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Gold aus dem Meer. Und her damit, bevor ein anderer kommt! Frische Fische, am frühen Morgen direkt vom Boot geliefert, sind auch im Hafen des elbanischen Marina di Campo heiß begehrt.

© Gerd W. Seidemann

Elba: Die Schatzinsel

Das toskanische Elba ist nicht groß. Und doch nimmt sich der Besucher viel vor, will er all ihre Kostbarkeiten in nur wenigen Tagen erkunden.

Opa Rotellini hatte die gute Idee. Anfang der 1960er Jahre war an seinem Grundstück in Lacona ein einsamer Deutscher vorbeigekommen und hatte gefragt, ob er an der Bucht sein Zelt aufschlagen dürfe. „Wenn dich meine Kuh nicht stört ...“ Heute führt Enkel Gabriele gemeinsam mit Schwester und Schwager Regie auf einer kleinen, gepflegten Campinganlage in bester Strandlage auf Elba. Und dafür, dass auch nicht ein Hauch von mediterranem Schlendrian aufkommt, sorgt Jeanette Otz.

Die gelernte Goldschmiedin aus Pforzheim kam vor zehn Jahren nach Elba, liebte ihre probeweise aufgenommene Arbeit in einer Schmuckmanufaktur jedoch gar nicht, Gabriele hingegen um so mehr. Sie blieb – und heiratete ihn samt Campingplatz. Die Familie ist heute dem Opa dankbar, doch „er hat einen Riesenfehler gemacht – er hat versäumt, sich alle Rechte für den Strand zu sichern“, sagt Gabriele und rollt etwas mit den Augen. Der feine Sandstreifen ist nämlich wirklich ansehnlich lang, breit und auf der nach Sizilien und Sardinien drittgrößten Insel Italiens schon etwas Besonderes.

Was es auf dem 224 Quadratmeter großen Eiland (lediglich gut doppelt so groß wie Steglitz-Zehlendorf) sonst noch zu entdecken gibt – Jeanette und Gabriele nehmen sich öfter mal Zeit, ihre Gäste auf Ausflügen zu begleiten, ihnen die kleinen Geheimnisse ihrer Insel zu zeigen. „Klar, mit Elba verbinden die meisten Besucher auch Napoleon“, hat Jeanette festgestellt. Sie findet es allerdings schade, dass die Insel doch relativ schlampert mit diesem auch touristisch wertvollen Erbe umgeht.

Dazu muss man wissen: Die übergeordnete toskanische Tourismusbehörde sitzt in Florenz, „und für die ist Elba weit weg und völlig unbedeutend“, sagt Jeanette Otz bedauernd. Entsprechend spärlich fließen Gelder vom Festland auf die Insel.

Napoleon richtete sich fein ein auf der Insel

Elba war Napoleon als Fürstentum zugewiesen worden, nachdem er am 11. April 1814 hatte abdanken müssen. Kaum drei Wochen später landete der kleine Große auf Elba – um es Anfang 1815 schon wieder in Richtung Paris zu verlassen und 100 Tage später sein Waterloo zu erleben. Doch er richtete sich zunächst fein ein im Exil. Neben dem Palast Villa Mulini, den sich der Geschasste als Hauptsitz in Portoferraio herrichten ließ, nimmt sich die Villa San Martino außerhalb der Inselhauptstadt eher schlicht aus. 

Begegnung mit Emilia Riccio alias Pauline Bonaparte, Schwester Napoleons
Begegnung mit Emilia Riccio alias Pauline Bonaparte, Schwester Napoleons

© Gerd W. Seidemann

Seine Lieblingsschwester Pauline hatte sie ihm als Sommerresidenz geschenkt. Das zweistöckige Landhaus im toskanischen Stil steht dank vieler freiwilliger Helfer heute Besuchern offen. Und die staunen vor allem über die Fresken, mit denen Napoleon verschiedene Räume hat schmücken lassen. So erinnern die Darstellungen im „Ägyptischen Saal“ an den kaiserlichen Feldzug ins Land am Nil. Während alle Wandmalereien im Original erhalten sind – die Möbel sind es nicht. Obwohl, das Bett im ehemaligen Schlafgemach Napoleons könnte durchaus als Original durchgehen. Kurz genug ist es jedenfalls …

Gabriele und Jeanette zieht es mit uns nun direkt nach Portoferraio. „Ciao bella!“ „Buon giorno!“ Mit gut 30 000 Einwohnern ist ganz Elba überschaubar bevölkert – man kennt sich, und das Pärchen kommt aus dem Grüßen gar nicht raus. Die Hauptstadt ist Dreh- und Angelpunkt der Insel, schon die alten Römer wussten die geschützte Lage des Hafens zu schätzen. Heute laufen hier kleine Frachter und größere Fährschiffe ein, die vor allem in den Sommermonaten Touristen bringen.

In Portoferraio haben auch die Medici ihre Spuren hinterlassen

Mamma mia. Das Teatro dei Vigilanti, ein Glanzstück in Portoferraio
Mamma mia. Das Teatro dei Vigilanti, ein Glanzstück in Portoferraio

© imago

Auch Tagestouristen, die auf ihrer Toskana-Rundreise per Bus mal eben schauen wollen, was Napoleon so auf der Insel hinterlassen hat. Zu den vielen napoleonischen Spuren hier gehört beispielsweise auch ein wahres Kleinod: das Teatro dei Vigilanti. Wir treffen glücklicherweise auf Emilia Riccio, die sich in ihrer Freizeit ebenfalls für das Erbe des Regenten engagiert und auch schon mal als Figur der Pauline Bonaparte in der Stadt unterwegs ist. Sie weiß, wo der Schlüssel zum Theater inoffiziell kurzerhand zu holen ist. „Mamma mia“, entfährt es den Besuchern. Da hat sich Napoleon ein wirklich starkes Stück geleistet. Er hatte das Theater 1814 mal eben für seine kulturbeflissene Schwester in einer entweihten Kirche bauen lassen. Ein kleiner Zuschauersaal vor der Bühne und drei steil aufsteigende Logenränge, alles grandios restauriert.

