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Faszinierende Mattglasobjekte zeigt Anu Penttinen in ihrer Galerie nounoudesign im Design District.

© Rolf Brockschmidt

World Design Capital: Helsinki: Identität durch Gestaltung

Helsinki, eine der am schnellsten wachsenden Städte Europas, feiert 200. Geburtstag und ist in diesem Jahr „Welthauptstadt des Designs“.

„Wir haben Design in unserer DNA“, sagt Laura Aalto voller Stolz, „Design ist für das Wohlbefinden der Menschen da und nicht für eine Elite.“ Selbstbewusste, klare Worte. Laura Aalto ist Marketing- Direktorin von „World Design Capital Helsinki 2012“. Ein Titel, den die finnische Hauptstadt gemeinsam mit den Städten Espoo, Vantaa, Kauniainen und Lahti knapp gegen Eindhoven gewonnen hat und der alle zwei Jahre vom International Council of Societies of Industrial Design (ICSID) vergeben wird. Turin und Seoul waren die Vorgänger, Kapstadt wird 2014 folgen. 25 Prozent der Jobs finden sich in der kreativen Industrie in mehr als 800 Betrieben.

Doch Design ist für die Finnen mehr, als nur schöne Objekte zu kreieren und schöne Kleidung zu schneidern. Design bestimmt das ganze Leben im Land. „Wir haben keine große Vergangenheit und heute ist es besser als es jemals war, daher ist die Zukunft das Interessante“, sagt Pekka Timonen, Direktor von WDCHelsinki2012, der die finnische Hauptstadt gerne als eine Design- orientierte Stadt bezeichnet. Gestalten für jedermann, nicht nur im Objektbereich, sondern auch in den sozialen Diensten, in der Öffentlichkeit, in der Stadtentwicklung. Und das möchte man gerne zeigen. Überall in der Stadt sieht man den blauen Punkt mit dem Logo. Helsinki ist die am schnellsten wachsende Stadt Europas, der Hafen wurde soeben erst verlegt und 135 Kilometer Wasserlinie sollen für 50 000 neue Bewohner bebaut werden, die man so an der Stadtflucht hindern will.

Doch wie kann der Tourist an so einem stadtbezogenen, interaktiven Projekt wie World Design Capital teilhaben? Eine Anlaufstelle ist das Designmuseum in Helsinki, 1875 gegründet und somit das älteste der Welt. Schon vor der Erlangung der nationalen Unabhängigkeit suchten die Finnen ihre eigene Identität durch Gestaltung. Das bekommt man im Erdgeschoss eindrücklich gezeigt, der finnische Jugendstil mag deutsch inspiriert sein, ist aber etwas Eigenes, was die nationalen Mythen der Kavela und der Folklore Kareliens einbezieht.

Nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs beginnt der Wiederaufbau in dem Agrarstaat, und spätestens jetzt begreift man, dass die Ikonen finnischen Designs tatsächlich Gegenstände des Alltags sind, Kaffeegeschirr von Kaj Franck, Vasen von Aalto für iittala und Kleidung im fröhlichen Design von marimekko. Im Obergeschoss ist noch bis 6. Mai in der Ausstellung „Design World“ zu sehen, was international zurzeit im praktischen Sinn angesagt ist.

Das Architekturmuseum, ebenfalls eines der ersten weltweit, lohnt einen Besuch, um die Entwicklung einer eigenständigen finnischen Architektur zu studieren. Auch hier sieht man Beispiele der Nationalromantik aus der Zeit um 1900, aber vor allem die Entwicklung der funktionalen Architektur im Dienste einer demokratischen Gesellschaft.

Ein besonderes Projekt sind die sogenannten Font Walks, die am 25. April starten. Die Napa Galerie veröffentlicht eine Wanderkarte, mit deren Hilfe man die Stadt durchstreift und dabei für allerlei Schriftarten sensibilisiert wird, die das Leben im öffentlichen Raum bestimmen. Jeder sieht sie, doch keiner nimmt sie als Design im Dienst des öffentlichen Lebens wahr. Das Ziel der Entdeckungsreise der Grafikdesignerin Camilla Pentti wird nicht verraten.

