zum Hauptinhalt
Demonstration für mehr Rechte für Transgender auf dem Trans* March in Berlin.

© Tilmann Warnecke/Tsp

Transition: Ein sicheres Gesundheitssystem für trans* Menschen schaffen

Wer eine Transition anstrebt, muss viele Widerstände überwinden. Eine Buch erklärt, wie Psychotherapeut*innen helfen können und das System verbessert wird.

„So etwas wie eine Transition macht kein Mensch aus Spaß. Niemand würde da durchgehen, nur aus einer Laune heraus. Wer sich in eine Transition begibt, hat oftmals bereits einen jahrelangen Leidensweg hinter sich.“

Mit diesen Sätzen beginnt der Erfahrungsbericht der trans* Frau Ilka Christin Weiß. Zusammen mit Berichten anderer Betroffener ist er jetzt in einem Buch erschienen, das besonders Psychotherapeut*innen bei der Arbeit mit trans* Menschen unterstützen will: „Geschlechtliche Identität in der Psychotherapie. Psychotherapeutische Arbeit mit trans*geschlechtlichen Personen“, lautet der Titel.

Ziel des Buches ist es, „das Gesundheitssystem zu einem sicheren Ort für trans* Personen zu machen“, wie es in der Einleitung heißt.

Dass das deutsche Gesundheitssystem weit davon entfernt ist, für diese ein sicherer Ort zu sein, gehört zu den schmerzlichen Einsichten, die die drei Autor*innen, Mari Günther, Kirsten Teren und Gisela Wolf, alle selbst Psychotherapeut*innen, vermitteln. Wer die Kostenübernahme für die Transition durch die Krankenkassen anstrebt, muss sich vor dem Gesundheitswesen entblößen und wird bisweilen zu langen bürokratischen Kämpfen gezwungen.

Demütigung bei der Begutachtung

Manchmal demütigen die Gutachtenden trans* Menschen noch zusätzlich: „Die Gutachterin des Medizinischen Dienstes spricht die trans* Frau mehrfach als trans* Mann an. Auf die entsprechende Korrektur durch die Klientin reagiert die Gutachterin irritiert“, berichten die Autor*innen. Die Klientin fürchtet nun, dass sie die Gutachterin verärgert hat und diese die Kostenübernahme nicht befürworten wird.

[Mehr Neuigkeiten aus der queeren Welt gibt es im monatlichen Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.]

Angst, die Kosten für die Transition könnten nicht übernommen werden, bestimmt dem Buch zufolge auch häufig das Verhalten von trans* Menschen in der Psychotherapie. Selbst die, denen es schlecht geht, wagen es deshalb nicht, in der Therapie offen über ihre Situation, über ihr Gesundheitsverhalten, ihre Sexualität, ihre Beziehungen oder ihre sexuelle Orientierung zu sprechen.

Schließlich wollen die Krankenkassen mit der vorgeschriebenen anderthalbjährigen Therapie ja den Zweck feststellen, ob man als „stabil“ genug gilt, um die notwendigen medizinischen Leistungen zu erhalten.

Zum Thema Transition können Sie weitere Texte lesen:

Nicht nur kann diese Vorschrift Betroffene in seelischer Not um die dringend nötige Hilfe bringen. Sie kann auch zu Scham führen, die eigene Erzählung für das cis-normative System passend machen zu müssen. „Diese gesellschaftliche Zurichtung von Psychotherapie diskreditiert ihre Rolle in der gesundheitlichen Versorgung von trans* Personen“, stellen die Autor*innen fest.

Verbesserungen bei der Gesundheitsversorgung nötig

Trotzdem können Psychotherapeut*innen trans* Leuten natürlich helfen. Das Kompendium schlägt dazu sachkundig Schneisen durch sämtliche Bereiche rund ums Thema. In klarer Sprache werden etwa die Begriffe rund um trans* geklärt, wird eine Bestandsaufnahme der Versorgungsangebote gegeben, werden die Folgen der verbreiteten Diskriminierung illustriert oder Rechtsfragen behandelt.

Auch die Situation von trans* Geflüchteten wird beleuchtet. Außerdem geben die Autor*innen immer wieder Hinweise, wie sich die Gesundheitsversorgung verbessern ließe.

So ist das Buch nicht nur für Psychotherapeut*innen oder Gesundheitspolitiker*innen nützlich. Auch trans* Menschen oder ihren Freund*innen, die sich gründlich über das Thema informieren wollen, kann es als Fundgrube dienen.

Mögen die Zustände im deutschen Gesundheitswesen bei der Versorgung von trans* Menschen auch beschämend sein: Diese haben Ressourcen, auf die sie sogar in großer Not zurückgreifen können. So wie die eingangs zitierte Ilka Christin Weiß. Um die Bürokratiemühlen zu überwinden und die Krankenkasse endlich zur Kostenübernahme der angleichenden OP und der Gesichtsepilation zu bewegen, drohte sie in der Geschäftsstelle der Kasse, sich dort mit den mitgebrachten Handschellen solange anzuketten, bis der gewünschte Bescheid ausgestellt wird.

Weiß setzte sich schließlich durch - und fühlte sich, wie sie in dem Buch berichtet, „als die glücklichste Frau auf der Welt“.
Mari Günther, Kirsten Teren, Gisela Wolf: Psychotherapeutische Arbeit mit trans* Personen. Handbuch für die Gesundheitsversorgung. Ernst Reinhardt Verlag. 355 Seiten; 39,90 €. ISBN 978-3-497-02881-8.

Luise Schmidt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false