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Reise: Alltag nur draußen

Der Winter will nicht enden. Aber man kann ihm entfliehen – und einfach untertauchen. Ein Wellnesstag in der Therme Belzig

Belzig an einem Februarvormittag auf der „Straße der Einheit“: Wenige Menschen eilen mit eingezogenen Schultern vorüber, die winterblassen Gesichter halb versteckt hinter Mützen und Schals. Schneeregen fällt, dazu pfeift ein kalter Wind. Wahrlich kein Ausflugswetter. Eine halbe Stunde später ist das vergessen. Der Körper schwebt rücklings im warmen Wasser – und kann nicht untergehen. Auf die hochprozentige Sole ist Verlass. Über der gewölbten Decke im abgedunkelten Oval wandern Sterne und Kreise. Am Beckenrand flackern ein paar Kerzen, irgendwo thront eine tönerne Buddhafigur. Sanft umspült das Wasser die Ohren. Die sphärischen Klänge sind auch untergetaucht zu hören. „Maximal eine halbe Stunde“ solle man hier dümpeln, empfiehlt ein Schild an der Tür zum Licht-Klang- Raum. Ein anderes mahnt „absolute Ruhe“ an. Die meisten Anwesenden halten sich daran.

Wer es aktiver mag, versucht im „normalen“ Bereich der Steintherme ein paar Schwimmzüge, auch wenn das Becken ein bisschen zu flach dafür ist. Mutige wagen sich an die frische Luft, draußen ist das Wasser schließlich genauso warm. Das alles wäre schon Entspannung genug, doch die Selbstverordnung heißt: „Wellness pur“. So heißt das gebuchte Tagesarrangement, und dazu gehört eine sogenannte Rebalancing-Massage.

Joachim Kitzmann, Leiter der Wellnessabteilung, legt selbst Hand an. Eine Stunde klassische Massage, kombiniert mit Akupressur und fernöstlichem Shiatsu. Der Masseur zupft auch an den Fingern, bewegt sacht die Beine oder dreht sanft den Kopf. Das sind zusätzliche Bestandteile aus der Feldenkrais- Lehre, deren Bewegungsmethoden Kitzmann studiert hat. Damit, so sagt der Experte, solle „der Körper wieder ins Gleichgewicht kommen“. Höchste Zeit, denn bei seiner Behandlung hat er festgestellt: „Bei Ihnen ist die linke Seite deutlich stärker verspannt als die rechte.“ Nach der Massage stellt sich wohlige Müdigkeit ein. Offenbar ist wieder einiges ins Lot gekommen. „Ayurveda wäre auch gut für Sie“, empfiehlt Kitzmann. Sogenannte Abhyangas bieten die Therapeuten in der Therme an. Mit diesen indischen Finessen, Stirnölguss inklusive, bringe man „das Nervensystem komplett runter“, sagt Kitzmann.

Bloß nicht. Da sind doch noch allerlei verlockende Saunen, die ausprobiert werden wollen. „Viele unserer Gäste müssen wir ein bisschen bremsen“, sagt Kitzmann seufzend. Sie wollten einfach zu viel aus einem Tagesbesuch rausholen. Eine Menge Wellness am Stück führe aber nicht zum gewünschten Ergebnis. Was man für Entspannung brauche, sei zunächst einmal viel Zeit und Muße. Ein Saunagang muss und darf aber noch sein.

Der „Genießercocktail“ aus Fruchtsäften, mit einer frischen Ananasscheibe garniert – der Drink gehört auch zum Arrangement –, gibt frische Kraft. Für den Hunger könnte man aus allerlei gesunden Speisen zum Beispiel ein Fischmasala (8,10 Euro) wählen, aus gedünstetem Filet mit leichter, exotisch gewürzter Sauce nebst Kokosreis. Salate kosten rund sieben Euro und man kann sie – gute Idee – auch als kleine Portion bestellen. Saunieren mit vollem Magen ist schließlich nicht sinnvoll.

Einige der heißen finnischen und russischen Saunen, in denen schon mal kräftig aufgegossen wird, sind in Blockhütten im Garten untergebracht. Das Angenehme: Nach dem Saunagang kann man sich sofort an frischer Luft abkühlen. Eine Treppe tiefer befinden sich Tepidarium, Hamam und eine großzügige Dampfsauna, in deren Mitte ein beruhigender Brunnen plätschert. Zwanzig neblige Minuten – eine Wohltat für die Haut. Dann: Handtuch auf die Liege und ruhen. Mehr Wellness geht heute nicht.

Rund 135 000 Menschen besuchten die Steintherme Belzig im vergangenen Jahr. In den Anfangsjahren, der Badetempel wurde 2002 eröffnet, waren es durchschnittlich 40 000 mehr. Aber bald wurden erste Bauschäden sichtbar, es musste renoviert werden, der Licht-Klang-Raum war einige Zeit geschlossen. „Natürlich peilen wir die einstigen Gästezahlen wieder an“, sagt Marketingchefin Heike Köpping. Und ist trotzdem zufrieden, „weil wir hier guten Umsatz machen“. Die Besucher, durchschnittlich bleiben sie drei Stunden, baden hier schließlich nicht nur, sie konsumieren auch. Rund 17 Euro pro Gast fließen so in die Kasse.

Der „Wellness-pur-Tag“ hat mit 63 Euro – ohne Essen – natürlich mehr gekostet. Und was hat er gebracht? Zum Beispiel die Freude über die lustige Fanfare, die sie im Regionalexpress jeder Stationsansage vorausschicken. Ohne sie hätte man den Ausstieg am Bahnhof Zoologischer Garten glatt verschlafen. Von den Haarwurzeln bis zu den Zehen entspannt, waren die Augen einfach so zugefallen. Was hätten sie auch erspähen können in griesgrauer Dämmerung? „Heute ist es gar nicht hell geworden, ein scheußlicher Tag“, klagt ein Fahrgast.

Das kann man so oder so sehen.

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