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Friedrich Wilhelms Traum. Der König, er starb 1861, erlebte die Einweihung der Burg nicht mehr. Dabei hatte Baumeister Friedrich August Stüler all seine Wünsche erfüllt. Foto: Visum

© Aufwind-Luftbilder / VISUM

Hohenzollern: Mehr Türme für Preußen

Die Burg Hohenzollern wirkt mittelalterlich, entstand aber erst 1867. Das bizarre Gebilde gefällt bis heute – 280.000 Besucher kommen in jedem Jahr.

Was für ein Anblick! Stolz thront die Burg Hohenzollern auf ihrem Berg. Ein Dutzend Türme und Türmchen strebt dem Himmel entgegen. Sie krönen mächtige Wohngebäude, die ineinander verschachtelt sind, als müssten sie einander schützen. Die ganze Burg ist umgeben von Wehranlagen mit Basteien und unendlich vielen Zinnen. „Romantisch“, kommt dem Betrachter in den Sinn. Und dann rauscht die U-Bahn der Linie 3 ein. Das Bild der Burg verschwindet.

Großformatige Fotos der Hohenzollern-Burg, Gesamtaufnahmen aus allen Himmelsrichtungen, Skizzen und Bauzeichnungen schmücken die Wände im Berliner U-Bahnhof Hohenzollernplatz. Er ist einer der schönsten U-Bahnhöfe der Stadt. Architekt des zwischen 1909 und 1915 erbauten Bahnhofs ist Wilhelm Leitgebel, ein Wilmersdorfer Stadtbeamter. Die markanten Burgbilder wurden erst 1985 angebracht.

Szenenwechsel: Den wohl schönsten Blick auf das Burg-Original bietet das Zeller Horn, ein 912 Meter hoher Berg der Schwäbischen Alb. Wer hier steht, wo sich zahlreiche Wanderwege kreuzen, befindet sich mit der gegenüberliegenden Burg Hohenzollern auf einer Höhe. „Die Burg ist eine Ausgeburt der Romantik“, gibt Anja Hoppe, promovierte Kunsthistorikerin und Geschäftsführerin der Burgverwaltung, lachend zu. „Sie ist eine Showburg, nichts anderes.“ Die wenigsten der 280 000 Besucher im Jahr empfinden das allerdings so. Für die meisten ist der Gebäudekomplex, der aus der Nähe wesentlich kleiner wirkt als aus der Ferne, eine typisch mittelalterliche Burg. Dabei stammt nur ein Teil der Michaelskapelle aus dem 15. Jahrhundert, alle anderen Bauten entstanden in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Aus heutiger Sicht betrachtet ist es die dritte Burg auf dem Berg Zoller im Albvorland. Die erste, die Mönch Berthold im Kloster Reichenau 1061 zum ersten Mal in seiner Weltchronik erwähnte, wurde Anfang des 15. Jahrhunderts zerstört. Der Nachfolgebau, mit dem Graf Jost Niklas von Zollern 30 Jahre später begann, geriet größer und mächtiger. Im Dreißigjährigen Krieg noch weiter verstärkt, galt sie als uneinnehmbar. Doch schwedische und württembergische Truppen hungerten die Besatzung aus. 1634 musste die Burg dem Feind kampflos übergeben werden.

Gut einhundert Jahre, von 1667 bis 1771, nutzen die Österreicher sie als Militärfestung. Bereits damals aber begann der Verfall. Als der preußische Kronprinz und spätere König Friedrich Wilhelm IV. die Stammburg seiner Vorfahren 1819 besuchte, bot sich ihm ein zwar romantisches, aber überaus trauriges Bild: Die Burg war nur noch eine Ruine. Der Kronprinz entschloss sich zum Wiederaufbau. Doch dauerte es Jahrzehnte, bis er seinen ehrgeizigen Plan realisieren konnte. Nicht zuletzt mussten die komplizierten Eigentumsverhältnisse geklärt werden.

