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Eine flotte Biene – was sonst? – begrüßt die Besucher im Möthlower Museum, wo sich alles um den natürlichen Süßstoff und seine Gewinnung dreht.

© Britta Pedersen

Binnenmuseum von Möthlow: Von der Wabe auf die Stulle

Im Bienenmuseum von Möthlow im Havelland erfahren Besucher alles über Honig – und mehr.

In der Veranda hängt noch die Urkunde vom 6. Juni 1961, die ihn als Gärtnermeister ausweist, ausgestellt vom Ministerium für Land- und Forstwirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik, verliehen Henri Kraatz, geboren 1935 in Möthlow, aufgewachsen in Möthlow und bis heute geblieben in Möthlow. Über der Tür zu seiner Wohnstube dann im kleinen Holzrahmen jener Spruch, der Albert Einstein zugeschrieben wird: „Wenn die Bienen plötzlich verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben; keine Bienen mehr, keine Pflanzen, keine Tiere, keine Menschen mehr.“ Die Warnung vor der Apokalypse ist auch die mahnende Botschaft, die Kraatz mit seinem Bienenmuseum im havelländischen Luch aussenden will, dort, wo der engere Metropolenraum Berlins in viel plattem Land ausläuft.

Was vor mehr als 35 Jahren mit einem leidlich erhaltenen Bienenkorb begann, hat sich unterdessen zu einer ganz eigenwilligen Mischung aus Sammlung, Wunderkammer und Heimatmuseum ausgewachsen. Nicht weniger als 950 Exponate mit Bezug zur Imkerei beherbergt heute die ehemalige LPG-Futterlagerhalle am Dorfrand: Honigschleudern, die älteste von 1865, zwei angetrieben von Trabbi-Wischermotoren, unzählige Bienenwohnungen, Modelle und Bilder zur Geschichte der Imkerei, Fachbücher, Schautafeln, die das kurze Leben der Sommerbienen illustrieren, Kleinwerkzeuge und Rauchpfeifen, Schaustücke, die die Honigbiene als Rohstofflieferanten für Körperpflege, Gaumenfreuden und mehr zeigen: „Alles voll bis unter die Decke.“

Die Liebe zur Biene hat der bodenständige Hobby-Imker von seinem Vater mitbekommen, der ihm 1973 nicht weniger als 28 Bienenvölker hinterließ. War der noch Standimker ohne Wanderfahrzeuge gewesen, so hat Henri dann Wanderwagen angeschafft – „Zugmaschine ran und die Bienen umgesetzt“ –, Umkreis 20 bis 25 Kilometer. Der Ertrag stieg, 15 bis 20 Kilogramm Jahresernte, Standimker brachten es pro Bienenvolk nur auf 12 bis 15 Kilogramm.

Einige der in der DDR gebräuchlichen Wanderwagen, die die Bienenvölker zu den Erntegründen transportierten, Ein- und Zweiachser, zeigt das Bienenmuseum. Zu sehen auch ein Modell vom Dittersbacher Wanderwagen mit integriertem Schleuderraum, Kaufpreis 2000 Ost- Mark. Eine lohnende Investition. Denn, so erzählt Kraatz, Honig erzielte damals nicht nur gute Preise auf staatlich festgesetzter Höhe; der Imker profitierte auch davon, dass der Transport zu Obstanbaugebieten und Ackerflächen nicht zu seinen Lasten ging und er eine „Bestäubungsprämie“ erhielt, bis zu 20 Ost-Mark pro Volk.

Von all dem, von der Honigproduktion, vom Vertrieb, von der Qualitätskontrolle oder vom Preissystem, wie es noch vor 40/50 Jahren im Osten Deutschlands üblich war, kann erfahren, wer seinen Besuch im Bienenmuseum in Möthlow mit einer persönlichen Führung durch den Museumsleiter verbindet. Der erläutert auch gerne in aller Ausführlichkeit, warum beispielsweise die Robinie, die auf dem Freigelände seines Museums steht, den optimalen Nektarwert 4 erreicht, der Holunder hingegen, weil die Biene nicht an den Nektar herankommt, nur eine kümmerliche 0.

