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© ZDF

Der Luxusliner "Deutschland" in der Serie "Traumschiff": Der richtige Dreh

Frau Schulz aus Düsseldorf ist enttäuscht. „Harald Schmidt kommt erst in Dubai an Bord“, hat die pensionierte Lehrerin soeben erfahren.

Frau Schulz aus Düsseldorf ist enttäuscht. „Harald Schmidt kommt erst in Dubai an Bord“, hat die pensionierte Lehrerin soeben erfahren. Die Promis Inka Bause und „diesen Kommissar“ – sie meint „Tatort“-Darsteller Jörg Schüttauf – hat sie allerdings schon entdeckt an Tag eins der Reise mit dem „Traumschiff“. Es soll die Gäste von Mombasa über die Seychellen bis in die Vereinigten Emirate bringen. Die erste Folge des Fernseh-Dauerbrenners wurde am 22. November 1981 ausgestrahlt. Als viertes Schiff gibt die „Deutschland“ seit nunmehr zehn Jahren die Kulisse ab für Schmusegeschichten auf den Weltmeeren.

„Gewaltiger Käse“ sei darunter gewesen, gibt Produzent Wolfgang Rademann am nächsten Tag an Bord freimütig zu. Aber immerhin: alles jugendfrei. „Keene Gewalt, keen Sex, die Kinder werden nicht versaut. Aber zehn Millionen Zuschauer sehen jede Folge. Und ich will ja keinen Grimme-Preis dafür bekommen“, sagt der in Neuenhagen bei Berlin geborene Mann, der übrigens keinen warmen Mantel besitzt. „Weil ich ja immer im Winter an Bord bin.“

Warme Kleidung benötigt der nimmermüde Rademann, der am kommenden Dienstag 75 Jahre alt wird, auch auf dieser Reise nicht. Immerhin, Lufttemperatur 31Grad, Wasser im Pool schlappe 26 Grad. Erster Seetag, 900 Seemeilen noch bis zu den Seychellen. „Nonne“ Marita Marschall, besser bekannt als eine der ZDF-Fernsehkommissarinnen, harrt tapfer in hochgeschlossener, graugestärkter Nonnenkluft und blickdichten Strümpfen aus. Scheinwerfer werden geschleppt, reflektierende Spiegel hochgehalten. Die Kollegin der „Maske“ holt aus einem Schränkchen, das sie wie eine Einkaufskarre hinter sich herzieht, Bürste, Puderquaste und Co. heraus. Aus dem Produktionsteam stehen nun immerhin 20 Personen um die „Nonne“ herum. Dazu noch Passagiere, die – ganz zufällig natürlich – vorbeischlendern. An Statisten besteht hier wahrlich kein Mangel. Schließlich hat jene Reise ja eben erst angefangen, die man nicht zuletzt deshalb gebucht hat, um hie und da mal – ganz zufällig – in einer Sequenz dabei zu sein.

Noch sind alle begierig, irgendwie mitzumachen bei den Dreharbeiten zu der Episode „Emirate“, die am zweiten Weihnachtstag im ZDF gezeigt werden soll. Lange Schlangen hatten sich an der Rezeption gebildet, um Namen und Kabinennummer zu hinterlegen, falls doch noch Mitwirkende gesucht würden.

Am Ende dieser Reise von Mombasa nach Dubai, die vollgepackt ist mit Ausflügen zu den schönen Ecken dieser Erde, sieht das schon anders aus. Dann ist das nicht mehr so, dass sich das Produktionsteam kaum der Freiwilligen erwehren kann, in der Geschichte um einen Klavier spielenden Wunderknaben, der sich in seine Fitnesstrainerin (gespielt von der sportlichen, allzeit freundlichen Inka Bause) verknallt. Da buhlt dann am Tag 14, an dem eine Schlussszene im großen Ballsaal stattfinden soll – der Wunderknabe spielt vor vollbesetztem Saal – das Fernsehteam mittels Flyer in Kabinen-Briefkästen um Mitwirkende. Und es finden sich natürlich auch einige Gäste, die nicht im alten Souk von Maskat auf Schnäppchenjagd gehen wollen, sondern lieber Musik von Rachmaninoff lauschen wollen. Und so ist dann zumindest für diese Filmszene alles im Kasten, inklusive der Passagiere in Abendgala-Garderobe, die von Regisseurin Karola Meeder zu „frenetischem Applaus“ animiert werden.

Dabei ist dieser „verordnete“ Musikgenuss nun wahrlich nicht das einzige Kulturevent auf dieser Reise. Schließlich will die „Deutschland“ mithalten können in Sachen Bordprogramm: ein hochkarätiges Kammermusiktrio ist an Bord, und eine Musicalsängerin ist sich nicht zu schade, ein „Ave Maria“ im Bordgottesdienst zu singen. Das veritable Trio, das sich französischer Kammermusik verschrieben hat, ist allerdings leider vorwiegend dazu verurteilt, allein der Untermalung der „eleganten Teestunde“ auf der mediterran-lichten Lido-Terrasse zu dienen.

