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Wie ein Gemälde. Vom Rundweg im Park bietet sich immer wieder der Blick aufs Schloss. Besucher kommen meist nur an Wochenenden zu dem abgeschiedenen Ort.

© Berkholz

Brandenburg: So reizend ist der Birkenhain

Wasserschloss im Park, historischer Gasthof, barocker Lindenplatz: In Fürstlich Drehna glänzt restaurierte Pracht.

Aufgeregt läuft ein Mann, soeben vom Rad gestiegen, hin und her. „Sieht ja super aus“, ruft er, fuchtelt mit seinem Fotoapparat herum, lichtet das blendend weiße Wasserschloss aus verschiedenen Positionen ab. Von rechts, von links, stehend und hockend. „So etwas gibt es doch sonst nur in Frankreich“, schwärmt der Mann aus Düsseldorf, noch ein wenig außer Atem. Auch die Fahrt hierher, auf dem Fürst-Pückler-Radweg sei „traumhaft“ gewesen. Wälder, Wiesen, Rehe, Hasen – und kaum ein Mensch unterwegs.

Stille Flecken gibt es in Brandenburg zur Genüge. Fürstlich Drehna aber, der 300-Seelen-Ort in der Niederlausitz, ist ein Ort zum Verlieben. Kaum jemand hätte sich zu DDR-Zeiten wohl träumen lassen, dass man die Zeit Jahrhunderte zurückdrehen könnte. Heute würde man sich nicht wundern, kämen Adlige wieder in ihren Kutschen vorgefahren. Grau und unansehnlich war das Schloss vor fünfzehn Jahren noch – nun strahlt es in blendendem Weiß.

Über einer mittelalterlichen Wasserburg errichtet, wurde es um 1570 im Auftrag seines Besitzers Caspar von Minkwitz „von Grund auff neuerbauet“. 1807 erhob Kaiser Franz I. den damaligen Besitzer Graf Moritz Ludwig Ernst zu Lynar in den Fürstenstand, und fortan wurde Drehna das Wort „Fürstlich“ vorangestellt. Bald wurde Gartenbaumeister Peter Joseph Lenné zur Umgestaltung des Parks beauftragt. Er brillierte – wie häufig. 1909 heißt es lobend in einem Bericht der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft: „Reizend tritt ein Birkenhain, mit Fichten unterpflanzt, in Erscheinung. Prächtig kommen Hängefichten und stolze blaue Picea pungens (Stechfichten) zur Geltung, während sonst starke Kontraste, wie gelbblättrige Gehölze, mit gutem Geschmack sehr vorsichtig verwendet sind.“

Ein Gesamtkunstwerk, in dem die Familie Wallenberg-Pachaly, die letzten Besitzer, bis 1945 lebte. Drei Jahre später sollte das Schloss abgerissen werden, um alle Spuren der feudalen Vergangenheit zu tilgen. Dazu kam es nicht, weil die damalige brandenburgische Regierung ein Arbeiter-Erholungsheim in den ehrwürdigen Gemäuern unterbrachte. Danach zog die Berufsschule der Forstverwaltung ein, und von 1972 bis 1986 diente das Schloss als Jugendwerkhof.

Sogenannte schwer erziehbare Jungen wohnten hier, die, so sagt es der Vorsitzende des Heimatvereins, Ardo Brückner, aus „lockeren Familien“ stammten. So wie im Werkhof im sächsischen Torgau, der einem Zuchthaus glich, sei es nicht gewesen, sagt Frank-Wilhelm Binde, lange Zeit Bürgermeister im Ort. Von sadistischen Strafen, wie sie aus Torgau berichtet wurden, sei in Drehna nichts bekannt. Die Jugendlichen hätten sonntags nachmittags sogar zur Disco gedurft.

Die jungen Leute halfen mit, den mittlerweile arg verwilderten Park wieder begehbar zu machen. Nach dem Krieg hatte sich niemand mehr um ihn gekümmert, 1951 rasten sogar Motorräder bei einer Rennveranstaltung zwischen den verbliebenen Buchen, Eichen und Eschen herum. Menschen wie Ardo Brückner erkannten, dass dieser Park ein Juwel ist – und wollten ihn retten. Mit elf anderen Bürgern des Ortes gründete der gebürtige Drehnaer 1983 ein sogenanntes Parkaktiv. Sie schnitten Sichtachsen frei, ebneten die Wege, pflanzten Bäume und setzten Sträucher ein.

Die Restaurierungsarbeiten am Schloss verschlangen Millionen

Der Heimatforscher Ardo Brückner pflanzte Bäume und schnitt Sichtachsen frei.
Der Heimatforscher Ardo Brückner pflanzte Bäume und schnitt Sichtachsen frei.

© Hella Kaiser

Drehna, dem die DDR-Oberen das „Fürstlich“ aberkannt hatten, lag aber auch mitten in der Tagebauregion von Schlabendorf Süd. Zwar war der Ort selbst nicht bedroht, aber vom Park wurde schon mal ein Stück abgeknapst. Von ursprünglich 70 Hektar blieben nur gut 50 übrig. Dabei ging auch ein Teich verloren. Das „Parkaktiv“ gestaltete ein neues, beeindruckend großes Flachgewässer und platzierte sogar ein Inselchen hinein. Bald fügte sich alles so prächtig in die von Lenné gestaltete Landschaft, als hätte der Gartenbaumeister den neuen Teich selbst entworfen.

1993 wurde das „Parkaktiv“ zum Verein. Nun konnten auch Spenden entgegengenommen werden. Doch die allein hätten den Ort Drehna, der seinen Zusatz „Fürstlich“ wiederbekommen hatte, wohl nicht zu jener Perle gemacht, die er heute ist. Die Brandenburgische Schlösser GmbH, eine gemeinnützige Tochter der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, stieg ein. „Das war der goldene Griff für Fürstlich Drehna“, sagt Ardo Brückner zufrieden.