Auch die Medici haben eindrucksvoll und mächtig ihre Spuren in der Stadt hinterlassen. Die Festung Forte Stella bildet mit der Forte Falcone und dem Wachturm Torre della Linguella einen der wichtigsten Bestandteile der Mediceer-Befestigungsanlagen aus dem 16. Jahrhundert. Hier dürfen wir – wie vielerorts in Europa – nebenbei auch mal wieder ein Stück aus dem Tollhaus EU-Förderpolitik genießen: Die vier Stufen zum Eingang der Wehranlage sind mit einer elektrisch zu betreibenden Rampe für Rollstuhlfahrer ausgestattet– die allerdings offenbar noch nie angeschlossenen war. Wie nämlich ein Rolli jemals die sehr steile Holperstrecke bis zur Rampe bewältigen soll, das ist zumindest der Bedienungsanleitung des aufwendigen Teils nicht zu entnehmen.

„Wollt ihr etwas Typisches essen?“ Nun, wir sind in Italien und beugen uns den lokalen Gepflogenheiten. In einer Seitengasse liegt das Ristorante Castagnacciaio, „die älteste Pizzeria der Stadt“, sagt Gabriele. „Und die beste, da gehen wir Einheimischen hin.“ Gleich am Eingang gähnt die Öffnung des mächtigen, mit Buchenholz befeuerten Steinofens. Der Patrone rührt eben einen flüssigen Teig. Pizza? „Nein, nein – Kichererbsen-Pfannkuchen vom Pizzablech, die Spezialität des Hauses.“ Also wirklich, eine pikante, leicht salzige Offenbarung.

Wein? Natürlich, wir sind ja geografisch in der Toskana

Himmel hilf, die Insel ist so klein – und doch erscheinen nur ein paar Tage Aufenthalt etwas knapp, um alles Sehenswerte zu erkunden. Für die alleweil kurzen Distanzen ist ein Motorroller empfehlenswert, den es an vielen Stellen günstig zu mieten gibt. Denn das Netz des Busverkehrs ist doch arg löcherig und so gar nicht auf Touristen eingestellt. Ja, Fahrräder kennt man auch, auf unserem Campingplatz gibt es die sogar gratis, doch es sei erwähnt, dass die Insel keine flache Scheibe ist … Alternativ kommt natürlich auch ein Leihwagen für die infrage, die gerne Parkplätze in den meist engen Städtchen oder beliebten Ausflugsorten suchen. Wer allerdings gut zu Fuß ist, wird sich einen der zahlreich angelegten Wanderpfade nicht entgehen lassen.

Schlicht und einfach. Cafeteria mit Aussicht am Strand von Lacona
Schlicht und einfach. Cafeteria mit Aussicht am Strand von Lacona

© Gerd W. Seidemann

„Unser Lieblingsweg führt im Norden von Bucht zu Bucht“, schwärmen unsere Gastgeber. Nicht übertrieben: Zwischen Procchio und Portoferraio fällt der Bewegungsdurstige auf einem lauschig-schattigen Wanderweg tatsächlich von einer Bucht in die nächste. Mal mit mehr Menschen, meist mit weniger; mal schön sandig, dann wieder kieselig oder auch ganz naturbelassen, von einem dicken, federnden Teppich aus getrockneten Algen bedeckt.

Und unweigerlich wird an einem Punkt auch die angesichts des Meeres allmählich gewachsene Lust auf frischen Fisch und kühlen Wein gestillt. Wer dazu beste Aussicht genießen möchte: Unsere Inselführer bringen uns zu Da Giacomino in Viticcio. Wie so oft, so auch hier: Die gesamte Familie werkelt ordentlich unter Dampf, jedoch fröhlich in Küche und Service. Gegessen wird, was frisch zu haben ist, anderes kommt nicht auf den Tisch. Es dauert, doch das hätte bei dem kitschig-schönen Blick von der Terrasse aufs Meer ruhig noch etwas länger sein dürfen.

„Wir müssen unbedingt noch zum Weingut Mazzarri, ganz bei uns in der Nähe“, drängt Gabriele. Wein? Natürlich, wir sind ja geografisch in der Toskana. Auf dem kleinen Weingut (fünf Hektar Rebfläche) wartet eine große Überraschung: In flachen Kästen stehen die eben gelesenen dunklen Trauben in der prallen Sonne. „Ja, das muss sein“, sagt Hausherr Pedro Mazzarri lachend. „Drei Wochen lang, das intensiviert das Aroma.“ Ja, aber die Vögel! „Die gibt’s hier nicht.“ Ah ja. Sein Paradewein ist der Elba Rosso (Sangioveto, die elbanische Art der Rebsorte Sangiovese). Medaillenverdächtig, aber nur auf der Insel zu haben. „Für den Export reicht unsere Menge bei Weitem nicht aus.“ Schade eigentlich. Denn zu Hause so ein kleines Schlückchen Elba ab und zu, das wäre doch fein. So zur Erinnerung. Tja, es hilft nichts: Wir müssen einfach noch mal hin.

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