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Benennung: Wie ein Luchs Geschichte schrieb

Von A wie Aralsee über E wie Extremadura bis hin zu Z wie Zypern: Eine kleine Chronik erzählt, wie Orte zu ihren Namen kamen.

Ganz gleich, ob Sie schon immer wissen wollten, warum Xanten eigentlich so heißt oder ob Sie Ihre Kinder bei den Hausaufgaben beeindrucken möchten: Unser geografisches ABC liefert Ihnen ein paar Anregungen. Mit diesem Wissen können Sie auch prima auf der nächsten Stehparty beim Smalltalk glänzen.

ARALSEE Soweit bekannt, hat der Mineralölkonzern das Gewässer nicht zu Werbezwecken gekauft. Das wäre auch unklug. Seit 1960 ist der einst viertgrößte See der Welt um 90 Prozent geschrumpft. Schuld ist der Baumwollanbau in Kasachstan und Usbekistan. Seine Zuflüsse wurden für die Bewässerung der Felder angezapft. Es war zu befürchten, dass der Aralsee in absehbarer Zeit nicht mehr existieren würde. Inzwischen wurde ein 88 Millionen Dollar teurer Damm im kasachischen Teil gebaut, so dass das Wasser aus dem Fluss Syr-Darja in den See gelenkt werden kann. Das könnte den See retten. Sein Name leitet sich aus dem Turkmenischen ab und bedeutet „Inselmeer“ – wegen der vielen flachen Inseln, die sich aus dem Wasser erheben.

BIKINI-ATOLL Amüsant der Gedanke, die Inselgruppe im Westpazifik habe ihren Namen Badenixen zu verdanken. Dabei ist es so: Als der französische Modeschöpfer Louis Réard 1946 den Zweiteiler für die Neuzeit wiedererfand – schon auf antiken Mosaiken sind Bikinis zu sehen –, war das Bikini-Atoll durch die dortigen Atomtests der Amerikaner in aller Munde. Réard gefiel die Idee, seinen Entwurf medienwirksam nach den Inseln zu benennen. Die zur Republik Marshallinseln gehörenden 23 Eilande sind seit 1996 wieder für den Tourismus zugänglich. „Bikini“ bedeutet in der Sprache der Insulaner übrigens „Land der vielen Kokosnüsse“.

CHICAGO Erzählen Sie Kollegen doch, Sie hätten am „Ort der stinkenden Knollen" zu tun, wenn Sie beruflich nach Chicago müssen. So nannten indianische Ureinwohner einst das sumpfige Marschland am Ufer des Michigansees. Der Name ist abgeleitet von „Checagou“ und meint die früher dort wild wachsenden Zwiebeln.

DIAMANTINA 1727 verbreitete sich die Nachricht, dass in den Bergen der Serra do Espinhaço im Südosten Brasiliens Diamanten gefunden wurden. Glücksritter und Händler gründeten einen Ort und nannten ihn schlicht Diamantina. Bis 1810 wurden etwa drei Millionen Karat geschürft. Die Entdeckung reicherer Vorkommen in Südafrika führte dann zum Rückgang der Förderung um Diamantina. Heute erinnern die prachtvollen Barockbauten der Stadt an ihre Blütezeit.

EXTREMADURA Favorisiert wird die Erklärung „die äußerst Harte“, was auf die unfruchtbaren Böden und sommerliche Trockenheit anspielt. Die Extremadura ist die am dünnsten besiedelte und ärmste Provinz Spaniens. Vielleicht ein Grund, warum viele Eroberer aus dieser Gegend stammten und in die Welt zogen wie Hernán Cortés oder Francisco Pizarro.

FRISCHE NEHRUNG Die Bezeichnung spielt natürlich nicht an auf den Erhaltungszustand dieser etwa 70 Kilometer langen Landzunge, die jeweils zur Hälfte zu Polen und Russland gehört. Vielmehr stammt der Name von den früheren friesischen Siedlern. So hieß der Landstrich zunächst „Friesische Nehrung“. Daraus wurde im Laufe der Zeit „Fries’sche Nehrung“ und später „Frische Nehrung“.

GIANT’S CAUSEWAY Fünf Kilometer führt der „Damm des Riesen“ an den Klippen im nordirischen County Antrim entlang. Ungefähr 40 000 Basaltsäulen bilden dieses Naturwunder. Die meistens sind sechseckig, einige haben jedoch vier, fünf, sieben oder acht Kanten. Vor 60 Millionen Jahren hatte sich bei einem vulkanischen Prozess Lava langsam abgekühlt und war zu Basalt erstarrt. Die größten Säulen sind zwölf Meter hoch und an manchen Stellen 25 Meter dick. Der Legende nach soll der Damm vom Riesen Finn MacCool erschaffen worden sein, um trockenen Fußes nach Schottland marschieren zu können.

