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Auf dem Propellerkarussell im Wismarer Museum können die Besucher mit offensichtlichem Spaß die Funktionsweise eines Propellerflugzeugs nachvollziehen.

© Paul Janositz

Besuch im Museum: Wie James Watt Dampf machte

Im Phantechnikum in Wismar können Besucher staunen, lernen und experimentieren. Manche werden hier selbst zu Erfindern.

Bloß nicht zittern. Um einen Metallstab an allerlei Schlitzen und Löchern vorbeizuführen, braucht es eine ruhige Hand. Im Phantechnikum ist es ein Schweißbrenner, dessen Spitze durch eine enge, gewundene Bahn dirigiert werden muss, ohne den Rand zu berühren. Andernfalls ertönt ein Signal, und der Computer addiert Fehlerpunkte. Das Mitmachexperiment ist typisch für das Technikmuseum in Wismar, das jetzt in einer umgebauten ehemaligen Kaserne neu eröffnet wurde. In den Themenbereichen Feuer, Luft und Wasser können Besucher immer wieder selbst herausfinden, was es mit technischen und physikalischen Phänomenen auf sich hat.

Von einer Mischung aus „Technikschau und Science Center“ spricht denn auch der technische Leiter Norman Poschwatta. In der lichten Luftfahrthalle hängen historische Modelle von Gleitern und Seglern, viele ausgetüftelt von ostdeutschen Pionieren. So sind die Ideen von Otto Lilienthal dokumentiert, der als erster Mensch funktionsfähige Flugapparate baute. Damit absolvierte der 1848 in Anklam, Vorpommern, geborene Ingenieur und Unternehmer mehr als 2000 Gleitflüge, vom Fliegeberg in Berlin-Lichterfelde und vom Gollenberg bei Stölln. Dort gelang ihm 1893 ein 220 Meter langer Flug – und dort stürzte er 1896 aus 15 Metern Höhe zu Tode.

Wer nach dem Betrachten von Fotos, Schautafeln und Turbinenmodellen körperlich aktiv sein will, ist beim Propellerkarussell richtig. Das Gestell mit den beiden Sitzen, vor die jeweils ein großer roter Propeller angeschraubt ist, zieht große und kleine Besucher magisch an. Es gilt, kraftvoll in die Pedale zu treten, um die Propeller anzutreiben. Hier sind meist die Väter die Helden, denn sie sind stark genug, um sich samt Nachwuchs in die Luft zu erheben. Ganz nebenbei kann man das Prinzip des Rückstoßes kapieren sowie in weiteren Experimenten lernen, wie Flugobjekte umströmt werden müssen, um genug Auftrieb zu bekommen.

Sogar einen Heißluftballon können Besucher fliegen lassen. Ein Seil verhindert, dass er gegen den roten Fokker-Dreidecker DR I stößt, ein Nachbau des wohl bekanntesten Jagdflugzeugs des Ersten Weltkriegs. Der „Rote Baron“ Manfred von Richthofen flog damit seine kühnen Einsätze, bis er 1918 abgeschossen wurde. Die Steuerung der auf dem Flügel befestigten Maschinengewehre war so ausgeklügelt, dass sie zwischen dem rotierenden Propeller hindurchschießen konnten, ohne diesen zu beschädigen.

So wird in Wismar auch das dunkle Kapitel aufgeschlagen, inwieweit sich Wissenschaft und Technik in den Dienst von Zerstörung und Verbrechen begaben. Beispielhaft etwa der schwäbische Flugzeugbauer Ernst Heinkel, der an der TH Stuttgart studiert hatte und 1922 in Warnemünde ein eigenes Werk gründete. Dort wurde 1932 das Verkehrsflugzeug „Heinkel-Blitz“ He 70 entwickelt, das bis zu 377 Kilometer pro Stunde schnell flog – damals eine Sensation. 1933 in die NSDAP eingetreten, wurde Heinkel von Hitler hoch geehrt. Aufsehen erregten 1939 die Jungfernflüge der weltweit ersten raketen- oder düsengetriebenen Flugzeuge. Später wurden in den Heinkel-Werken zahlreiche Militärmaschinen gebaut, zumeist von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen. Viele kamen dabei um.

Mitmachen statt dicke Bücher wälzen

„Wer jemand sein will und nicht nur im Schlaf jemand sein möchte, kann sich seine Partner nicht aussuchen“, so rechtfertigte Heinkel 1948 seine Kooperation mit den Nazis. Der Spruch ist im Phantechnikum zitiert, ebenso wie Immanuel Kants Bekenntnis zum „gestirnten Himmel über mir und dem moralischen Gesetz in mir“. Bei der elektronischen Abstimmung votieren zwei Drittel der Besucher dafür, dass Wissenschaftler und Ingenieure für die Folgen ihrer Arbeit verantwortlich sind.

Wer die eigene Kreativität testen will, kann dies in der Erfinderfabrik tun – einer Computerstation mit Ideenpool. Aus den Puzzleteilen technischer Konstruktionen können die Besucher selbst Erfindungen basteln. Als Belohnung winkt der Erfinderpass. Besonders pfiffige „Daniel Düsentriebs“ werden als „Erfinder der Stunde“ auf den Monitoren der Ausstellung präsentiert.

Um zu verstehen, wie die 1769 von James Watt erfundene Dampfmaschine funktioniert, muss man in Wismar keine dicken Bücher wälzen oder stundenlang googeln. An dem von Phantechnikums-Mitarbeiter Andrej Quade aufgebauten Modell lässt sich die Dampfkraft sinnlich erfahren. Eine Besucherin im Rentenalter probiert es aus. Sie dreht am Ventil. Jetzt beginnt etwas zu strömen. Doch warum bewegt sich nichts? „Werfen Sie das Schwungrad an“, sagt Quade ermunternd. Die Dame dreht ein wenig an dem großen Rad. Das reicht, um die Maschine zum Laufen zu bringen. Der Zylinder hebt und senkt sich, das Gestänge ruckt hin und her. Die Besucherin strahlt. „Das ist unser Konzept“, erklärt Quade, „mitmachen, Technik sinnlich erfahren.“

Museumspädagogin Melike Ömerogullari zeigt im Laboratorium Experimente zum Thema Feuer, die Groß und Klein begeistern. So tunkt sie eine Fünf-Euro-Note in eine Mischung aus Wasser und Alkohol, um sie dann in eine Kerzenflamme zu halten. Scheinbar brennt der Geldschein lichterloh. Doch als sie ihn wieder in die wässrige Lösung tunkt, ist der Schein unversehrt. Gebrannt habe nur der Alkohol, sagt Ömerogullari, die Banknote dagegen nicht, denn sie sei aus Baumwolle, und die Brenntemperatur habe nicht ausgereicht, sie anzuzünden.

Natürlich hat das Museum einer Hansestadt an der Ostsee auf seinen 2500 Quadratmetern auch viel zum Thema Wasser zu bieten. Der Dieselmotor der Gorch Fock und Dampfmaschinen für Schiffe sowie Wasserräder und -turbinen werden präsentiert. Ventilatoren blasen kleine Segelboote auf Knopfdruck vor sich her. Die Segel sind unterschiedlich gesetzt. Wer schafft es gegen den Wind zu segeln? Wer dann noch nicht genug hat, kann eine zwei Meter hohe Seifenblase um sich herum wachsen lassen und über die Kraft der Oberflächenspannung des Wassers staunen.

Paul Janositz

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