zum Hauptinhalt
Begeistert auch Hollywoodregisseure: das einzigartige Stadtbild von Görlitz Foto: dapd

© dapd

Filmreife Touren: Kate Winslet und die Straßenbahn

Wer gern ins Kino geht, will auch reisen: zu den Drehorten dieser Welt. Doch auch in Deutschland kann man auf spannenden Filmspuren wandeln.

Am Ende dieses Jahres werden manche Londonbesucher durch Whitehall spazieren, den Kopf in den Nacken legen und zufrieden sagen: „Aha, auf diesem Dach stand also Daniel Craig!“ Denn in dieser Straße, irgendwo zwischen Trafalgar Square und Parliament Square, wurde doch gedreht für den neuen 007-Streifen „Skyfall“, der im November in die Kinos kommt. Fast immer starteten Bonds Abenteuer in der britischen Metropole – und Touristen können sich bei „Guided Tours“ ausgiebig an seine Spuren heften.

London bot für viele Filme die Kulisse, auch für den Fantasystreifen „Das Kabinett des Dr. Parnassus“ (2008) mit Heath Ledger. Der Schauspieler starb, bevor der Film fertig war. Ledgers letzte Szene wurde im Horseshoe Pub in Clerkenwell (East London) gedreht. Leider wurde die Traditionskneipe unlängst renoviert. Auf ihrer Website wirbt sie mit dem Satz: „Nun ist alles geschmackvoll, sauber und frisch.“ Filmfans, die bisher in Scharen zum Horseshoe Pub pilgerten, dürfte es gruseln...

Genau wie im Kino hingegen präsentiert sich das „Rosamunde-Pilcher-Land“. „Cornwall ist in Deutschland praktisch erst in den 90er Jahren durch die Pilcher- Verfilmungen im ZDF bekannt geworden“, sagt Silke Schmersahl vom Frankfurter Veranstalter British Travel Company. Eine Tour zu den Herz-und-Schmerz- Schauplätzen ist, individuell mit dem Auto unterwegs, ab 434 Euro für eine Woche zu buchen. Auch Dertour und Tui haben Pilcher-Reisen im Programm. „Das Nach-Erleben der Schicksale von Romanfiguren oder realen Personen, auf ihren Spuren zu wandeln und teilzuhaben an ihren Gefühlen, wirkt dann wie eine sehnsuchtsvolle Reise zu einem erfüllten eigenen Leben“, erklärt Klaus Burmeister, Mitdenker im Tui Think Tank.

Dertour hat für diesen Sommer eine Reise nach dem Motto „Schweden im Bild der Inga Lindström“ aufgelegt, denn die Schriftstellerin sei doch „das schwedische Pendant zu Rosamunde Pilcher“, heißt es bei dem Veranstalter. Die achttägige Tour beginnt in Stockholm und führt durch bilderbuchreifes „Lindström- Land“ zu Schlössern und Herrenhäusern (ab 1072 Euro).

Harry Potter ist ein Longseller – nicht nur beim Londoner Touristoffice. Tui bietet einen London Walk auf den Spuren des Zauberlehrlings an, bei dem man die legendäre Plattform 9 3/4 ebenso besichtigen kann wie die Diagon Alley (2,5 Stunden kosten 22 Euro pro Person). Die starke Nachfrage steigert das Angebot. Prompt hat Tui für diesen Sommer eine Zusatztour mit dem Titel „The Making of Harry Potter“ aufgelegt, bei der die etwas außerhalb gelegenen Warner Bros. Filmstudios in Leavesden besucht werden (Dauer rund sechs Stunden, 69 Euro).

Wo bleibt Kate Winslet?

In aller Welt wurden und werden Filme gedreht – und entsprechende Touren angeboten. So kann man sich in New York durch die Welt von „Sex and the City“ führen lassen und dabei eine „Manolo-Blahnik-Boutique“ stürmen. Eine Walkingtour „Manhattan Movie“ führt an Drehorte wie „Der Teufel trägt Prada“, „Men in Black“ oder „Spiderman“ (Tui Weltentdecker). In Thailand kann man den legendären „Bond-Felsen“ aus dem Film „Der Mann mit dem goldenen Colt“ besichtigen, in Neuseeland dem Kult um den „Herrn der Ringe“ nachspüren oder im Del Coronado in San Diego nachschauen, wie viel sich verändert hat im Hotel seit 1958 und der Komödie „Manche mögen’s heiß“.

