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Barocke Bilderexplosion. Der „Oranjezaal“ im Palast Huis ten Bosch bei den Haag entspricht so gar nicht der Vorstellung vom nüchternen Land der Kaufleute mit Regenten ohne Pomp.

© Margareta Svensson

Den Haag: Stadt für eine Nacht

Das niederländische Königspaar kommt nach Berlin. Doch wer Royales erleben möchte, muss ins Dorf Den Haag reisen.

Prunk und Pracht, gewaltige Leiber, Pferde, Wappen und Säulen. Der „Oranjezaal“ ist ein Raum über und über mit Gemälden bestückt bis hin zur Kuppel, die alles überwölbt. Diese barocke Bilderexplosion diente seinerzeit einzig und allein dazu, die Verdienste Frederik Hendriks, Statthalter der Republik der Vereinigten Niederlande zu würdigen sowie das Selbstbewusstsein des jungen Staates zu festigen. Wer das königliche Den Haag erleben und auf den Spuren der Oranier wandeln möchte, muss hierherkommen. Zumal, wenn der neue König Willem-Alexander heute mit Königin Máxima seinen Antrittsbesuch in Berlin macht, wird man nicht viel von dem Paar sehen. Es wird nur eine Blitzvisite.

Der „Oranjezaal“ in Den Haag ist wahrlich ein ungewöhnlicher Raum in den Niederlanden, die man Ende des 16. Jahrhunderts eher mit den nüchternen Bildern von Kaufleuten und Regenten in Schwarz mit weißem Kragen assoziiert. Der Saal ist eine 1:1-Kopie des „Oranjezaals“ in Huis ten Bosch, dem Sommer- und Witwensitz von Amalia von Solms, der von 1980 bis 2013 als Wohnpalast von Königin Beatrix diente. Dass man dennoch diesen Raum bestaunen kann, ist der großartigen Ausstellung über Constantijn und Christiaan Huygens in der Grote Kerk in Den Haag zu danken. Beide sind Lichtgestalten des „Goldenen Zeitalters“. Vater Constantijn war Sekretär des Prinzen von Oranien Frederik Hendrik, Kunstkenner, Dichter und Komponist, und sein Sohn Christiaan ein begnadeter Erfinder und Naturwissenschaftler.

Die Rekonstruktion des Saals ist das Glanzlicht der Huygens-Ausstellung. Königin Beatrix hatte nur für die Dauer der Schau bis zum 28. August der Kopie zugestimmt. Danach wird er wieder abgebaut. Ironie der Geschichte – ihre tatsächlich letzte Amtshandlung als Königin am 25. April vor der Abdankung war die Eröffnung der Huygens-Ausstellung. Huis ten Bosch wird gerade umgebaut, damit Willem-Alexander mit seiner Familie dort wieder einziehen kann. Die Kopie ist wahrscheinlich für lange Zeit die einzige Gelegenheit, die Niederlande von ihrer höfischen Seite kennenzulernen.

Hoch zu Ross hat Prinz Wilhem von Oranien den königlichen Palast stets fest im Blick.
Hoch zu Ross hat Prinz Wilhem von Oranien den königlichen Palast stets fest im Blick.

© Foto. Rolf Brockschmidt

Den Haag schmückt sich gerne mit den Fürsten und den Königen. Man feiert dieses Jahr 200 Jahre Königreich der Niederlande, denn im November 1813 nach der Niederlage Napoleons kehrte auf Wunsch oranientreuer Bürger Willem I. aus dem englischen Exil zurück, setzte in Scheveningen seinen Fuß auf niederländischen Boden und ließ sich als Souverän feiern.

Streng genommen hat Den Haag im Moment keinen König in seinen Grenzen, sagt Stadtführer Remco Dörr, denn die königliche Familie wohnt in Wassenaar bei Den Haag bis Huis ten Bosch modernisiert ist. Hinzu kommt, dass Den Haag auch keine Stadtrechte besitzt, ’s-Gravenhage – so der offizielle Name – ist das „Dorf des Grafen“. Nur als Napoleon hier einmal übernachtete, verlieh er Den Haag für eine Nacht Stadtrechte. Schließlich bettet ein Kaiser sein Haupt nicht in einem Dorf.