1846 einigten sich die Hohenzollern- Zweige auf einen Vertrag zum Wiederaufbau der Stammburg. Die Preußen waren die treibende Kraft beim Neubau. Geltungsbedürfnis war laut Stefan Schmidt-Lawrenz vom Hohenzollerischen Landesmuseum in der früheren Residenzstadt Hechingen dafür das Motiv: „Sie wollten ganz Europa damit dokumentieren: Wir sind uralter Adel. Schaut her – das ist unsere Stammburg!“ Preußens Königshaus verpflichtete sich, die Burg zu zwei Dritteln zu bezahlen. Die schwäbischen Fürstenhäuser übernahmen das verbleibende Drittel. „So sind die Besitzverhältnisse heute noch“, erklärt Anja Hoppe, „die Burg ist nach wie vor in Privatbesitz.“ Die derzeitigen Burgherren sind das Oberhaupt des preußischen Zweigs der Hohenzollern, Georg Friedrich Prinz von Preußen sowie Karl Friedrich Erbprinz von Hohenzollern, Sohn des heute 84-jährigen Clanchefs der Sigmaringer Linie, Friedrich Wilhelm Fürst von Hohenzollern. Sie handeln nach dem Grundsatz: Was die Burg erwirtschaftet, wird wieder in sie hineingesteckt. Hoppe: „Sie ist eine immerwährende Baustelle.“

Der Denkmalschutz, der für die gesamte Burganlage gilt, verteuert alle Restaurierungs- und Verschönerungsarbeiten. Sturm- und Erdbebenschäden kosten mitunter viel Geld, denn Zoller und Burg liegen auf dem Zollerngraben, einem der intensivsten Erdbebengebiete Europas. Das letzte große Beben verursachte 1978 Millionenschäden an der Burg.

Es war der preußische Baumeister Friedrich August Stüler, der Friedrich Wilhelms Traum einer mittelalterlichen Burg realisierte. In zwei Jahrzehnten schuf er ein bizarres Gebilde im neugotischen Stil. Die Einweihung am 3. Oktober 1867 hat der König nicht erlebt, er starb bereits 1861. Aber halb Europa nahm Anteil am Baugeschehen. „Die damals modern gewordenen Lithografien trugen das Bild der Burg in die Welt hinaus“, erklärt Schmidt-Lawrenz. Die Lithografien des Neubaus, „noch um ein paar Türme ergänzt“, lösten seinerzeit einen regelrechten Reiseboom aus. Es war der Beginn des Tourismus im Zollern-Land.

Die neue Burg war jedoch niemals Residenz. Nur einmal wurde das sogenannte Schlaf- und Ankleidezimmer des Königspaares von einem Mitglied der Dynastie benutzt: von Friedrich Wilhelm Victor August Ernst von Preußen, Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen, so der offizielle Titel, als dieser 1945 nach Kriegsende für fünf Monate auf der Burg interniert war. Der „Grafensaal“ ist der prächtigste und größte Raum. Mit seinen freistehenden Säulen und dem Kreuzrippengewölbe erinnert er an einen Sakralraum. Die Seitenwände stehen am Ende enger beieinander, damit der Saal länger wirkt. Bleiben noch der Grafensaal, die Bibliothek, das Markgrafenzimmer, der Blaue Salon, die Empfangsräume der Königin – allesamt Schauräume, nicht mehr und nicht weniger. Louis Ferdinand Prinz von Preußen ließ sie in den 50er Jahren mit wertvollen und zum Teil historisch bedeutenden Gegenständen zur Geschichte Preußens und des Herrscherhauses ausstatten: Gemälde, kostbares Porzellan, Gold- und Silberschmiedearbeiten.