Wer weite Reisen scheut, wird durchaus auch in Deutschland fündig. Allein in Berlin und Brandenburg werden jährlich rund 300 Filme gedreht. Auch Görlitz liegt nah. Die Stadt an der Neiße hat sich längst zur Filmstadt gemausert. „In den vergangenen Jahren war’s geballt“, sagt Kai Grebasch, Leiter des Stadtmarketings. Im November erst drehte Detlev Buck hier Szenen für den Streifen „Die Vermessung der Welt“ nach dem Bestseller von Daniel Kehlmann. Der Film in 3-D kommt Ende dieses Jahres in die Kinos. Auch das Buch von Uwe Tellkamp „Der Turm“ wurde im vergangenen Jahr in Görlitz verfilmt, wird aber 2012 nun doch nicht im Kino, sondern nur im Fernsehen gezeigt.

Inzwischen bleiben die Görlitzer angesichts immer neuer Absperrbänder, Cateringbussen und kostümierter Mimen gelassen, aber von Kate Winslet schwärmen noch viele. Die stand hier für den Film „Der Vorleser“ (2008) vor der Kamera. Damals hatte sich Görlitz in Heidelberg verwandeln müssen, so wie es kurz vor und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg aussah. „Die brauchten eine Straßenbahn, die mitten durch die Stadt fährt“, erzählt Kai Grebasch, und wo gebe es das noch in Deutschland? Lange 14 Drehtage weilte die prominente Crew in Görlitz. Auch in „Inglorious Basterds“ (2009) von Quentin Tarantino hat die Stadt eine Rolle gespielt. „Am Schluss wurde, sozusagen im Film, ein Propagandastreifen im Kino gezeigt, und was darauf zu sehen war, wurde zuvor in Görlitz gedreht“, sagt Grebasch, immer noch hörbar begeistert.

Vom Frühjahr an will die Neiße-Stadt „Film-Spaziergänge“ anbieten. „Da werden dann auch Ecken und Winkel gezeigt, die abseits der touristischen Trampelpfade liegen“, sagt er. Man sei gespannt, wie die Nachfrage sei. Denn die Stadt hat ja sowieso so viel zu bieten. „800 Jahre Baugeschichte und 4000 Einzeldenkmale“, sagt Grebasch. Ob da noch Platz für Filmgeschichten ist?

Im Kloster Eberbach im Rheingau bei Eltville hat man sich dagegen perfekt auf Menschen eingestellt, die auf Filmspuren wandern wollen. „Selbst nach so vielen Jahren fragen die Menschen immer noch nach den Orten für den Streifen ,Im Namen der Rose‘ “, sagt Mitarbeiterin Gabriele Roncarati. Da brauche man die Suchenden eigentlich nur hereinzubitten, denn sämtliche Innenaufnahmen für den Film nach Umberto Ecos Roman wurden im Kloster Eberbach gedreht. Auch für den Film „Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“ (2009) wurden hier Kameras aufgestellt. Warum ausgerechnet in diesem Kloster? „Bei uns sind noch originale Gebäudeteile aus dem 12. Jahrhundert“, sagt Gabriele Roncarati, das sei einmalig in Europa.

Ein gelungener Film hilft auch dem Ort, an dem er – zumindest in Teilen – entstanden ist. In Schottland hatten sie sich deshalb sehr auf „Skyfall“ gefreut. Duntrune Castle, malerisch und düster über Loch Crinan gelegen, schien doch perfekt für eins der verrückten 007-Abenteuer. Dann wurde der Dreh kurzfristig abgesagt. Vielleicht werden einige der rustikalen Cottages später doch noch an Bond-Fans vermietet. Weil sie sich am Ort überlegen wollen, hinter welcher Zinne der Agent hätte lauern können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false