Insofern ist in Den Haag vieles anders als im Rest des Landes. Es waren nicht die Kaufleute und reichen Bürger, die die Stadt damals prägten, sondern Adel und Hof der Grafen von Holland, später der Statthalter des spanischen Königs – in der Republik. Doch dank der oranischen Hofhaltung konnte auch die Republik im absolutistischen Europa als erfolgreiche See- und Handelsmacht mit Pomp und Gloria durchaus mithalten.

„Alles Bluff“

Schief und eng. Das „Haager Problem“
Schief und eng. Das „Haager Problem“

© Rolf Brockschmidt

Durch ein Tor betritt man den Binnenhof, das Regierungszentrum. „Wir nennen diese etwas schiefe Tordurchfahrt das Haager Problem“, witzelt Remco Dörr, „denn die mächtigen Amsterdamer hatten Königin Wilhelmina 1898 die – viel zu große – goldene Kutsche geschenkt, mit der jeder Monarch am dritten Dienstag im September zur Parlamentseröffnung durch Den Haag fährt. Leider passen die vier Pferdepaare nicht nebeneinander durch das Tor, sondern sie müssen seitlich versetzt hindurch. Eine große Herausforderung für den Kutscher.“

Doch die Haager sind auch nicht so ohne. „Haagsche Bluf“ ist ein beliebtes lokales Schaumgebäck: sieht groß aus, besteht jedoch im Wesentlichen aus Luft. „Haagsche Bluf“ heißt auch ein neues Einkaufszentrum mitten in der Stadt. Schöne Backsteinfassaden aus dem 17. Jahrhundert neben modernen Glasfronten. „Alles Bluff“, sagt Remco, „die Fassaden sind sämtlichst Nachbauten abgerissener Häuser, nur ein einziges Jugendstilhaus steht hier im Original am Denneweg.“

Ungewöhnlich auch der Amtssitz des Königs im Palast Noordeinde aus dem 17. Jahrhundert, mitten in der gleichnamigen, netten Geschäftsstraße. „Als Königin Beatrix hier 1980 zu arbeiten begann, folgten der kunstliebenden Monarchin viele Galerien“, erzählt Dörr. Die Laternen über der Straße sind mit Kronen geschmückt – wahrhaft königliches Einkaufen ist angesagt. Vielleicht sogar bei einem „Königlichen Hoflieferanten“. Wer auf eine mehr als 100-jährige Erfolgsgeschichte zurückblickt, kann mit diesem Prädikat ausgezeichnet werden. Dann schmückt ein prächtiges Wappen des jeweiligen Königs die Ladenfront, so etwa das „Maison de la Bonneterie“ oder den Ordensfabrikant Van Wielik (seit 1841).

Königswappen.
Königswappen.

© Rolf Brockschmidt

Königliches Den Haag bedeutete aber auch, dass die Gemeinde viel Personal für alle Paläste und Residenzen und Botschaften benötigte. Die Bediensteten wohnten in kleinen Höfen, ähnlich den Beginenhöfen, mitten in der Stadt, oft nur durch eine diskrete Tür erreichbar, wie etwa am geschäftigen Denneweg.

Von hier ist es nicht weit bis zum feinen „Hotel des Indes“, der Name ist Programm. Er liegt an der Zusammenkunft von Lange und Korte Voorhout, einer prächtigen Lindenallee am kleinen Stadtpalast von Königin Emma – heute Sitz des Escher-Museums. „Hier fuhr man mit Kutschen immer im Kreis herum und zeigte sich der Öffentlichkeit“, erzählt Remco Dörr. Die Allee war übrigens das Vorbild für Unter den Linden in Berlin. Doch davon wird Willem-Alexander heute nicht viel zu sehen bekommen.

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