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Anlegen, bitte: Valentia Island vor der irischen Küsste durch einen Festmacherring betrachtet.

© Imago/Bluegreen Pictures

Irland: Der Stein des Riesen

Valentia Island an der Südwestküste Irlands wurde einst von den Knights of Kerry kultiviert. Touristen können heute auf Spurensuche gehen.

In Frankreich habe er gesehen, dass man mit Bergen, die traumhafte Ausblicke bieten, Geld verdienen kann, sagt Muiris O’Donoughue, während er mit einer Gruppe Touristen auf Valentia Islands höchsten Punkt stapft – mit 360 Grad Panorama. Muiris ist Farmer. Seine Familie lebt in fünfter Generation auf einem gerade mal elf Kilometer langen und drei Kilometer breiten Eiland im Südwesten der irischen Grafschaft Kerry.

Da das Land laut Geschichtsschreibung immer wieder von Krisen gebeutelt war, schien es Muiris auf Dauer zu gewagt, nur von 80 friesischen Kühen zu leben. „Die kleineren Kerry-Kühe geben zu wenig Milch“, erklärt der drahtige Ire. Also auch nicht alles hundertprozentig irisch, was in der bekannten Gold-Butter steckt?

So nahm Muiris einen, na ja, 270 Meter hohen Berg ins Visier, dessen Eigentümer keine Lust mehr hatte, Schafe und Kühe zu melken. „Er wollte lieber ein Restaurant aufmachen und benötigte dringend Geld.“ Schnell wurden beide handelseinig. Doch es vergingen noch einige Jahre, bis Muiris und sein Sohn Bernie das unwegsame Gelände erschlossen hatten und Geokaun Mountain mit den vorgelagerten Fogher Cliffs in der heutigen Form für Wanderer eröffneten.

Breite Wege führen nun zu vier Aussichtspunkten: „Viewing Deck“, „The Miner’s View“, „The Shepherd’s View“ und „Carraig na Circe“. Mehr als 30 Tafeln informieren über allerlei Mystisches, Geologisches und was es sonst so bei guter Sicht rund um die Insel zu entdecken gibt.

385 Millionen Jahre alte fossile Spuren des ersten Landwirbeltieres

„Oscar’s Cast“ zum Beispiel ist ein riesiger Felsstein. Er soll von Oscar, dem Enkel des Riesen Fionn, von der Halbinsel Dingle herübergeworfen worden sein. Fionn war laut irischer Mythologie der Anführer der Fianna, einer umherziehenden Kriegergruppe in der mittelalterlichen irischen Literatur, mit schwierigsten Aufnahmeprüfungen, die den König von Irland beschützte.

Auf 385 Millionen Jahre alte fossile Spuren des ersten Landwirbeltieres auf irischem Boden trifft der Wanderer auf dem „Tetrapod Trackway“, weiter abwärts entlang der Felsenküste. 1992 hatte sie ein Schweizer Geologiestudent entdeckt. Doch wer Riesenspuren erwartet, wird enttäuscht. Das Tierchen maß bestenfalls einen Meter.

Der 17. Knight of Kerry erkannte die günstigen klimatischen Bedingungen

Auch über die „Knights of Kerry“, die Valentia Island nach und nach kultivierten, erfährt der Wanderer so einiges, nachdem er Geokaun Mountain erklommen hat. Robert Fitzgerald, der 17. Knight of Kerry, erkannte die günstigen klimatischen Bedingungen durch den Golfstrom und begann Mitte des 18. Jahrhunderts, Flachs anzubauen und die Leinenindustrie zu befördern.

Sein Nachfolger Maurice entwickelte den Hauptort der Insel – „Knightstown“ mit seinem leuchtend roten Uhr- und Waage-Turm am Pier. „Glanleam House“ plante er zunächst als Farm. Um 1850 startete Peter Fitzgerald, der 19. Knight of Kerry, „Glanleam House & Gardens“ als noblen Landsitz mit riesigem subtropischen Garten, Dschungel und Regenwald anzulegen.

„Viele Gewächse, die er pflanzte und die die Jahrzehnte überlebten, stammen von der südlichen Hemisphäre – aus Australien, Neuseeland und Südamerika“, sagt die heutige Eigentümerin Meta Kreissig: „Manche gedeihen hier üppiger als in ihren Heimatländern. Und wir haben unsere Glanleam Gold Myrthe, die nur in Irland und England wächst.“

Eine Rheinländerin legte den zugewucherten Herrensitz frei

Muiris O’Donoughue legte die Wege zum Geokaun Mountain an und machte den Berg für Wanderer zugänglich.
Muiris O’Donoughue legte die Wege zum Geokaun Mountain an und machte den Berg für Wanderer zugänglich.