Einen Seetag später wird jedoch klar: Nichts entzückt die Passagiere so sehr wie bayerische Blasmusik – ein Prosit auf die Gemütlichkeit, mitten auf dem Meer. Nur der „Traumschiff-Kapitän“, alias Schauspieler Siegfried Rauch, sitzt nicht vor Freibier oder Obstler, sondern bei grünem Tee. Statt einer Hax’n muss er sich mit Salat bescheiden. Nach einer Woche ist er nicht wiederzuerkennen, ein Asket, getrietzt von seiner Personal-Trainerin. Er rennt und rennt und rennt, vor dem Dreh, nach dem Dreh. Wenn die Passagiere zum Frühstück kommen, hat er bereits schon seine Runden hinter sich. „Schlecht schaut er aus“, kommentieren einige besorgte Passagierinnen. Gottlob sei ihm jedoch noch nicht das „Kapitänsmützengesicht“ abhanden gekommen. Schließlich war das ja auch Grundvoraussetzung für die Besetzung der Rolle. So wird es zumindest kolportiert. Der Produzent reiste angeblich seinerzeit mit der Mütze in einer Aldi-Tüte durch Deutschland, bis er jenen Schauspieler fand, auf dessen Kopf die schmucke Kappe toll aussah: beim „bayerischen Bergbauern Sigi Rauch“ – der hatte dann die Rolle.

Noch länger als Rauch, nämlich seit der ersten Folge 1981, gehört „Hostess“ Heide Keller zum „Inventar“ der Serie. Soeben hat die „Deutschland“ in Victoria festgemacht, der Hauptstadt der Seychellen. Heide Keller steht auf dem Peildeck, kämpft mit Wind und Hitze, während unten am Spa Fitnesstrainerin Inka – zu „43 / 1 , die Zweite“ – zum x-ten Male die Treppe hoch- und runterjoggen muss. Diesmal hat Bause nur drei Drehtage, kann also diese Reise genießen. Für die anderen heißt es: zäh das Warten, heiß die Luft. Und die Heldin dieser Folge, sonst im „Landarzt“ beschäftigt, sagt theatralisch zu ihrem Liebhaber: „Glaube nicht, dass du der Nabel meines Lebens bist.“

Wären die Texte bloß so schön wie die Garderobe der Darsteller – eine Tonne des 8,5 Tonnen schweren Equipments machen allein die Kleider aus. Regisseurin Karola Meeder, die einst in der Requisite in der „Schwarzwaldklinik“ angefangen hatte, ist derweil bemüht, aus „einem Plot lebendige Figuren“ herauszumeißeln – und verteilt Gummibärchen an ihr Team. Treibt allerdings auch zur Eile an: „Macht zu, in eineinhalb Stunden geht die Sonne unter!“

Es geht anderntags weiter mit dem Dreh in der Hauptküche. Bitter, hier auf einem der schönsten Eilande zu weilen und nicht an Land zu gehen. Doch einer der Gäste kommt soeben zurück und mault: viel zu einsam. Hier würde er es nicht eine Woche aushalten. Und das Wasser sei ja nun auch keine wirkliche Erfrischung; er sei nicht zum Planschen in türkisfarbenem Wasser hier ...

Dreharbeiten sieht er als Teil des Aktivprogramms – es sei ja eh hier nix los. Er freut sich; heute Abend werden 50 Komparsen gesucht, Gala mit Auftritt des Crewchors – da macht er mit. Freuen tun sich auch einige Leute vom Drehteam: Habt ihr schon gehört, wir sind heute Abend eingeladen zur Crewparty!

18 Uhr 14, die Sonne versinkt im Meer, drei lange Seetage liegen vor uns. Auf der Lido-Terrasse Melancholisches von der Klarinette, süßschmelzend die Klänge der Bratsche, und alle freuen sich aufs Sechs-Gänge-Menü; overdressed die Damen, wie immer auf deutschen Kreuzfahrtschiffen – und viele waren wohl im Friseursalon, der den Namen eines bekannten Berliner Coiffeurs trägt.

Seetag dann – das heißt: Kurse! Der Parfümeur erzählt, Parfüm sei wie die Liebe: Ein bisschen ist nie genug. Zeigt, wohin es aufzutupfen sei, damit es nicht „wie Maggi“ rieche. Genug bekommen die Passagiere dieser Reise auch nicht von den Gottesdiensten (die hier beim Bordpfarrer gern mal zum philosophischen Seminar ausarten), singen aus vollem Herzen „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ und wollen alles wissen über das Bilderverbot des Islam, denn schließlich nähern wir uns dem Morgenland. Der Organist donnert in die Tasten wie Clayderman und der Pastor ruft uns nach: Feiert, freut euch – und warnt auch vor dem „Turmbau zu Babel“, wie er uns in Dubai erwarte.

Dort warten jedoch zunächst die Limousinen mit Chauffeur, die einige Passagiere durch die Wüste zum Flughafen Abu Dhabi fahren werden. Das Produktionsteam bleibt an Bord, wartet auf die Kollegen für den Dreh der nächsten nächste Folge. Mit Harald Schmidt.

Dagmar Zurek

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