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Eingeborene entdecken Eroberer – eine Skupltur des Litauers Andrius Petkus am Kai von Warnemünde.

© Bernd Wüstneck, picture alliance

Warnemünde: Figuren voller Fantasie

Künstler bauen die „Warnemünder Sandwelt“. Die Skulpturen sind bis Ende Oktober am Pier 7 in Rostock-Warnemünde zu bestaunen.

Kolumbus blickt irgendwie schon sehr erhaben. Das nützt ihm allerdings nichts. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Sein linker Zeigefinger liegt zwar, wie die ganze Hand, auf der Brust, perfekt in der Länge, perfekt auch in der Struktur. Das Problem ist, dass er einzig für die Betrachter, die seinem Schöpfer Sergey Tselebrovskyi zuschauen, makellos ist. Für den Russen selbst hingegen nicht. Der ist schließlich renommierter Bildhauer, sogar Weltmeister im Bereich Eisskulpturen war er mal.

Der Pedant greift immer wieder zum Spachtel, kratzt vorsichtig am Zeigefinger seiner Figur, schabt Sandkörner ab, geht ein paar Zentimeter zurück und begutachtet eindringlich sein Werk. Sein Blick sagt alles: nicht gut. Dann widmet er sich wieder dem Finger. Das kann noch dauern. Sergey hat sich mit Kolumbus ein kompliziertes Motiv ausgesucht und modelliert es nun quasi in einen vier Meter hohen Sandberg hinein.

Wie sehr oft im Sommer liegt wieder einmal ein riesiges Kreuzfahrtschiff am Kai von Warnemünde. Passagiere gehen von Bord, viele von ihnen bleiben vor dem Kolumbus-Kunstwerk stehen. Wenn Sergey jetzt gedankenverloren vier Meter nach vorne ginge, plumpste er von Pier 7 ins Wasser. Der Kreative aus Moskau ist einer der neun Künstler aus aller Welt, die bei der „5. Warnemünder Sandwelt“ fantastische Motive in zusammengepresste Sandhaufen zaubern; in diesem Jahr orientiert am Thema: „Entdecker der Welt“. „Man soll die Welt schließlich aus verschiedenen Perspektiven entdecken“, sagt Ausstellungsleiter Othmar Schiffer-Belz, ein Mann, der einen grauen Schnauzer trägt und seine Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen hat.

Bei Andrius Petkus, dem Litauer, frisch gekürter Weltmeister im Sandskulpturenbau, und seiner niederländischen Kollegin Susanne Ruseler ist die Motivlage anders: Eingeborene entdecken eine fremde Welt, die ihnen in Gestalt von Seefahrern bedrohlich nahe kommt. Nachdenkenswert, und eine richtig kniffelige Arbeit für die Sand-Artisten.

Ein Auge für das richtige Maß

Die in Warnemünde versammelten Bildhauer haben zehn Tage lang geschabt und geformt. Nun müssen die Werke bis Oktober am Pier 7 halten. Werden sie wohl auch. 400 Tonnen Rohmaterial standen zur Verfügung, spezieller Sand aus ungebrochenem Korn, der sich gut „verhakt“, wenn er gepresst und angefeuchtet wird. Herangekarrt aus einem Kieswerk im brandenburgischen Niederlehme. Der Sand wurde mit einem Stampfer stark verdichtet und durch Holzverschalungen, die nach oben kleiner werden, in Rechtecken gehalten.

Der Schöpfer und das Werk: Bildhauer Sergey Tselebrovskyi und sein Kolumbus aus Sand.
Der Schöpfer und das Werk: Bildhauer Sergey Tselebrovskyi und sein Kolumbus aus Sand.

© Frank Bachner

Die Künstler arbeiten stufenweise von oben nach unten, sie nutzen die Schalungen als Stufen. Ist ein Teil fertig, wird eine Stufe abgebaut. „Die Kunst dieser Kollegen“, sagt Schiffer-Belz, selber Künstler, „besteht darin, dass sie die Proportionen und gleichzeitig die Details gestalten müssen.“ Sie steigen nicht jede Minute herab und begutachten ihr Werk, sie haben alles im Gefühl. Vor diesem Hintergrund sind ihre Werke wahrlich bewundernswert.

Aber es sind ja schließlich quasi handverlesene Künstler. Sie mussten sich mit Entwürfen bewerben, Schiffer-Belz wählte dann sorgfältig aus. Andererseits: Man kennt sich natürlich in der Szene. Die Stars erhalten Reisekosten, Unterkunft, Verpflegung und, ganz wichtig, „ein nicht ganz unerhebliches Honorar“ (Schiffer-Belz). Höhe: vierstellig. Finanziert wird alles von einem Unternehmen, das auf Pier 7 Maritimes verkauft.

Wer mehrfach in Warnemünde modellieren darf, zählt zur Elite der Zunft. Tselebrovskyi war schon drei Mal dabei. Er genießt die frische Luft und nach Möglichkeit die Ruhe beim Arbeiten. Der gesellige Teil beginnt für ihn am Abend. Denn auf einen Punkt besteht er: Für ihn muss immer eine Gitarre bereit liegen.

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