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Bayern wie im Bilderbuch: Der Isarradweg schlängelt sich durchs Grün wie hier bei Wolfratshausen.

© Uta und Horst Kolley/mauritius images

Isarradweg: Von Tirol bis nach Niederbayern

Durch österreichische und bayerische Landschaften führt die Tour entlang des Flusses. In Plattling ist Schluss. Dort mündet "die Reißende" in der Donau.

Da schau her, ist der Bayer versucht zu sagen, um erstaunt festzustellen, dass die vermeintlich „volkseigene“ Isar gar nicht auf Stammesgebiet, sondern in Österreich das Licht der Welt erblickt. Gebirgig ist die Tiroler Welt zwischen Wettersteingebirge und Karwendel. Als flach dahineilendes Gewässer, sprudelnd und gurgelnd, weiß aufgeschäumt an den Rändern von Gesteinsbrocken und Kiesbänken, hat Isaria, keltisch für „die Reißende“, ihr hell in der Junisonne gleißendes Bett überraschend breit ausgespült. Eine Augenweide ist ihre Farbe, ein fast übernatürlich klares Türkis, in seidigen Pastelltönen schimmernd wie frisch aufgebrochenes Gletschereis.

Wer die Isar nur in München kennt, als noch bis ins Jahr 2000 stark reguliertes Gerinne, das inzwischen im Dienst des Hochwasserschutzes mit einem Kostenaufwand von 350 Millionen Euro naturnah rückgebaut und vom allzu starren Uferkorsett befreit wurde, findet ihre Erscheinung im Oberlauf faszinierend.

Ein erfrischendes Rauschen begleitet uns entlang der Hinterautalstraße, das beim Eintauchen in den Hangwald immer leiser wird. Moderat ansteigend geht es zur Scharnitzer Alm und weiter den Forstweg hinauf. Hin und wieder öffnet sich der Ausblick auf steil abfallende Felswände, und nach rund 100 Höhenmetern liegt die Isar schon als stummer türkisfarbener Strich im Tal. Gleich darauf führt der Weg wieder hinunter, zieht der Fluss um Armesbreite an den Pedalen vorbei, knirscht der Schotter lässig unter den Reifen. Eine leicht Brise weht uns entgegen.

Erhalten durch Aufessen

Über Schotterpisten trocken gefallener Bäche setzt sich der Weg zur Kastenalm etwas beschwerlicher fort, aber angesichts der urigen Wirtschaft am Ende des Hinterautals lohnt sich die Mühe, nicht zuletzt wegen der seltenen Gewächse am Rand der Weiden, darunter anemonenartige Silberwurz und ein noch von der Frühjahrsblüte übrig gebliebener Enzian in prachtvollem Königsblau.

Als blaues Band rauscht der Fluss von Scharnitz nach Mittenwald, begeh- und befahrbar als „Isarpromenade“. Wir passieren Gatter und Weidezäune, umkurven respektvoll einige Rinder der bedrohten Haustierrasse Murnau-Werdenfelser. Sie halten den Bewuchs an der Schnittstelle zum ökologisch wertvollen Kiesufer und zu den Kiesbänken niedrig, sodass gefährdete Pflanzenarten und Vögel wie Flussregenpfeifer und Strandläufer dort ein selten gewordenes Refugium finden.

„Erhalten durch Aufessen“ lautet das auf den ersten Blick widersprüchliche Motto von Jürgen Lochbihler, Wirt auf dem Münchener Viktualienmarkt, der das Fleisch der Murnau-Werdenfelser im Restaurant „Der Pschorr“ als ökologisch einwandfreies Tellergericht vermarktet.

Die Pupplinger Au ist ökologisch besonders wertvoll

Auf der Deutschen Alpenstraße präsentiert sich der Sylvensteinspeicher als Höhepunkt und vermeintlicher Gletschersee. Tatsächlich ist es ab Mitte des 19. Jahrhunderts gelungen, die Isar über rund 150 Jahre in ein Korsett aus Staudämmen, Wehren und Uferbefestigungen zu zwängen. Seit geraumer Zeit versucht man, die künstlich auferlegten Hindernisse zumindest in Abschnitten wieder in ein passendes Verhältnis zum Charakter der Isar als Gebirgsfluss zu setzen.

Bad Tölz, neben Mittenwald Inbegriff oberbayerischer Reinkultur, stellt sich auf dem Radweg von Lenggries her so gemächlich ein, dass die 18.000-Einwohner-Stadt schon Teil der Flusslandschaft zu sein scheint: In den Auen chillen junge Leute und Familien, und auf den Kiesbänken am Wasser hat sich angesichts der drückenden Hitze Strandbadatmosphäre breitgemacht.

Die historische Marktstraße, gespickt mit Lüftlmalereien an den Fassaden barocker Bürgerhäuser, mutiert zum Strandkiosk mit überdimensionaler Eis- und Kuchentheke. Bei Wolfratshausen, bereits im S-Bahn-Bereich Münchens gelegen, durchquert der Isarradweg die Pupplinger Au. Neben Oberlauf und Mündungsgebiet der Isar gilt sie als ökologisch besonders wertvoll. Eine Alternative zu den typisch bayerischen Biergarten-Schmankerln ist das „Landhauscafé“ mit hausgemachten, auch veganen Spezialitäten.

Freising, das "geheime Herz Altbayerns", ist trotz seiner Nähe zum Flughafen beschaulich

Forellen-Einkehr.
Forellen-Einkehr.

