige Engländerin hatte infolge des übertriebenen Alkoholkonsums eine Alkoholvergiftung erlitten.

Nur wenig später musste außerdem eine Bedienung ins Krankenhaus abtransportiert werden, nachdem sie einen Maßkrug ins Gesicht bekommen hatte.

Doch nicht nur Sanitäter werden gebraucht, auch Polizeikräfte sind täglich im Einsatz. Der „Faz“ zufolge ist es in den ersten Wochen zu 1010 Polizeieinsätzen gekommen. Insgesamt seien 465 Delikte registriert worden, darunter vor allem Körperverletzungen. So auch im Fall der Münchner Gastronomen Valentin G. und Paul E., die auf der Wiesn homofeindlich beschimpft und verprügelt wurden.

Homophober Übergriff auf dem Münchner Oktoberfest

Wie „Bild“ berichtet, seien die beiden Männer Arm in Arm über das Gelände gelaufen und von einer zehnköpfigen Gruppe als „Schwuchteln“ beleidigt und geschlagen worden. Die Polizei schritt schließlich ein, trennte Opfer und Schläger. Die verletzten Männer, die übrigens heterosexuell sind, begaben sich daraufhin in ein Krankenhaus.

Zum homophoben Hintergrund des Angriffs bezog die Polizei bisher keine Stellung. Dabei ist Homophobie auf dem Oktoberfest kein Einzelfall. Auf ihrer Website veröffentlichte das „Oktoberfestportal“ mehrere „Tipps für schwule Wiesn-Gänger“. Darin schreibt das „Wiesn Team", dass auf dem Oktoberfest Zurückhaltung geboten sei, da nicht jeder Besucher tolerant sei und „sich über schwule Männerpaare freue“. Flirten sei zwar nicht verboten, aber nicht alle Wiesn-Gänger hätten „Verständnis für eine offene schwule oder lesbische Lebensweise“.

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Deshalb sollten die betreffenden Personen darauf achten, ob sie für Gesprächsstoff unter den Anwesenden sorgten. Das Bierzelt sei nicht der richtige Ort, um anderen Menschen Begriffe wie „Gleichberechtigung“ zu erklären, schreiben die Veranstalter. Die betreffenden Personen sollten sich stattdessen auf die „Rosa Wiesn“ begeben, die „Schwulen Tage auf dem Oktoberfest“.

Tausende queere Menschen beim "Gay Sunday"

In diesem Rahmen findet seit einigen Jahren beispielsweise der „Gay Sunday“ statt, der „schwulste Sonntag des Jahres“, wo tausende LGBTIQ* Menschen gemeinsam feiern.

Derartige Veranstaltungen gibt es mittlerweile nicht mehr nur in München und Umgebung, sondern auch in Berlin. Seit elf Jahren veranstaltet Bork Melms hier die „Gaywiesn“, wo während der Wiesn jeden Montag ein liberaler Ort geschaffen wird mit guter Stimmung, zünftigen Wiesn-Bands und sogar Drag-Queen-Auftritten. Melms war häufig bei der Münchner „Rosa Wiesn“ zu Gast und wollte in Berlin etwas ähnliches schaffen.

Die "Gaywiesn" in Berlin stehen allen queeren Wiesn-Besucher*innen jeden Montag ab 18 Uhr offen.
Die "Gaywiesn" in Berlin stehen allen queeren Wiesn-Besucher*innen jeden Montag ab 18 Uhr offen.

© Bork Melms/Gaywiesn

Damit sei er damals Vorreiter in der Szene gewesen, erzählt Melms. Vom ersten Tag bis heute kümmert er sich um jede einzelne Reservierung und platziert jeden Gast höchstpersönlich: „Wir sind zu einer großen Familie geworden, begleiten uns gemeinsam durchs Leben und freuen uns jedes Jahr auf die wenigen Wochen des gemeinsamen Feierns“.

Auch in Berlin gibt es eine "Gaywiesn"

Der plakative Name „Gaywiesn“ dürfe dabei nicht wörtlich genommen werden. Im Gegenteil: Das Event stehe nicht nur homosexuellen Männern offen, sondern allen queeren Wiesn-Besucher*innen, völlig unabhängig von Sexualität, Geschlecht oder Alter. Das Event sei eine „willkommene Alternative“ zu den traditionellen Oktoberfesten, so Melms.

Ihn würden die homophoben Gewaltausschreitungen auf den Wiesn schockieren: „Ich kann nicht nachvollziehen, warum es überhaupt solche Übergriffe gibt, denn besonders das Oktoberfest bietet den Rahmen des gemeinsamen Feierns. Aber leider steigt die Anzahl der homophoben Gewalttaten im Allgemeinen, was ich sehr bedenklich finde. Hier muss man immer weiter aufklären und die LGBTIQ-Community unterstützen, es ist noch ein weiter Weg.“

Wie schützt man Besucher vor Übergriffen?

Denkbar wären Ansprechstellen für Betroffene oder verstärkte Sicherheitsvorkehrungen durch die Polizei. Denn gerade wenn nicht alle Wiesn-Gänger „Verständnis für eine offen schwule oder lesbische Lebensweise“ haben, müssen die Betroffenen umso mehr vor homophoben Angriffen wie letzte Woche geschützt werden und wissen, an wen sie sich im Notfall wenden können. Die Lösung könne nicht sein, Rücksicht auf diejenigen zu nehmen, von denen die Gefahr ausgeht.

Die Gaywiesn können übrigens noch bis zum 21. Oktober gegenüber vom Ostbahnhof besucht werden. Tickets gibt es online - auch für Heterosexuelle.

Inga Hofmann

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