Denn nach der Wende hatten sich nach den Worten des Heimatforschers, „ja schon Immobilienhaie die Klinke in die Hand gegeben“, um sich Schloss und Park zu sichern. Man sorgte sich auch, dass das Ensemble als Diplomatenresidenz genutzt und abgeriegelt werden könnte, erzählt Jürgen Klemisch von der Schlösser GmbH. So setzten sie alles daran, um diesen Ort von „enorm kulturhistorischer Bedeutung“ für die Öffentlichkeit zu retten.

Fast 15 Jahre, bis 2007 dauerten die Restaurierungsarbeiten in Fürstlich Drehna. „Wir haben praktisch den halben Ort restauriert“, sagt Klemisch. Die Arbeiten am Schloss verschlangen allein zwölf Millionen Euro, insgesamt wurden rund 21 Millionen Euro investiert. Zu neuem Glanz kamen der historische Gasthof zum Hirsch, ein barockes Gärtnerhaus, das Amtshaus, das alte Schulgebäude. Der Lindenplatz vor dem Schloss bekam seine ursprüngliche dreieckige Form zurück und wurde nach historischem Vorbild gepflastert. Die Brauerei wurde von den Eigentümern selbst restauriert, nur der Schinkelturm auf dem Gelände wartet noch auf Handwerker. Die Backsteinkirche indes fügt sich solide ins Ortsbild.

Als alles perfekt war, musste es mit Leben gefüllt werden. Den Gasthof zum Hirsch pachtete Frank-Wilhelm Binde und führt ihn als Familienbetrieb. Bodenständige, regionale Gerichte wie Schweinenackensteak oder Hefeplinsen werden angeboten, regelmäßig wird zu Kabarett- oder Musikveranstaltungen geladen. Das Schloss zu pachten kam für Ex-Bürgermeister Binde nicht infrage. „Ich fahre einen Opel und bin zufrieden. Einen Mercedes will ich nicht.“ Das Schloss sei einfach eine „andere Liga“.

„Wir wollen keine Massen von Bustouristen hier“

Ein Juwel. Grau und unansehnlich war das Schloss vor fünfzehn Jahren – nun strahlt es in blendendem Weiß.
Ein Juwel. Grau und unansehnlich war das Schloss vor fünfzehn Jahren – nun strahlt es in blendendem Weiß.

© Hella Kaiser

2007 wurde das Schloss als Wellnesshotel eröffnet – und floppte. Gut zwei Jahre später mussten die Betreiber Insolvenz anmelden. 2011 sind neue Pächter angetreten – und müssen sich am Markt behaupten. „Wenn die Leute das Schloss sehen, denken sie, es wäre ein Fünf-Sterne-Hotel“, sagt der stellvertretende Hoteldirektor Marian Köpnick und fügt hinzu: „Das sind wir aber nicht.“ Man sehe sich eher im Vier-Sterne-Bereich. Dass, was das Hotel ausmacht, lässt sich sowieso nicht klassifizieren: die sorgfältig restaurierten alten Treppenstufen, die originalen Glaswappen in der Galerie, die Eisenbeschäger an den alten Holztüren.

Immerhin, Firmen hätten schon für Events angeklopft, im Frühjahr waren Bosse und Angestellte von Maserati da. Auch Hochzeitsgesellschaften interessieren sich. „Wir haben schließlich sogar eine Kapelle im Haus, der Standesbeamte kommt für Trauungen aus Luckau.“

Noch läuft es nicht rund im Schlosshotel. Der Service hakt etwa. So recht will die Bedienung zum Beispiel nicht einsehen, dass man zum Frühstück im Grünen Salon gern an dem frei gewordenen wunderbaren Fensterplatz in einer Nische sitzen möchte. „Den muss ich neu eindecken“, mault sie. Und die Kellnerin im zum Hotel gehörigen sogenannten Ausflugsrestaurant, dem „Pferdestall“ im ehemaligen Amtshaus, weiß an einem Sonntagnachmittag nicht, ob und wenn ja welcher Kuchen im Angebot ist.

Man vergisst das, wenn man morgens in einem der Schlosszimmer aufwacht, und Schwalben ihre Flugkünste vorm Fenster vorführen. Im Schlossgraben schnappt ein Fisch nach Luft, das Reh, das am Vorabend friedlich auf der Wiese graste, ist verschwunden. Die Stille – ein Traum. „Wir wollen keine Massen von Bustouristen hier“, sagt Gastwirt Binde. „Wir wollen Gäste, die unsere Abgeschiedenheit und die Ruhe zu schätzen wissen.“

Solche sieht Brückner bisweilen im Pavillon am Teich sitzen. „Manche haben dann ein Glas Wein in der Hand und genießen den Sonnenuntergang.“ Das freut ihn. Den gusseisernen Pavillon haben sie vom nahe gelegenen, zerstörten Schloss Saßleben erworben und in Fürstlich Drehna wieder aufgestellt. Die Farbfolge der Jugendstilgläser darin, grün, gelb, rot und blau, hat die Denkmalpflege in Cottbus nach alten Mustern bestimmt.

Der Düsseldorfer will wiederkommen, eine Tour für Freunde organisieren. Nur montags sollten sie nicht anreisen. Dann haben sowohl Gasthof als auch Ausflugsrestaurant geschlossen. Und das Café in der Alten Schule schließt zur besten Kaffeezeit bereits um 16 Uhr. „Das ist ja nicht mein Problem“, sagte die Betreiberin schnippisch. Sie wolle schließlich auch mal frei haben. Vorerst muss man um die Stille in Fürstlich Drehna nicht bangen.

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