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Die kanadische Schauspielerin Ellen Page vor einem "Freeheld"-Poster in Berlin.

© dpa

Schauspielerin Ellen Page: "Hollywood gibt dir das Gefühl, ein Coming Out ist unmöglich"

Ellen Page spielt in "Freeheld" zum ersten Mal eine Lesbe. Ein Gespräch über das Krebs- und Menschenrechtsdrama, ihr Coming Out und die Zusammenarbeit mit Julianne Moore.

Mrs. Page, wie haben Sie von der in "Freeheld" erzählten Geschichte der todkranken Polizistin erfahren, die darum kämpft, dass ihrer Partnerin ihre Pensionsansprüche übertragen werden?

Cynthia Wades Kurz-Dokumentation „Freeheld“ über das Paar gewann 2008 den Oscar. Die Produzenten Michael Shamberg und Stacey Sher schickten sie mir kurz darauf zu und fragten, ob ich mir vorstellen könnte, bei einem Spielfilmprojekt mitzumachen. Weil die Geschichte von Laurel und Stacie mich tief berührt, aber auch frustriert hat, habe ich sofort zugesagt.

Die Automechanikerin Stacie Andree, die ihre Partnerin durch Krebs verloren hat, scheint eine sehr zurückhaltende Person zu sein. Musste sie erst überzeugt werden, nach der Doku auch noch eine fiktionalisierte Version der Geschichte zuzulassen?

Nein, das musste sie nicht. Stacie wusste, dass Laurel es so gewollt hätte. Die Idee kam schon während der Dreharbeiten an der Dokumentation auf, doch damals haben die beiden nur darüber gelacht. Allerdings hat Laurel auch gesagt, sie möchte, dass so viele Menschen wie möglich von ihrer Geschichte erfahren. Stacie ist eine sehr scheue, ruhige Person, die aber auch über große Kraft und Sensibilität verfügt. Ihr Impuls war: Das ist für Laurel.

Wie gefällt Stacie der Film?

Sie mag ihn, wobei „mögen“ in dem Zusammenhang ein etwas seltsamer Begriff ist. Denn es ist für sie natürlich eine sehr emotionale Angelegenheit. Sie war bei der Premiere in Toronto dabei und hatte uns auch schon am Set besucht. Während der Dreharbeiten haben Julianne Moore und ich Stacie immer auf dem Laufenden gehalten, ihr SMS und Fotos geschickt. Wir wollten, dass sie weiß: Wir denken bei der Arbeit zu allererst an sie und Laurel.

Es war das erste Mal, dass Sie eine Figur spielen, die eine reale, noch lebende Person zum Vorbild hat.

Ja, das erhöht die Verantwortung. Man will es richtig hinbekommen. Deshalb haben wir vorab Zeit mit Stacie verbracht haben, wir haben viel geredet, sind in den Laden gegangen, in dem Laurel sich morgens immer einen Kaffee geholt hat, und besuchten Stacies Arbeitsplatz.

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Der Film besteht aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen. Die erste Hälfte erzählt die schöne Liebesgeschichte von Laurel und Stacie, während der zweite Teil von Krankheit und Kampf gegen die Ungerechtigkeit der Behörden geprägt ist. Wie war es beim Dreh, zwischen diesen verschiedenen Stimmung hin- und herzuwechseln?

Es war schwierig, weil man die ganze Zeit in einer Sphäre der Traurigkeit agiert. Denn man weiß ja: Das sind Erfahrungen, die zwei Menschen wirklich gemacht haben. Die Homophobie, der die beiden ausgesetzt waren, ist real. Die im Film gezeigten Aussagen der Mitglieder des Komitees, das Laurels Pension nach ihrem Tod nicht auf Stacie übertragen will, beruhen ja größtenteils auf deren damaligen Statements. Dagegen war es schön, aber auch bittersüß für Julianne und mich, die Szenen in der Bar zu drehen, als Laurel und Stacie zum ersten Mal ausgehen.

Wie war die Zusammenarbeit mit Julianne Moore?

Oh, sie ist die Beste. Nicht nur eine der größten Schauspielerinnen aller Zeiten, sondern auch eine der liebenswürdigsten, lustigsten und hilfreichsten Leute, mit denen man zusammenarbeiten kann.

Sie hat mehr Erfahrung darin, Lesben zu spielen als Sie.

(lacht) Ja, das ist witzig. Sie ist ein Profi. Und eine Art Ehren-Lesbe.

Während der Arbeit an „Freeheld“ hatten Sie selber ihr öffentliches Coming Out. Sie gaben im Februar 2014 eine sehr emotionale Rede bei einer Menschenrechtskonferenz. Hat Ihre Mitarbeit an dem Film die Entscheidung zu diesem Schritt beeinflusst?

Es gab tatsächlich diese Parallele zu meinem Leben. Ich brannte zu diesem Zeitpunkt einfach darauf, diesen Schritt zu machen. Und Leute wie Laurel und Stacie, die in unglaublich schweren Zeiten etwas wirklich Mutiges tun, inspirieren dazu das Richtige zu tun. Also ein positives, sichtbares Mitglied der Community zu sein, aber auch für mich selbst. Denn ich war damals einfach kein glücklicher Mensch.

Ein großer Konfliktpunkt in „Freeheld“ ist, das Laurel ihr Lesbischsein versteckt. Sie verleugnet Stacie teilweise sogar in deren Gegenwart. Wie war es für Sie, als  jemand, der einst selbst versteckt gelebt hat, diese Szenen zu drehen? Haben sie selbst solche Erfahrungen gemacht?

