zum Hauptinhalt
Der "Hafen", schwule Traditionsbar im Regenbogenkiez.

© promo

Verdrängung in Berlin: Aus für Traditionsbar "Hafen" im Schöneberger Regenbogenkiez

Einer weiteren Berliner Kneipe droht das Aus, weil der Eigentümer den Mietvertrag nicht verlängern will. Diesmal trifft es die schwule Traditionsbar "Hafen".

Nach fast drei Jahrzehnten soll mit dem "Hafen" eine der traditionsreichsten schwulen Kneipen im Schöneberger Regenbogenkiez schließen. Schon am 3. Januar müssten die Betreiber die Schlüssel übergeben, gab die Kneipe unter Überschrift "Gentrifizierung im Nollendorfkiez" jetzt auf Facebook bekannt. Über eineinhalb Jahre habe man sich vergebens um einen neuen Mietvertrag bemüht. "Was in diesen Monaten passiert ist, empört uns, macht uns wütend und unfassbar traurig", heißt es in dem Facebook-Eintrag.

Eine deutliche Mieterhöhung habe man im Februar sogar schon akzeptiert, sagt Wirt Ulrich Simontowitz auf Nachfrage. Der Mietvertrag sei eigentlich unterschriftsreif gewesen, mit dem Vermieter - dessen Eltern und Großeltern Simontowitz bereits kannte - habe er eine gutes Gespräch geführt. Doch auf einmal habe der Eigentümer den Kontakt abgebrochen und sich trotz mehrfacher Nachfragen seitens des Hafens nicht mehr gemeldet. "Vor einer Woche kam dann überraschend die Kündigung."

Fehlende Solidarität im Kiez

Simontowitz sagt, dass es ausgerechnet jemand aus der queeren Nachbarschaft sei, der ihm den Mietvertrag streitig mache: "Das erschüttert mich besonders. Da fehlt mir völlig die Solidarität im Kiez." Der Eigentümer ließ eine Anfrage am Freitag unbeantwortet.

Der Hafen wurde im November 1990 in der Motzstraße 19 eröffnet. Er ist einer der festen Größen im Viertel, das bereits in den zwanziger Jahre als queerer Kiez zur Legende wurde. Zusammen mit dem "Tom's" oder dem "Chez Romy Haag" hatte der Hafen dem Viertel dann wieder neues Leben eingehaucht, nachdem dort zuvor das Rotlicht dominierte.

Dass der Hafen eine offene Tür und offene Fenster hatte, man für den Einlass nicht klingeln musste, sei damals "eine kleine Revolution im Kiez" gewesen, sagt Simontowitz. "Als die Mauer fiel, haben wir uns gesagt: Das soll offen sein, wir wollen mutig Gesicht zeigen." Dass die Gäste auf einmal nicht mehr hinter verdunkelten Fenstern saßen, sondern die Straße für sich zurückeroberten, habe die Atmosphäre im Viertel völlig verändert.

Der Hafen war Mitinitiator des Lesbischschwulen Stadtfestes

Der Hafen gehörte auch zu den Initiatoren des Lesbisch-Schwulen Stadtfestes um den Nollendorfplatz, das 1992 gegründet wurde und inzwischen Hunderttausende Besucherinnen und Besucher anzieht.

Sang- und klanglos will der Hafen allerdings nicht gehen. Am 3. Januar - wenn die Schlüssel übergeben werden sollen - laden die Betreiber nach 10.026 Hafennächten zu einer letzten großen Feier, einem "Paukenschlag", wie sie auf Facebook schreiben. „Wir wollen wachrütteln und darauf aufmerksam machen, dass immer mehr Schutzräume für die Community schließen, oder von der Schließung bedroht sind, aber wir brauchen diese Räume“, sagt Simontowitz.

Die queerpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der rot-rot-grünen Koalition forderten den Vermieter auf, seine Entscheidung zu überdenken. "Nach Clubsterben und der immer stärkeren Verdrängung von Mieterinnen und Mietern aus der Innenstadt trifft es jetzt auch den Regenbogenkiez. Dadurch wird Berlin ärmer", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Anja Kofbinger und Sebastian Walter (beide Grüne), Carsten Schatz (linke) und Melanie Kühnemann-Grunow (SPD). Kneipen, die auch als Treffpunkte und Orte der Kommunikation dienen, gehörten ebenso in den Kiez wie sexpositive Clubs.. 

+++ Der Queerspiegel-Newsletter des Tagesspiegel - hier geht es zur Anmeldung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false