HONGKONG Seit der kaiserlichen Tang-Dynastie (618 bis 907) galt die Region um die Mündung des Perlflusses in das Südchinesische Meer als bedeutendes Handelszentrum. Das Gebiet mit einer Halbinsel und 262 vorgelagerten Inseln war zudem ideal für die Gründung einer Hafenstadt. Da nicht nur frischer Fisch und geruchsneutrale Perlen, sondern auch Weihrauch und Gewürze zu den wichtigsten Gütern zählten, war der Name schnell gefunden: duftender Hafen.

IBIZA Auch im Falle der Baleareninsel rührt der Name von olfaktorischen Eindrücken her. Das phönizische „i busim“ bedeutete „Insel des Wohlgeruchs“. So schwärmten die ersten Siedler aus Karthago von den würzigen Düften, die das Buschwerk des Eilandes verströmte.

JUIST Friesisch-nüchtern fällt die Erklärung aus: Von „Geest“ soll der heutige Name der ostfriesischen Insel stammen. Das bedeutet im Plattdeutschen ein höher gelegenes, sandiges Land. Eine andere Deutung ist die Ableitung von „güst“, was so viel wie trocken und unfruchtbar heißt. Eine schöne Ferieninsel ist Juist trotzdem.

KÄLTEPOL Die russische Forschungsstation Wostok in der Ostantarktis ist der Punkt der Erde, an dem die tiefste jemals gemessene Temperatur registriert wurde. 1250 Kilometer vom geografischen Südpol entfernt fiel dort am 21. Juli 1983 das Thermometer auf minus 89,2 Grad Celsius.

LOFOTEN Aus der Luft betrachtet sollen die etwa 80 norwegischen Inseln nördlich des Polarkreises an die Spur eines Luchses erinnern – daher der Begriff „lo“ für Luchs, und „foten“, der Fuß, weil im Norwegischen hier die Einzahl verwendet wird.

MOUNT EVEREST Der höchste Berg der Erde verdankt seinen Namen Sir George Everest, der bis 1844 als oberster britischer Landvermesser in Indien wirkte und den Subkontinent auf einer Strecke von 2500 Kilometern von der Südspitze bis zum Fuß des Himalaja erkundete. Everest selbst hat den 8848-Meter-Gipfel allerdings nie gesehen. Erst sein Nachfolger entdeckte den Berg und benannte ihn nach seinem Vorgänger.

NGORONGORO Es ist nicht eindeutig geklärt, warum der größte Einsturzkrater der Erde so heißt. Hübsch ist jedenfalls diese Deutung: Die einheimischen Massai-Krieger verschreckten einst ihre Feinde mit Kampfglocken, die wie „koh-rohngroh“ klangen. Heute lebt das Volk mit seinen Herden offiziell außerhalb des gewaltigen Kessels, der 17 bis 21 Kilometer im Durchmesser misst und zum Schutzgebiet ernannt wurde. Wegen der imposanten Kulisse mit den bis zu 600 Meter hohen Kraterwänden und dem Tierreichtum gilt der Ngorongoro als eines der wichtigsten Touristenziele Tansanias.

OSTERINSEL Der Niederländer Jakob Roggewegen war wohl der erste Europäer, der mit seiner Handelsflotte am Ostersonntag 1722 auf dem Eiland im Pazifik landete. Er nannte die Vulkaninsel nach dem Tag der Entdeckung und war fasziniert von den fast 900 rätselhaften Steingiganten, die überall aufgestellt waren. Bis heute sind ihr Alter und ihre Bedeutung umstritten. Politisch gehört die Osterinsel zum etwa 3600 Kilometer entfernten Chile, geografisch und kulturell zu Polynesien.

PUNTA ARENAS Die südlichste Großstadt der Welt wurde 1848 als chilenische Strafkolonie an einem „sandigen Zipfel“ gegründet, so weit die Bedeutung des Namens. Später entwickelte sich der Ort zum wichtigen Handelshafen, vor allem für Steinkohle und Schafwolle. Heute starten Exkursionen und Kreuzfahrten in die fjordartigen Regionen Patagoniens, nach Feuerland und zum Nationalpark Torres del Paine.

QUEBEC Die Hauptstadt der gleichnamigen ostkanadischen Provinz liegt auf einem Felsplateau an der Stelle des St.-Lorenz-Stromes, „wo der Fluss sich verengt“ – schlicht „kebec“ in der Sprache der Algonikan-Indianer genannt.

RUWENZORI-GEBIRGE An ungefähr 320 Tagen im Jahr regnet es, die Luftfeuchtigkeit liegt oft bei 100 Prozent, die Gipfel sind meistens von Wolken umhüllt. Kein Wunder, dass in der Sprache des hier lebenden Bakonjo-Volkes das Bergmassiv „Regenmacher“ und auch „Wolkenkönig“ heißt. Über 120 Kilometer Länge und 50 Kilometer Breite erstreckt sich die Gebirgskette des Ruwenzori entlang der Grenze zwischen Uganda und der Demokratischen Republik Kongo, der höchste Gipfel ragt 5109 Meter auf.

