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Mühsames Geschäft. Der Gemüsehändler in Hurghada leidet wie viele seiner Kollegen: hohe Preise, wenig Kundschaft.

© picture alliance / Arco Images G

Ägypten: „Tourismus wird so bleiben“

In Zeiten der Revolution hat Ägyptens Fremdenverkehr 30 bis 40 Prozent verloren. Dennoch ist die Gewerkschaft der Fremdenführer am Roten Meer optimistisch.

„Früher bin ich mit Touristen an einen Gemüsestand gegangen und habe für 45 Piaster ein Kilo Tomaten gekauft“, erzählt Mazen Okasha. Die Gäste des Fremdenführers waren stets begeistert darüber, wie billig und schmackhaft die Tomaten waren. „Heute gehe ich mit ihnen an den Gemüsestand und bezahle zehn Pfund. Dann sind die Leute schockiert, wie teuer das Gemüse hier geworden ist.“ Der 41-jährige Ägypter ist wie so viele seiner Generation hochqualifiziert – und heute Fremdenführer. Doch der Germanist ist noch ein wenig mehr. Er führt die Gewerkschaft der Fremdenführer am Roten Meer und hat außerdem die Sozialdemokratische Partei Ägyptens mit gegründet. Und weil er darüber hinaus auch noch als Buchhändler zahlreiche Titel aus Europa einführt, hätte er eigentlich allen Grund, die Islamisten zu fürchten.

Doch Mazen Okasha geht mit der Situation in seinem Land und in seinem Gewerbe erstaunlich gelassen um. Um durchschnittlich 40 Prozent ist der Fremdenverkehr seit Beginn der Revolution in Ägypten am 25. Januar 2011 zurückgegangen. Das Weihnachtsgeschäft hingegen war relativ gut, die Hotels im Schnitt zu 85 Prozent belegt. Der Manager einer großen deutschen Hotelkette spricht für seine Häuser sogar von Vollbelegung. Das bestätigt auch der Gewerkschaftschef.

Dass das Jahr nach der Revolution insgesamt schlecht lief, kann er indes auch nicht leugnen. Doch wie viele seine Landsleute war er in dieser Zeit mehr mit der Revolution als mit dem Tourismus beschäftigt. Für Mazen Okasha bedeutete das zum Beispiel, seine durchaus wissbegierigen Landsleute politisch zu bilden. Dazu gehörte auch, mit Salafisten und Moslembrüdern ins Gespräch zu kommen. Ironischerweise haben gerade diejenigen die islamistischen Parteien gewählt, die dadurch am meisten verlieren könnten: Angestellte in der Tourismusindustrie und deren Familien.

Okasha erklärt das damit, dass die ersten freien Wahlen in Ägypten durch und durch religiöse Wahlen gewesen seien. Auch die Kopten hätten ziemlich geschlossen für die Partei des koptischen Unternehmers Naguib Sawiris gestimmt.

Doch wie geht nun der oberste Fremdenführer am Roten Meer mit jenen um, die angeblich die Strände nach Geschlechtern trennen und den Alkohol im Lande komplett verbieten wollen? Er geht auf sie zu, fordert sie zum Dialog heraus, lädt sie zu Veranstaltungen ein und diskutiert mit ihnen öffentlich. Einen Präsidentschaftskandidaten hat er gefragt, ob er denn genau wisse, auf welchen Stuhl er sich da setzten wolle? Ob ihm klar sei, dass darauf schon Ramses der Große, Saladin, Mohammed Ali und Gamal Abdel Nasser gesessen haben? So etwas kommt an bei den Ägyptern, die nach Mubaraks Sturz das historische Pathos noch mehr lieben als zuvor.

Die Moslembrüder werden am Tourismus nicht rütteln

Die Moslembrüder werden an dem bestehenden Tourismus nicht rütteln, da ist sich der 41-Jährige sicher. Sie haben zu viel zu verlieren. Tatsächlich steht der Fremdenverkehr mit rund zwölf Prozent „nur“ an vierter Stelle des Bruttoinlandsprodukts. Da aber die meisten der zweieinhalb Millionen Beschäftigten in der Tourismusindustrie den größten Teil ihres Lohns an die Familien in Oberägypten oder im Delta schicken, dürfte jeder vierte Ägypter direkt oder indirekt am Tropf des Fremdenverkehrs hängen. Das sind aber genau die Wähler, die sich nun von den Moslembrüdern Verbesserungen im Alltag erwarten. Wenn die jedoch nicht eintreten, dann werden sich auch die Moslembrüder auf Dauer nicht halten können, heißt es.

Mazen Okasha ist Germanist, Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei Ägyptens, Fremdenführer und Führer deren Gewerkschaft.
Mazen Okasha ist Germanist, Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei Ägyptens, Fremdenführer und Führer deren Gewerkschaft.

© Peter S. Kaspar

Sorgen plagen Mazen Okasha in ganz anderer Weise. Früher waren es meist die Deutschen, die nach Anschlägen wie in Luxor oder Scharm el Scheich dem Land monatelang fernblieben. Dann bildeten Russen die größte Gruppe unter den Urlaubern. Und die kommen derzeit gar nicht mehr. Die russische Regierung mache in jüngster Zeit Berichten zufolge massiv Propaganda gegen Urlaubsreisen ans Rote Meer. Dass sie dabei weniger die Sicherheit ihrer Landsleute als vielmehr eine „Ansteckungsgefahr“ durch die Revolution im Sinn habe, sagt Okasha nicht. Verständlich, denn er ist Organisator einer ägyptisch-russischen Kulturwoche, die in erster Linie der Stärkung des Fremdenverkehrs dienen soll. Immerhin sagt er, wann der Strom der russischen Urlauber verebbt sei: als sich die ersten freien Wahlen abzeichneten.

Dass überhaupt zu wenige Touristen im Land sind, erfährt der Urlauber im Taxi. Der Fahrer versichert lautstark, dass er den Gast vor allem Unbill beschützen wolle. Als der sich anschnallen möchte, wiegelt der Fahrer wortreich ab. Wenn die Polizei komme, werde er mit denen schon fertig. Am Ende der Fahrt will er fünf Pfund mehr als vereinbart mit der etwas merkwürdigen Begründung: „Weil so wenige Touristen in der Stadt sind.“

Mazen Okasha glaubt daran, dass es jetzt nach den Wahlen auch am Roten Meer wieder besser wird. Den Tourismus, das weiß er, brauchen hier alle.

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