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Verwunschen. Karen Blixen erklärte den Park rund ums Familienanwesen zum Vogelschutzgebiet. Inmitten des urwüchsigen Gartens liegt auch ihr Grab.

© K.R. Hoppe/Museum

Dänemark: Kenia steckt in jeder Stube

Der Roman „Out of Africa“ machte die Dänin Karen (Tania) Blixen berühmt. Ein Besuch auf ihrem Familiengut Rungstedlund.

Auf Rungstedlund duften die Blumenbuketts, und die handgestickten Gardinen stauen sich überlang auf den glänzenden Dielen. Vom Öresund her dringt jetzt im November eisiges Licht in die warme gemütliche Stube und vermischt sich vom Garten her kommend mit dem Rest sonnenbeschienenen Grüns. Alles ist lebendig im Landhaus und zum Bleiben schön. Nun könnte Karen Blixen auftreten.

Wahrscheinlich trüge sie einen Strauß letzter blauer Winterastern und weißer Schneebeeren im Arm. Karen liebte es, alle Zimmer ihres Hauses kunstvoll mit den Blüten aus dem Garten zu schmücken.

"Meine Kleidung ist Ausdruck meines Wesens", sagt Karen Blixen.
"Meine Kleidung ist Ausdruck meines Wesens", sagt Karen Blixen.

© Det Kongelige Bibliotek

Doch Karen Blixen ist lange tot. Aber hier in Nord-Seeland zwischen Kopenhagen und Helsingör ist sie 1885 geboren. In Rungstedlund wuchs sie auf mit ihren Schwestern Inger und Ellen und ihrem Bruder Thomas. Hier starb sie auch 1962 im Alter von 77 Jahren. Rungstedlund samt Gartenanlage ist seit 1991 ein Museum und erinnert an die dänische Schriftstellerin, die den meisten Menschen erst durch ihre filmgewordene Liebesgeschichte mit dem britischen Adligen und Großwildjäger Denys Finch Hatton bekannt wurde.

„Out of Africa“, mit den Hauptdarstellern Meryl Streep und Robert Redford nach Impressionen aus Blixens 1938 erschienenem Buch „Afrika, dunkel lockende Welt“ gedreht, kam im Dezember vor 30 Jahren in unsere Kinos.

Die dänische Welt wurde ihr bald zu eng

Karen Blixen wurde als Karen Christentze Dinesen geboren. „Tanne“ nannten sie ihre Eltern.

Ihre ersten Bücher erschienen in Amerika unter dem Pseudonym Isak Dinesen. Bei uns ist sie als Tania Blixen besser bekannt. Tanne, mit einem Hang zur Exzentrik bedacht, wurde die dänische Welt bald zu eng. Darum wanderte sie 1914 mit dem schwedischen Baron Bror Blixen-Finecke nach Britisch-Ostafrika dem späteren Kenia aus.

Ihre Ehe scheiterte, und als Kaffeefarmer waren beide glücklos. Doch Karen liebte Kenias Landschaften und seine Menschen. Schweren Herzens kehrte sie nach dem Tod ihres Geliebten Denys Finch Hatton 1931 mit 46 Jahren heim nach Dänemark. Die meisten ihrer Umzugskisten hat sie lange nicht ausgepackt.

Auch heute noch sind die Zimmer mit Blumen geschmückt

Zurück im Haus ihrer Mutter, die 1939 starb, schrieb sie unermüdlich jeden Tag. Der Erfolg des Buches „Out of Africa“ (bei uns: „Afrika dunkel lockende Welt“) machte sie weltberühmt. Ihr Elternhaus wurde noch zu ihren Lebzeiten restauriert und später in ein Museum umgewandelt.