„Der Gegend fehlen die Menschen – dem Museum die Besucher“

Museumsleiter Henri Kraatz – Kennerblick durch einen Rahmen mit Waben
Museumsleiter Henri Kraatz – Kennerblick durch einen Rahmen mit Waben

© picture-alliance

Kraatz ist wahrlich ein wandelndes Lexikon. Er schildert allen, die es hören möchten, nicht minder ausführlich, wie es im Sozialverband Bienenvolk zugeht, wie die Rollenverteilung zwischen Königinnen, Arbeitsbienen und Drohnen funktioniert – oder wie der Honig aus der Wabe auf die Stulle kommt.

Honigbienen sind, nach Schwein und Rind, das drittwichtigste Nutztier. Die volkswirtschaftliche Lebensleistung, die die Tiere bienenfleißig erbringen, ist unermesslich, 80 Prozent aller Blütenpflanzen werden von Honigbienen bestäubt. Leicht vorstellbar, meint Kraatz, wenn diese Leistung unterbleibt, wenn der Einsatz von Pestiziden, wenn Milbenbefall, Viren oder Bakterien, wenn landwirtschaftliche Monokulturen oder die Zuchtindustrie die natürlichen Lebensräume und -grundlagen der Honigbienen bedrohen.

In einem Gläschen bewahrt er ein paar Exemplare der nur wenig mehr als einen Millimeter großen Varroamilbe auf, die – mit oft tödlichem Ausgang – nicht nur auf erwachsene Honigbienen geht, sondern auch auf Bienen in der Zelle, die ausgeschlüpft dann kleiner sind und deren Lebenserwartung deutlich reduziert ist. 1983 hat Kraatz den Parasiten, der Ende der 60er Jahre erstmals in Europa nachgewiesen wurde, unter seinen Bienenvölkern entdeckt.

Und doch kommt sich Kraatz ein wenig vor wie der Prophet im eigenen Lande. 1997 zählte er noch 42 Schulklassen, seit zwei Jahren kam aus der Umgebung keine einzige mehr zu Besuch und Besichtigung: „Es fehlen der Gegend die Menschen, so fehlen auch dem Museum die Besucher.“ Und das, obgleich sich der Weg nach Möthlow vortrefflich verbinden ließe mit einem Abstecher bei Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland. Aus Südamerika, aus Kanada und Korea, aus Australien kamen in den vergangenen Jahren – sicherlich auch aus diesem Grunde – nicht wenige Schaulustige, wie die Gästebücher beweisen. Aus Möthlow jedoch hat jedoch seit langem niemand mehr den Weg gefunden.

Dabei würde Kraatz, wenn er interessierten Besuchern hinter Glas den Blick auf ein Bienenvolk bei der Arbeit gewährt, gewiss auch noch mal die Imkerbluse mit Hut und Schleier anziehen und den Smoker mit Pappelholz, Rainfarn oder Tabak anwerfen. Und er würde beschreiben, wie der „Nobelpreis gegen das Bienensterben“ zu erringen wäre.

Unter Umständen würde er auch noch eine Führung durch die 2. Abteilung seines Museums anbieten, die „mehr als 1850 Exponate ländlicher Entwicklung“ bewahrt, darunter Haushaltsgeräte, Werkzeuge und Landmaschinen, einen „IFA-Traktor Pionier“ oder den Mähdrescher aus Minsk, Baujahr 1952, „von unserem großen Bruder“.

Bienenmuseum, Altbuschower Straße 2, 14715 Märkisch Luch – Ortsteil Möthlow (Landkreis Havelland); Telefon: 03 38 76 / 405 64, geöffnet mittwochs 13 bis 18, sonnabends 9 bis 13 Uhr und/oder nach vorheriger Anmeldung, Eintritt Erwachsene 3, Kinder /Jugendliche (6 bis 16 Jahre) 1,50 Euro; Anfahrt mit Regionalbahn bis Nauen, dann Bus 680 bis Möthlow

Stefan Woll

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