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Süßes Stück. Eine Kellnerin hält in Todtnauberg einen Teller mit „Black Forest Cake“ in der Hand. Das kalorienhaltige Backwerk ist ein gewichtiger Werbeträger in aller Welt für den Schwarzwald-Tourismus.

© Patrick Seeger/dpa

Deutschland: Jubilarin mit Schuss

Sie hat einen Schuss und ist ein ganzes Jahrhundert alt: Keine Kuchenspezialität wird in Deutschland öfter bestellt als die Schwarzwälder Kirschtorte.

Neben Bollenhut, Kuckucksuhr und Schinken ist die Schwarzwälder Kirschtorte ist das Symbol des Schwarzwalds. In diesem Jahr wird sie 100 Jahre alt. Altbacken ist die Sahnetorte mit Biskuitboden und hochprozentigem Zusatz dennoch nicht. Sie ist in der Region nahezu in aller Munde. Obwohl sie eigentlich „eine Zugereiste“ ist, wie es im Schwarzwald heißt, wenn etwas nicht von hier stammt.

„Das Backen von Schwarzwälder Kirschtorte ist mein Tagesgeschäft“, sagt Freddy Boch, Chef vom Hotel Engel in Todtnauberg im Südschwarzwald bei Freiburg. Er braucht kein Rezeptbuch, wenn er Torte backt. Mehrere Exemplare entstehen jeden Tag allein in seiner Küche. Der Griff zur Schnapsflasche schon am frühen Morgen ist fester Bestandteil der Arbeit. Denn in jede Torte gehört ein kräftiger Schuss Kirschwasser. Das Hochprozentige gibt der Torte ihren unverwechselbaren Geschmack.

Das weiß man nicht nur im Südwesten: „Die Schwarzwälder Kirschtorte ist die bekannteste Botschafterin unserer Region“, erklärt Christopher Krull, Geschäftsführer der Schwarzwald-Tourismus-Gesellschaft in Freiburg: „Und sie ist die bekannteste und beliebteste Torte Deutschlands.“

Ob in Cafés, Restaurants oder auch in Wanderhütten: Die kalorienreiche Spezialität gehört zu den am häufigsten bestellten Süßspeisen. Sie ist, nicht nur wegen des Namens, untrennbar mit dem Schwarzwald verbunden. Auch in Australien, Asien und Südafrika kennt man sie. Nur die Sachertorte aus Wien hat einen ähnlichen Bekanntheitsgrad.

Der Erfinder kam aus Schwaben

Vor 100 Jahren wurde sie erfunden. Der Überlieferung nach schuf der aus dem schwäbischen Riedlingen an der Donau stammende Konditor Josef Keller (1887–1981) die Sahne-KirschenKirschwasser-Kombination erstmals in Form einer Torte. Keller arbeitete damals im Café Ahrend in Bad Godesberg, dort wurde die Spezialität von ihm im Jahre 1915 geschaffen und erstmals serviert. Das Café gilt als die Geburtsstätte der Schwarzwälder Kirschtorte. Es besteht noch heute. Es heißt inzwischen Café Agner – und Bad Godesberg ist ein Stadtteil von Bonn.

Keller zog später nach Radolfzell am Bodensee und eröffnete sein eigenes Café. Die Tortenspezialität wurde auch dort zum Renner. Die Torte traf den Geschmack, machte ihre Runde und sich weltweit einen Namen. Einer von Kellers Lehrlingen nahm das Originalrezept mit. Heute liegt es in Triberg im Schwarzwald in einer Konditorei unter Verschluss.

Im Schwarzwald lässt man sich von dem schwäbischen Konditor, der im Rheinland die Schwarzwälder Spezialität schuf, nicht den Appetit verderben. Denn eindeutig sei die Sache nicht, heißt es. So erhebt das schwäbische Tübingen ebenfalls den Anspruch, den Tortenklassiker erfunden zu haben – allerdings erst 1930, und damit 15 Jahre nach Bad Godesberg. Das Grundrezept war schon früher im Schwarzwald bekannt. Eingekochte Kirschen wurden mit Milchrahm und manchmal auch mit etwas Schnaps serviert – jedoch als einfaches Dessert, nicht als Torte.

Alle zwei Jahre gibt es in Todtnauberg ein Kirschtortenfestival

Von gestern ist die Torte jedenfalls nicht, wie Boch sagt. Im Gegenteil. Sie werde mehr gegessen als früher, das Angebot ist reichhaltig: „Wir profitieren vom Trend hin zu regionalen und unverwechselbaren Lebensmitteln“, so der 46 Jahre alte Gastronom und Hotelier, der in Todtnauberg die Torte zum Markenzeichen gemacht hat, unter anderem mit der größten Kirschtorte der Welt: „Wichtig ist, dass sie handwerklich korrekt hergestellt und gut gemacht wird.“ Am Rezept hat sich nichts geändert.

Ernährungsexperten stören sich zwar an der Kalorienlast. Doch die Torte enthalte regionale und natürliche Inhaltsstoffe, sagt der Konditormeister Franz-Josef Koszinowsky. Die Kirschen stammen von hier. Und das Kirschwasser wird aus Schwarzwälder Obst gebrannt.

„Wir haben die Kirschtorte lange als selbstverständlich angesehen, heute rücken wir sie in den Mittelpunkt“, sagt Boch. So gibt es ein Kirschtortenfestival, das alle zwei Jahre in Todtnauberg organisiert wird – das nächste Mal im April 2016. Es läuft unter Bochs Regie. Zudem erklären Boch und andere Konditoren Touristen und Einheimischen in regelmäßigen Kursen und Seminaren, wie aus dem Trio Kirschen, Sahne und Kirschwasser eine runde Sache wird. Dieses Angebot ist gefragt.

Markenrechtlich geschützt ist die Torte nicht, produziert werden darf sie überall auf der Welt – auch mit Veränderungen. Ein Schwarzwälder Bäckermeister etwa hat aus den Originalrezepten der Torte vor fünf Jahren einen Kuchen in der Dose entwickelt. dpa

Tourismusbüro, Telefon: 076 75 / 160 03.

Jürgen Ruf

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