Natürlich. Ich konnte gut nachvollziehen, wie toxisch das Ganze für einen selbst und eine Beziehung ist. Wie kann eine Liebe wachsen, wenn du die ganze Zeit in dieser Blase lebst? Wie soll das funktionieren, wenn du der Person, mit der zusammen bist, das Gefühl gibst, du schämst dich, mit ihr zusammen zu sein? Es hat mich wirklich berührt, diese Szenen zu drehen. Denn es gibt da auch dieses traurige Verständnis, das ich auch selber kenne. Dieses Gefühl: Ja, es tut weh, dass du mich so behandelst, aber ich verstehe es auch. Warum machen wir in unserer Liebe solche Kompromisse, um die Gesellschaft um uns herum zu beruhigen? Das ist unfair.

Wieso hatten Sie Ihr Coming Out nicht schon früher?

Gute Frage. Ich wünschte, ich hätte es früher gehabt, denn ich bin sehr viel glücklicher jetzt. Es hatte wie bei vielen aus der Community sicher mit Scham und Angst zu tun. Hollywood gibt dir definitiv das Gefühl, dass du dich nicht outen kannst.

Wie das?

Man bekommt vermittelt, dass die Karriere dann vorbei ist, dass niemand einen besetzen wird. Es ist die Angst vor Ablehnung, womit die meisten queeren Leute ja Erfahrungen gemacht haben. Ganz offensichtlich fühlen viele Leute so, denn es gibt ja nur wenige, die offen schwul oder lesbisch sind – genau wie im Sport. Irgendwann hatte ich einfach genug davon und wollte mein Leben leben.

"Ja, ich würde irgendwann gerne heiraten. Absolut."

Die kanadische Schauspielerin Ellen Page vor einem "Freeheld"-Poster in Berlin.
Die kanadische Schauspielerin Ellen Page vor einem "Freeheld"-Poster in Berlin.

© dpa

Derzeit ist es ja in Mode, zu sagen: „Ich möchte mich selbst nicht labeln“. Kristen Stewart zum Beispiel möchte nicht als lesbisch bezeichnet werden und sagt: Ich verstecke mich doch nicht, googelt mich. Wie sehen Sie diese Festlegungsvermeidungen? Ist das nicht eine frustrierende Position, die sich jeder Veranwortung entzieht?

Es ist etwas komplizierter. Jeder ist anders. Wir wissen nicht, wie die Leute leben und als was sie sich identifizieren. Oder ob sie es überhaupt selber wissen. Ich verstehe den Impuls zu sagen: Bitte, kommt raus, erhebt eure Stimme und benutzt eure Privilegien. Aber wir müssen auch verstehen, dass jeder und jede ihren eigenen Weg gehen muss. Es ist alles nicht so einfach. Ich weiß nur, wie es damals für mich war. Ich habe sehr versteckt und sehr ängstlich gelebt. Deshalb kann ich das verstehen. Selbst wenn anderen diese Ängste total irrational erscheinen. Heute frage ich mich auch: Warum habe ich mich gefürchtet, warum habe ich dies oder jenes gedacht? Aber ich habe damals einfach geglaubt, dass es vollkommen unmöglich ist, eine offen lesbische Schauspielerin zu sein.

Politischer Aktivismus spielt in „Freeheld“ eine wichtige Rolle: Ohne den Druck der Aktivisten wäre in der Sache kaum etwas geschehen. Sie selber sind mittlerweile ziemlich aktiv, untersuchen in ihrer Reportageserie „Gaycation“ die Lage queerer Leute rund um den Globus. Woher kommt dieser Impuls bei Ihnen?

Ich bin einfach dankbar, dass ich mich einbringen kann. Es fühlt sich ganz natürlich an. Ich stelle mich ja nicht hin und sage: Seht her, ich werfe mich in den Kampf. Ich bin lesbisch und mir sind Menschenrechte wichtig, vor allem die von Minderheiten und Frauen. Es wäre schön, wenn sich mehr Menschen dafür einsetzen würden, es würde die Gesellschaft voranbringen. Mein Coming Out hat es mir ermöglicht, diese Leidenschaft auch auf kreativer Ebene zu erforschen, seien es weitere Filme über LGBT-Themen oder „Gaycation“.

Es gab im letzten Jahre eine Reihe queerer Filme im Kino, „Carol“, „Danish Girl“, „Stonewall“ und jetzt eben auch „Freeheld“. Was die meisten eint, ist eine lange komplizierte Produktionsgeschichte. Warum ist es immer noch so schwer, Geld für queere Filme aufzutreiben?

Ich glaube, da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zunächst ist es momentan für alle Independentfilme schwierig. Und wenn die Hauptrollen von zwei Frauen gespielt werden, ist es besonders hart. Das war bei uns auf jeden Fall so. Derzeit arbeite ich an einem weiteren Projekt, bei dem ebenfalls zwei Frauen im Zentrum stehen. Ich denke aber, das wird kein Problem darstellen. Wir können uns dann nochmal drüber unterhalten, wenn der Film fertig ist.

Und möchten Sie mal wieder eine Lesbe spielen?

Natürlich! Es kommen ein paar Filme raus, in denen ich es tue.

Letztes Jahr wurde in den USA die Homo-Ehe landesweit legalisiert, in ihrer Heimat Kanada schon vor zehn Jahren. Ist das auch was für Sie?

Ja, ich würde irgendwann gerne heiraten. Absolut.

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