Offenes Helsinki - Design in das Leben integrieren

„Secrets of Helsinki“ ist ein Pavillon, in dem Kunsthandwerker und Designer im Juni ihre bisher vor der Öffentlichkeit verborgenen Talente präsentieren. Im Mai und Juni zeigt die „Index Award Exhibition“ in zehn Ausstellungskuben in der Stadt Highlights des dänischen Designs.

Unter dem Motto „Offenes Helsinki – Design in das Leben integrieren“ gibt es mehr als 300 Projekte und Veranstaltungen. Zentraler Ort des Themenjahres wird ein hölzerner Pavillon zwischen Architektur- und Designmuseum sein, in dem vom 12. Mai bis zum 16. September Diskussionen, Workshops und andere Veranstaltungen stattfinden werden – eine Infobörse für Designliebhaber. Eingebettet in das Jahresthema ist die Helsinki Design Week 2012, die vom 6. bis zum 16. September stattfindet.

100 Jahre finnisches Kunsthandwerk und Design werden vom 16. Juni bis zum 5. August in der Kunsthalle präsentiert: „Hands That Draw the Future“. Die Vereinigung der finnischen Designer Ornamo gestaltet diese Show und zieht Bilanz.

Neuer Stil. Im Design District Helsinki im ehemaligen Arbeiterviertel Punavuori finden sich mehr als 200 Galerien, Boutiquen und angesagte Cafés und Restaurants. Auch der Shooting-Star der finnischen Independent-Mode, Paola Suhonen mit dem Label Ivana Helsinki, hat hier einen Laden.
Neuer Stil. Im Design District Helsinki im ehemaligen Arbeiterviertel Punavuori finden sich mehr als 200 Galerien, Boutiquen und angesagte Cafés und Restaurants. Auch der Shooting-Star der finnischen Independent-Mode, Paola Suhonen mit dem Label Ivana Helsinki, hat hier einen Laden.

©  Rolf Brockschmidt

Neben weiteren Ausstellungen zum Nordischen Design wird zurzeit eine Kapelle der Ruhe auf dem Narinkka Platz vom Architekturbüro K 2 S erbaut. Dort, wohin die Menschen zum Einkaufen strömen, erhebt sich ein Oval aus Holz, das innen außer einem kleinen Altar und ein paar Sitzgelegenheiten nichts zu bieten hat. Ein Raum der Stille, der Kontemplation, der vom Lärm der Großstadt ablenkt. Diese Kapelle wird auch das Themenjahr überdauern. Und man wäre nicht in Finnland, entstünde nicht auch ein öffentlicher Schwitzkasten, der Kultur und Saunavergnügen miteinander verbindet.

Unabhängig vom Themenjahr erfreuen sich zwei Institutionen großer Beliebtheit bei Design-Fans: das Designforum Finland, ein Showroom, zu dem 200 Mitgliedsfirmen beitragen sowie der Design District, der von dort aus gut zu erkunden ist. In diesem Gebiet finden sich rund 200 Läden, Boutiquen und Galerien, die meist auf kleiner Fläche ihre Produkte zeigen. Man darf von der Größe des Ladens allerdings nicht immer auf die Bedeutung schließen. Auch international erfolgreiche Modeschöpfer wie Paola Suhonen oder Anna Ruohonen sind hier mit Mini-Boutiquen vertreten. Anu Penttinen zeigt in ihrer Glasgalerie „nounoudesign“ wunderbare handgefertigte matte Glasobjekte, mehrfarbig, ungewöhnlich.

Eine Karte leistet übrigens gute Dienste, wenn es gilt, den richtigen Laden zu finden. Und wer sich an den finnischen Straßennamen überhaupt nicht orientieren kann, dem helfen vielleicht die schwedischen Namen, denn die sind kürzer.

Übrigens: Parallel zu allen Veranstaltungen um das Thema Design feiert Helsinki in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag. Zu den Höhepunkten zählen der Helsinki-Tag am 12. Juni und das Helsinki-Festival im September.

Sehr ausführliche Informationen zu Helsinki und ganz Finnland mit all seinen Urlaubsmöglichkeiten findet man im Internet unter www.visitfinnland.com, zur Design-Hauptstadt unter www.wdchelsinki2012.fi

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