„Karen Blixen war eine freie Frau, immer anders als die anderen. Die Leute wollten endlich mehr über sie erfahren“, sagt Museumsleiterin Catherine Lefebvre und erklärt: „Schon 1958 hatte Karen Haus und Garten in Rungsted Kyst in eine Stiftung überführt. Außerdem gründete sie die Dänische Literaturakademie, deren exklusiver kleiner Mitgliederkreis noch heute einmal im Monat auf Rungstedlund zusammen kommt.“

Das einst vierseitige Landgut steht etwas flügellahm mit der Vorderseite zum Meer. Ein Brand hatte einen Teil schon im 19. Jahrhundert zerstört. Wer gute Augen hat, sieht über die Straße und den vorgelagerten Yachthafen hinweg die schwedische Insel Ven wie eine Perle im Öresund schwimmen. Im Haus ist es wohlig warm, und die Besucherin spaziert andächtig durch die lichtdurchfluteten Zimmer, die Museumsmitarbeiterin Helen Olsen ganz so wie einst Karen Blixen mit Blumen aus dem Garten geschmückt hat.

Im "Grünen Raum" steht der Stuhl des Geliebten

Das Arbeitszimmer. Karen Blixen dekorierte es auf kenianische Art.
Das Arbeitszimmer. Karen Blixen dekorierte es auf kenianische Art.

© K.R. Hoppe/Rungstedlund

„Ewalds Raum“ mit Ausblick auf das Wasser ist dem dänischen Dichter Johannes Ewald gewidmet, der im 18. Jahrhundert auf Rungstedlund eine Zeitlang wohnte als das Haus noch ein Gasthof war. Ewald ist der Verfasser der dänischen Nationalhymne. Später brachte dort Karens über alles geliebter und viel zu früh gestorbener Vater Wilhelm Dinesen seine Jagdbriefe zu Papier. Ewald’s Raum wurde auch Karens Arbeitszimmer, und sie schmückte ihn nach ihrer Rückkehr aus Afrika mit kenianischen Waffen und Schilden. Auf die Fensterbank stellte sie Fotos von Denys Finch Hatton.

Im „Grünen Raum“ auf der Gartenseite saß Karen, wenn die garstigen Winde vom Belt her gegen das Haus drückten und der eiserne Ofen mit den paradiesischen Motiven sie wärmte. Dort steht auch der Lieblingsstuhl von Denys Finch Hatton, in dem der Geliebte auf der afrikanischen Farm M’Bogani gern saß, wenn er wie immer unangekündigt von seinen Streifzügen zurückkehrte und Karen ihm ihre Geschichten vorlas.

Ein einziger kleiner Raum auf Rungstedlund ist allein ihren Bildern gewidmet. Guachen und Pastelle, die sie in Afrika von ihren Bediensteten malte, Blumen- oder Vogelstillleben. Karen Blixen war nicht nur eine wunderbare Schriftstellerin, sondern auch eine anrührende Malerin. In Kopenhagen hatte sie einst Kunst studiert.

Den Garten erklärte Karen Blixen zum Vogelschutzgebiet

Wir machen eine kleine Pause im Museumscafé, stärken uns mit leckeren Smörrebröds, stöbern ein wenig in den (auch deutschen) Büchern und Postkarten des gut bestückten Museumsshops und machen uns auf in den Garten. Die großzügige Anlage ist ein Hort für die heimischen Vögel. Ihnen fühlte sich Karen Blixen stets verwandt, seit sie mit Denys Finch Hatton in seinem Gipsy-Moth-Doppeldecker über die Savanne Kenias geflogen war.

Ganz in Grün. Karens Lieblingsraum auf der Gartenseite ihres Hauses.
Ganz in Grün. Karens Lieblingsraum auf der Gartenseite ihres Hauses.

© Jens Lindhe/Museum

Der beginnende Winter hat den Park fest im Griff. Die letzten Blätter in den riesigen Laubbäumen rascheln leise im Wind. Ein Pfad führt durch das Gelände, vorbei am See, über den eine kleine weiße Bogenbrücke zur Rückseite des Hauses führt und hin zum Bauerngarten hinterm Lattenzaun, aus dem Helen Olsen wie früher Karen Blixen die letzten blühenden Zweige pflückt. Ein paar robuste Rosen stehen noch, rosa Knallerbsen, Feuerdorn, die eine oder andere Dahlie und jede Menge Gräser.