© Uta und Horst Kolley/mauritius images

Wälder und Auen spinnen die Isar bei Freising in dichtes Grün. Die Aussichtsterrasse des Belvedere auf dem Domberg eröffnet einen weiten Blick bis zu den Alpen und über die Mooslandschaft. Freising, auch „geheimes Herz Altbayerns“ genannt, liegt in hektischer Flughafennähe und ist dennoch erstaunlich beschaulich. Gegründet um 700 nach Christus von agilolfingischen Herzögen, damit rund 400 Jahre älter als München, wird Freising 739 Bischofsstadt.

Entlang der intakten Wallanlagen durch die Gassen Mittlerer und Oberer Graben zeigt sich an sanierten Altbauten, gepflegten Kletterrosen und einigem Bürgerprotest gegen die dritte Startbahn ein sympathisches Freising, das sich den Naturschutz auf die Fahnen geschrieben hat.

Die Vogelfreistätte Mittlere Isarstauseen ist ein Schutzgebiet von europäischem Rang

Auf dem Fluss treibt Totholz durch die sonnige Marzlinger Au mit ihren bunt gesprenkelten Wiesen; gelbe Schwertlilien leuchten an mündenden Bächen und Flüssen. Bei Oberhummel führt ein Abstecher aus der Aue zurück an die Isar, während die Tour auf diesem Streckenabschnitt als Dammhinterweg verläuft. Aus gutem Grund, denn hier entsteht ein neuer Schutzraum für seltene Pflanzen und Tiere.

Im Wechsel links und rechts der Isar, teils quer durch die Felder, wenn man das Kraftwerk Uppenborn weiträumig umfährt, tritt der Kontrast zwischen domestiziertem und naturbelassenem Fluss in sämtlichen Abstufungen überdeutlich und teils auch spannend gruselig vor Augen: Uferbefestigungen, Kanäle und schnurgerader Verlauf einerseits, dazu Mäander, flache Ufer und weitläufige Auen andererseits.

Die Vogelfreistätte an den Mittleren Isarstauseen wurde als Biotop von Menschenhand angelegt und gilt als Schutzgebiet von europäischem Rang. Gerade hat ein Pärchen Gänsesäger-Enten das neue Nest eingeweiht, sehr zur Freude einiger mit Fernglas ausgestatteter Ornithologen.

An der Mündung lässt sich gemütlich ein Tag verbummeln

Inzwischen haben wir Landshut entlang der Mühlinsel mit Blick auf Burg Trausnitz passiert und die Wasserdampfwolke des Kühlturms von Ohu von Weitem und aus der Nähe betrachtet, vorbei am Stausee Altheim. Dingolfing und Plattling heißen die letzten Stationen auf dem Weg ins Mündungsgebiet, wo die „Reißende“ so unspektakulär in die Donau fließt, als könne sie kein Wässerchen trüben.

An der Isarmündung lässt sich gemütlich ein Tag verbummeln, macht sportliche Dynamik Platz für neugieriges Erkunden. Ein Rundweg führt vom Infohaus Maxmühle aus zum letzten Flussabschnitt. Die Strömung ist enorm, eine Möwe steht über dem Fluss im Wind. Rundherum dehnt sich ungehemmte Wildnis, könnte man meinen, denn der Verkehrslärm der Autobahn, die direkt entlang der Donau verläuft, dringt nicht bis hierher.

Am Aussichtsturm rauscht eine frische Brise durch Weiden und Pappeln, ein Halsband-Schnäpper klettert durchs Geäst, und drüben am anderen Ufer recken sich Baumskelette pittoresk in den weiß-blauen Himmel, dazu ein Rauschen, breit hingelagert über den Fluss, der entlang einer schmalen Landzunge und kurz vor der Mündung noch einmal befreit aufzuatmen scheint.

Tipps für den Isarradweg

ANREISE

Die Bahnfahrt von Berlin bis Mittenwald, Start der meisten Radtouren an der Isar, dauert rund neun Stunden.

UNTERKUNFT + EINKEHR

Hilde’s Heim in Scharnitz, Pension direkt an der Hinterautalstraße zu den Isarquellen.

Neu Wirt, ansprechender Hotel-Gasthof mit Biergarten in Gelting.

Landhauscafé, Hotel und Gasthof in Wolfratshausen, regionale, auch vegane Gerichte.

Der Pschorr, München: Tellergerichte vom Murnau Werdenfelser Rind und vom Archehof Schlickenrieder.

Hotel Bayerischer Hof in Freising.

Hotel Goldene Sonne in Landshut.

PAUSCHALEN

Zahlreiche Veranstalter bieten Touren auf dem Isarradweg an. Eine sechstägige startet zum Beispiel in Mittenwald und endet in Plattling. Im Preis ab 309 Euro pro Person im Doppelzimmer sind fünf Übernachtungen mit Frühstück, Kartenmaterial, Lenkertaschen und mehr inbegriffen. Zu buchen bei Sportive Reisen (Feuer und Eis Touristik GmbH), Rottach-Egern, Telefonnummer: 080 22/ 66 36 40.

Ebenfalls in Mittenwald beginnt die gut 300 Kilometer lange Isartour, organisiert von Bayern-Radtour. Tagesetappen 45 bis 65 Kilometer. Kostenpunkt: ab 260 Euro pro Person im Doppelzimmer. Telefonnummer: 091 79/946 77 30.

AUSKUNFT

Isarradweg.de

Sigrid Merkl

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