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Er und sie: Schiffe als Frauenersatz

Frauen an Bord gelten bei abergläubischen Seeleuten noch immer als schlechtes Omen. Traditionell waren die Kapitäne sowie die Besatzung eher gestandene Männer. Wird deshalb über Schiffe in der weiblichen Form gesprochen?

Warum sind Kreuzfahrtschiffe eigentlich immer weiblich? Warum heißt es die „Europa“ oder die „Voyager of the Seas“? Leicht nachvollziehbar ist das beispielsweise bei Aida-Schiffen – erst jüngst hat die „AidaMar“ in Papenburg ihren Kussmund mit rund 400 Litern rotem Lack-„Lippenstift“ aufgemalt bekommen, quasi als moderne Variante der Galionsfigur. Dieses Schiff ist eine Dame, keine Frage. Aber was ist mit Schiffen, deren Name eindeutig männlich ist: „Kong Harald“, „Norwegian Sky“ oder „Silver Wind“?

Jahrhundertelang galt eine Frau an Bord eines Schiffes unter den reichlich abergläubischen Seeleuten als schlechtes Omen. Frauen an Bord brächten großes Unglück, hieß es. Deshalb gab es früher eigentlich keine weiblichen Wesen an Bord, von mancher Katze vielleicht mal abgesehen. Umso mehr erstaunt, dass man gleich das gesamte Schiff als weiblich deutete. Möglicherweise füllte das Schiff in den Köpfen der Seeleute einfach die Position der Ehefrau zu Hause aus.

Natürlich stößt man bei der Suche zu diesem Thema auf zahlreiche einfache Erklärungsversuche von mehr oder weniger sexistischer Natur, die sich auf die vermeintliche Ähnlichkeit zwischen Frauen und Schiffen beziehen – von „weibliche Kurven“ über „eigenwillig“ bis „teure Takelage“. Das mag bei der Entstehung der Tradition eine gewisse Rolle gespielt haben, wirklich überzeugend klingt allerdings keine der Erklärungen. Vielmehr werden solche Interpretationen auch eher später entstanden sein, als nicht ernst zu nehmende Stammtisch-Anekdoten.

Schon die alten Griechen gaben ihren Schiffen durchweg weibliche Namen. Historiker gehen davon aus, dass sie Schiffe ganz offenbar von einem weiblichen Geist beseelt sahen. Oft wurden für Schiffe speziell weibliche Formen aus ursprünglich männlichen Namen gebildet. Ein Schiff, das nach Kallistratos benannt wurde, trug daher etwa den Namen „Kallistrate“. Die Römer verwendeten dagegen durchaus auch männliche Namen für Schiffe. Die Argumentation aus dieser Richtung steht daher auf etwas wackeligen Beinen.

Columbus und seine Santa Maria.

Trotzdem: Auch zu Christoph Columbus’ Zeiten hatten Schiffe wieder weit überwiegend weibliche Namen, der berühmteste davon: „Santa Maria“. Dadurch könnte sich ganz nebenbei eingebürgert haben, dass man Schiffe als weiblich betrachtet, so dass man sich später auch bei Schiffen mit männlichen Namen nicht die Mühe gemacht hat, den Sprachgebrauch zu ändern. Und zumindest bei den Kreuzfahrtschiffen sind die überwiegende Zahl der Namen auch heute noch weiblich – von „AidaBella“ über „MSC Splendida“ bis „Star Princess“.

Zwischenzeitliche Versuche, an diesem Sprachgebrauch etwas zu ändern, waren regelmäßig gescheitert, auch wenn immer wieder einmal – besonders bei Kriegsschiffen – männliche Bezeichnungen vorkamen. Bei zivilen Passagierschiffen ist die bekannteste Ausnahme der „Imperator“. Kaiser Wilhelm II. bestand darauf, dass die Hapag für das damals größte Schiff der Welt den männlichen Artikel verwandte. Der Kaiser war – ebenfalls recht ungewöhnlich – Taufpate für den stolzen deutschen Oceanliner und wollte die Bezeichnung als „die Imperator“ nicht akzeptieren.

Ein weiterer Erklärungsversuch ist ein sprachwissenschaftlicher und von recht theoretischer Natur: Die Ausgangssprache, aus der sich alle indogermanischen Sprachen entwickelt haben sollen, hatte offenbar nur zwei grammatikalische Geschlechter, nämlich für lebendige und für leblose Objekte. Erst später hat sich demnach das grammatikalische Geschlecht für leblose Objekte in „weiblich“ und „Neutrum“ aufgesplittet und Schiffe wurden dabei offenbar der Kategorie „weiblich“ zugeordnet. Und dieser Theorie zufolge hat sich das dann bis heute erhalten.

Als schlüssigste Erklärung, warum Schiffe weiblich sind, erscheint allerdings eine ganz pragmatische: Die zwei absoluten Autoritäten auf hoher See, die von den Seeleuten nicht in Zweifel gezogen werden durften oder konnten, waren der Kapitän und das Schiff. Da der Kapitän über Jahrhunderte hinweg immer ein Mann war, sagten die Seeleute häufig einfach nur „er“, wenn sie über den Kapitän sprachen. Um die Aktionen des Kapitäns vom unberechenbaren und oft auch als beängstigend empfundenen Eigenleben des Schiffs zu unterscheiden, sprach man vom Schiff konsequenterweise als „sie“. Auch hier ist freilich eine gewisse sexistische Komponente enthalten – „er“ versucht, in tiefem Fahrwasser zu bleiben, während „sie“ es sich auf einer Sandbank bequem macht. Und wie im wirklichen Leben ist nie so ganz klar, wer am Ende schuld ist...

Der Autor betreibt die Internetplattform cruisetricks.de

Franz Neumeier

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