© Imago/Bluegreen Pictures

Die Rheinländerin führte in den 1960er und ’70er Jahren eine Strickwarenfabrik in Irland. 1975 sah sie das heruntergekommene Herrenhaus und erwarb es samt Gelände. „Es war so stark zugewuchert, dass man vom Haus aus das Meer nicht mehr sehen konnte. Sechs Jahre lang haben wir nur aufgeräumt und 15 000 Pflanzen neu gesetzt“, berichtet die 74-Jährige, die das Haus mit Tochter Jessica, deren Mann und Enkelkindern bewohnt.

„Ostern 1994 haben wir den Park schließlich fürs Publikum eröffnet und dreieinhalb Jahre später wurde Heiligabend durch einen heftigen Sturm fast alles wieder zerstört. Binnen wenigen Minuten lagen zig Bäume am Boden.“ Doch Meta Kreissig ließ sich nicht unterkriegen. „Zu einmalig ist der Ausblick auf den Ozean. Das Gelände ist eine Energiequelle für mich. Es ist mein Paradies.“

Mönche lebten Jahrhunderte lang auf Skellig Michael

Schaut man vom Geokaun Mountain in südliche Richtung, dann ragen, wenn der Atlantiknebel nicht gerade sein weißes Tuch über dem Meer ausbreitet, bizarre Felsformationen namens Great und Little Skellig aus dem Wasser. Bei ruhiger Wetterlage können schwindelfreie Besucher mit Booten hinüberfahren und auf den ausgetretenen Pfaden der Mönche wandeln, die dort auf der größeren der beiden Inseln, Skellig Michael, viele Jahrhunderte lebten.

Allen anderen bleibt das Besucherzentrum „Skellig Experience“ gleich hinter der Brücke, die Valentia Island mit dem bunten Fischerdorf Portmagee auf dem irischen Festland verbindet. Eine Ausstellung und ein spannender Film bieten Einblicke in die Vogelwelt auf Little Skellig, das Leben der frommen Männer und der letzten Leuchtturmwärterfamilie auf Skellig Michael.

"Der fantastischste und unmöglichste Felsen der Welt"

„Vor mehr als 1400 Jahren hauten die Gottesmänner Hunderte von Stufen von drei Seiten in den Fels, um ihn erklimmen zu können und um dort ein Kloster und Behausungen zu errichten“, bemerkt Museumskurator John O’Sullivan: „Die erhaltenen Treppen und bienenkorbähnlichen Steinhütten gehören zum Unesco-Weltkulturerbe.“

Little Skellig war immer ein Refugium für Vögel. Rund 50 000 Basstölpel leben dort. Die Mönche fanden Mittel und Wege, sich von Fisch, Kegelrobben, Vögeln und Eiern zu ernähren. Papageientaucher, Möwen und Trottellummen lieferten ihnen Eier und Federn, die auf dem Festland als Tauschmittel für Getreide und Gemüse dienten.

Doch auch ein Außenposten wie Skellig Michael blieb nicht immer friedlich. Im 9. und 10. Jahrhundert fuhren die Wikinger übers Meer. Überfielen die Mönche, verkauften sie als Sklaven oder töteten sie gar. Im 12. Jahrhundert gaben die verbliebenen Ordensbrüder das Kloster auf. Als einmal der irische Dramatiker George Bernard Shaw Skellig Michael besuchte, nannte er die Insel „den fantastischsten und unmöglichsten Felsen der Welt“ und rühmte ihn als „ Teil unserer Traumwelt“.

Pints und mehr im Pub

In so einer urigen Kneipe schmeckt das Bier doppelt gut.
In so einer urigen Kneipe schmeckt das Bier doppelt gut.

© Axel Baumann

ANREISE

Aer Lingus nonstop von Berlin-Schönefeld nach Dublin (im August etwa 250 Euro). Weiter mit einem Leihauto, das jedoch vergleichsweise teuer ist: eine Woche rund 300 Euro für einen Kleinwagen. Valentia ist bei Portmagee über eine Brücke mit dem Festland verbunden.

ÜBERNACHTEN

The Moorings Guesthouse in Portmagee (moorings.ie), Doppelzimmer ab 60 Euro mit Frühstück

Glanleam House (hiddenireland.com), nobles B&B, Doppelzimmer ab 160 Euro; bis Anfang November geöffnet

ESSEN UND TRINKEN

O’Neills The Point Seafood Bar, Renard Point/Cahersiveen; vor allem Fisch

AUSKUNFT

Tourism Ireland in Frankfurt am Main; Telefon 069 / 923 18 50, im Internet: ireland.com

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