Den gefiederten Freunden ist der Garten in erster Linie gewidmet. Karen Blixen erklärte ihn zum Vogelschutzgebiet. Ungezählte Vogelhäuschen hängen hoch in den Bäumen. Der Garten ist ihr Zuhause. Das hatte sich die Hausherrin von Rungstedlund gewünscht. Nein, das hier ist kein pusseliger Blumengarten, eher ein verwilderter englischer Park. Hier und da liegen umgestürzte Baumriesen. Und dort wo Wald und Gebüsch sich auftun zu einer Lichtung ruht schmucklos eine einfache Grabplatte unter den ausladenden Ästen einer gewaltigen Buche.

"Komm nicht so schnell zurück, aber komm"

Schneidender Ostseewind vom Öresund her streicht über die Inschrift KAREN BLIXEN und treibt die letzten trockenen Blätter fort. Die hier Ruhende war Zeit ihres Lebens eine große Gastgeberin für Menschen aus aller Welt. In Kenia bewirtete sie sogar Edward VIII., Prinz von Wales. Dichter, Physiker und Künstler besuchten sie später auf Rungstedlund.

Nun machen die Leserinnen und Leser (und Verehrer) ihre Aufwartung in Rungsted Kyst. Fast wie auf Zehenspitzen wandeln sie durch die anheimelnden Stuben, die so aussehen als habe Karen Blixen sie gerade erst verlassen. Sie erfreuen sich an den überall arrangierten Blumensträußen, bestaunen den orientalischen Paravent, den Karen aus Afrika mitbrachte und suchen nach Zeichen einer romantischen lange zurück liegenden filmreifen Liebe.

Einer Ausstellung nachgelassener Briefe von und an Karen Blixen ist ein weiterer Raum auf Rungstedlund gewidmet. „Amüsier’ Dich gut in Europa, komm nicht so schnell zurück, aber komm...,“ hatte ihr Denys Finch Hatton geschrieben, wenn sie mal wieder nach Dänemark zu ihrer Familie reiste. „Yours, Tanne“, schloss Karen ihre Zeilen.

Wintergeschichten im Salon

"Meine Kleidung ist Ausdruck meines Wesens", sagt Karen Blixen.
"Meine Kleidung ist Ausdruck meines Wesens", sagt Karen Blixen.

© Det Kongelige Bibliotek

ANREISE

Mit Air Berlin, Easyjet oder SAS nach Kopenhagen. Vom Flughafen startet alle 20 Minuten ein Zug nach Rungsted Kyst (Fahrtdauer: 50 Minuten), dann durch den Park zum Museum laufen oder mit dem Bus 388 bis Rungstedgaard.

ÜBERNACHTEN

in Kopenhagen zum Beispiel im Hotel Alexandra, Hans Christian Andersen Boulevard 8. Zentral gelegen, ab 99 Euro. Tel. : 00 45/33 74 44 44.

KAREN BLIXEN MUSEUM

Rungsted Strandvej 111, Rungsted Kyst, Telefon: 0045/45 57 10 57, geöffnet mittwochs bis freitags von 13 bis 16 Uhr und sonnabends/sonntags von 11 bis 16 Uhr. Aktuelle Ausstellung: „Blixen on stage“ (bis 31.Dezember 2015).

LEKTÜRE

„Tania Blixen in Rungstedlund“, Edition A. B. Fischer, Berlin 2015, 8,80 Euro, Tania Blixen: „Wintergeschichten“, btb Verlag, München 2013, 9,99 Euro.

AUSKUNFT

Visit Denmark, Hamburg, Telefon: 018 05/32 64 63 (kostenpflichtig).

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