Überall stehen Fotografien von Mitgliedern der kaiserlichen Familie. Die Schatzkammer beherbergt die legendäre Tabakdose Friedrichs des Großen, die ihm 1759 in der Schlacht bei Kunersdorf gegen das österreichisch-russische Heer das Leben gerettet hat. Glanzstück der Schatzkammer ist die preußische Königskrone, die Kaiser Wilhelm 1889 anfertigen ließ.

„Eine deutsche Kaiserkrone hat es nicht gegeben“, erklärt Hildegard Buckenmayer, seit 2001 Führerin auf der Burg, den Besuchern. In der Saison arbeitet sie mit 60 bis 80 Kolleginnen und Kollegen. Die Burg ist jeden Tag im Jahr geöffnet, bis auf eine Ausnahme: Heiligabend. Sonderführungen sind in vielen Sprachen möglich. Audio-Guides werden nicht eingesetzt: „Wir wollen den familiären Charakter erhalten“, versichert Hildegard Buckenmayer.

Die Burg existiert weiter – vom Geld der Besucher. Deshalb werden die Gäste auch gleich mehrfach zur Kasse gebeten. Autofahrer zahlen für den Parkplatz auf halber Höhe des Zoller, für den Bustransfer hinauf zur Burg und natürlich für den Eintritt. Letzterer schließt weder die Besichtigung der Innenräume noch eine Führung ein. Die wird gegen Aufpreis angeboten.

Einen Blick in die historische Michaelskapelle darf allerdings jedermann riskieren. Die bleiverglasten Fenster aus dem späten 13. Jahrhundert haben Belagerung und Plünderung, Beschuss und Erdbeben unbeschadet überstanden. Sie stammen aus der Klosterkirche Stetten bei Hechingen und wurden erst im 19. Jahrhundert hier angebracht. Da die zwei Hohenzollern-Linien verschiedenen Religionen angehören, gibt es auf der Burg die katholische Kapelle sowie die protestantische, neugotische Christuskapelle. Von 1952 bis 1991 standen hier die Särge von Friedrich dem Großen und seinem Vater, dem Soldatenkönig, bis sie nach Potsdam zurückkehrten.

Tabu sind für zahlende Besucher die schlichten Räume im Obergeschoss des Hauptgebäudes. Dort wohnen die jungen Gäste der Prinzessin-Kira-Stiftung. Die Ehefrau von Louis Ferdinand Prinz von Preußen, die frühere russische Großfürstin Kira Kirillowna aus dem Hause Romanov, hatte 1952 die Stiftung gegründet, um bedürftigen Kindern und Jugendlichen Ferien zu ermöglichen. Die ersten Kindergruppen kamen 1954, aus Berlin. „Wer als Kind einmal hier war, kommt als Erwachsener mit seinen Kindern wieder hierher“, sagt Burgverwalterin Anja Hoppe zufrieden.

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ANREISE

Die Burg Hohenzollern liegt oberhalb von Hechingen auf der Schwäbischen Alb, zwischen Stuttgart und dem Bodensee. Sie kann mit dem Auto über die A 81 (Stuttgart / Singen, Ausfahrt Empfingen) oder die B 27 (Ausfahrt Hechingen Süd, Burg Hohenzollern) erreicht werden. Zugverbindungen bestehen bis Hechingen. Beste Verbindung ab Berlin: einmal umsteigen in Stuttgart.

ÜBERNACHTUNG

Am Fuße der Burg liegt das Hotel Brielhof (Hechingen, Telefon: 074 71 / 988 60, Internet: www.brielhof.de).

Einzelzimmer kosten hier ab 54 Euro, Doppelzimmer ab 78 Euro. Das Arrangement „Geschichte“ mit zwei Übernachtungen mit Halbpension und Eintritt zur Burg kostet 124,90 Euro pro Person im Doppelzimmer.

AUSKUNFT

Tourismusbüro Hechingen; Telefon: 074 71 / 94 02 11; mehr zum Angebot der Schwäbischen Alb beim Tourismusverband, Telefon: 071 25 / 94 81 06

Horst Schwartz

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