SKELETTKÜSTE An diesem Küstenstreifen Namibias zwischen Swakopmund und der Grenze zu Angola stolpert man nicht über Gebeine. Aber Schiffswracks, Walknochen und in früheren Zeiten auch die Überbleibsel gestrandeter Seefahrer verliehen dem Strich seinen berüchtigten Namen. Häufiger Nebel, eine heftige Brandung und die unberechenbare Strömung wirkten verhängnisvoll. Die Skelettküste ist der dünenreiche Ausläufer der Namib-Wüste.

TITICACA-SEE Nehmen Sie doch mal einen Atlas zur Hand und suchen Sie den See. Betrachten Sie ihn von schräg links. Woran erinnert die Silhouette? Die richtige Antwort wäre: „an eine Katze“. Macht nichts, wenn Sie das nicht so sehen. Denn der Name leitet sich nicht von dieser Spielerei ab, sondern aus der indianischen Aymara-Sprache. Da heißt „titi“ Puma und „kaka“ grau. Es kann aber auch „karka“ gemeint sein, was Felsen bedeutet. Somit kam man zu dem Schluss, dass die Umrisse der den See umgebenden Berge die Ureinwohner an einen grauen Puma erinnerten. Gesichert ist, dass der Titicaca-See in 3810 Metern Höhe liegt und etwa 15 Mal so groß ist wie der Bodensee. Der westliche Teil gehört zu Peru, der östliche zu Bolivien.

ULURU Besser bekannt ist dieser Berg Australiens als Ayers Rock, nach Sir Henry Ayers, dem Premierminister des Bundesstaates South Australia (1855 bis 1897). Uluru wird der Sandsteinfels von den Aborigines genannt. Diese Bezeichnung wird unterschiedlich gedeutet: mal als „schattiger Platz“, mal als „Sitz des Ahnen“. Fest steht, dass der Berg kein Monolith ist, wie oft behauptet wird. Vielmehr gehört der Uluru zu einer größtenteils unterirdischen Felsformation, die bis zu 6000 Meter in die Tiefe reichen soll.

VENEZUELA Kaum zu glauben, aber als der italienische Seefahrer Amerigo Vespucci 1499 die nordwestliche Küste des südamerikanischen Landes entlangsegelte, sollen ihn die von Kanälen durchzogene Landschaft und die Pfahlbauten der Indianer an Venedig erinnert haben. Er nannte die Region also „Veneciola“, was „Klein-Venedig“ bedeutet.

WITJASTIEF 1 1957 entdeckten sowjetische Wissenschaftler an Bord des Forschungsschiffes „Witjas“ – zu Deutsch „Ritter“ – den tiefsten Punkt der Weltmeere im Marianengraben. Diese Rinne im Meeresboden erstreckt sich etwa 2000 Kilometer nordöstlich der Philippinen im Westpazifik. Das Echolot maß eine Tiefe von 11 034 Meter. Die Rekordstelle wurde nach dem Schiff benannt, das 1939 als Bananenfrachter in Deutschland vom Stapel lief und heute als Museumsschiff im Hafen von Königsberg liegt.

XANTEN Die einzige mit X beginnende Stadt Deutschlands liegt am Niederrhein. Ihr Ursprung reicht zurück auf „ad sanctos“ – „zu den Heiligen“. Der Legende nach starben der römische Legionär Viktor und einige Gefährten im 4. Jahrhundert als christliche Märtyrer, zu deren Gedenkstätte Gläubige pilgerten. Um die später gebaute Grabeskirche entstand dann der Ort. Im frühen Mittelalter wurde der Name mal Santen, mal Zanten geschrieben. Seit 1228 heißt es Xanten.

YELLOWSTONE RIVER Dieser Fluss entspringt im Nordwesten des US-Bundesstaates und mündet nach 1080 Kilometern in den Missouri. Auf der Strecke sind ein Nationalpark, ein See und ein Canyon nach ihm benannt. Die Erklärung seines Namens ist einfach: Die indianischen Hidatsa-Ureinwohner nannten ihn „Fluss der gelben Steine“, wegen der Buntsandsteine in seinem Bett.

ZYPERN In der Antike wurde von der Insel Kupfer in den gesamten Mittelmeerraum exportiert. Die Griechen nannten das Metall „Kyprion“ und die Insel „Kypros“.

Buchtipp: Stephan Hormes und Silke Peust: Atlas der wahren Namen. Carlsen Verlag, 19,90 Euro. Ein Weltatlas, in dem die geografischen Namen übersetzt sind, das heißt ihre Bedeutungen sind anstelle der bekannten Namen in die Karten eingetragen.

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