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Alles Käse. Die Milch seiner zwölf Kühe verarbeitet Michele Valentin komplett selbst auf seinem Hof im ladinischen Gadertal.

© Ekkehard Eichler

Südtirol: Die Kuh gibt alles

Wer Südtirol authentisch erleben will, bucht die Unterkunft auf einem Bauernhof mit Gütesiegel. Die Qualitätsstandards sind hoch und verbindlich.

Micheles bester Mann ist vier Jahre alt. Wie ein Alter sticht Florian die große Forke ins Heu und legt Kuh für Kuh eine gehörige Ladung vor. Schnappt sich den schweren Eimer mit der Milch und hängt ihn dem Kälbchen vor die Nase, das sofort gierig an der Gummizitze zu saugen beginnt. Öffnet mit aufgepusteten Wangen den klobigen Sperrhahn für das Kraftfutter, damit es aus dem großen Rohr in den Eimer rauschen kann. Greift sich schließlich eine riesige Bürste und beginnt, die Kühe geduldig und sorgfältig zu striegeln. Bergbauernalltag in Südtirol.

Michele ist stolz auf alle seine vier Kinder, doch nur der Jüngste kommt infrage, wenn er irgendwann einmal den Hof übergeben wird. „Er hat die Landwirtschaft im Blut“, schwärmt der Papa, „ganz gleich, ob es um Tiere geht oder um Technik, um die Alm oder den Stall.“ Mama Lucia geht das manchmal schon etwas zu weit: „Es ist richtig schlimm“, seufzt sie. „Wenn er mal nicht mit in den Stall darf, heult er sich die Augen aus.“

Der Chi-Prà-Hof von Michele und Lucia Valentin liegt idyllisch schön auf 1400 Meter Höhe im ladinischen Gadertal. Im Rücken ein sanft ansteigender Hang, auf dem der Gardenazza thront, ein bleicher Dolomiten-Klotz. Vis-à-vis, auf der anderen Seite der Talstraße, liegt der kleine Ort Pedraces mit markanter Kirche, umgeben von Wiesen und Wald, über denen wie eine Krone die mächtige Wandfront des Kreuzkofels sitzt.

Viel Zeit zum Genießen hat Michele freilich nicht. Morgens und abends halten ihn seine zwölf Kühe nebst Kälbern auf Trab, außerdem muss er seinen Hof und den des verstorbenen Vaters in Schuss halten. Jeden zweiten Vormittag fabriziert er seine Spezialität – preisgekrönten Käse. Die Milch stammt ausschließlich von den eigenen Kühen, „weil ich bei denen halt genau weiß, was die tagtäglich fressen“. Rund 50 000 Liter pro Jahr werden komplett verarbeitet – zu Berg-, Grau-, Weich- und Kräuterkäse. Je nach Sorte reifen die Laibe im Keller zwei bis sechs Monate und werden dann hauptsächlich im hauseigenen Hofladen verkauft. Ergänzt wird Micheles Produktpalette durch fünf Sorten Joghurt, Butter sowie Ricotta, also Frischkäse aus Kuhmilchmolke.

Die Qualitätsstandards sind hoch und für Michele wie für alle Mitglieder des „Roten Hahn“ verbindlich. Unter der Dachmarke des Gockels hat der Südtiroler Bauernbund vor sechs Jahren seine drei Säulen „Urlaub auf dem Bauernhof“, „Bäuerliche Schankbetriebe“ und „Qualitätsprodukte vom Bauern“ zusammengeführt – eine weltweit wohl einzigartige Kooperation. Mit strengen Kontrollen und extremen Anforderungen zum Beispiel an die Hygiene – als Käsemacher kann Michele ein Lied davon singen. Aber was sein muss, muss sein, „schließlich ist der Rote Hahn für mich und meine Kunden auch ein Gütesiegel“.

Südtirols Höfe sind klein strukturiert; viele Bauern brauchen deshalb einen Zu- oder Nebenerwerb. So liefern Michele seine drei Ferienwohnungen zirka die Hälfte des Einkommens – eine unverzichtbare Einnahme also, für die sommers wie winters vor allem diverse Stammgäste sorgen. Maximal vier Wohnungen sind Betrieben unter dem Dach des „Roten Hahn“ erlaubt; wo Bauernhof draufsteht, muss auch Bauernhof drin sein. Die Gäste sollen schließlich die bäuerliche Lebensweise ganz authentisch erleben und deren Bedeutung für Landschaftsgestaltung und Landschaftspflege schätzen lernen.

Auf der Jausenstation Zmailerhof oberhalb von Schenna sorgt ein Hofschank für die lebensnotwendigen Nebeneinnahmen von Johann und Marta Thaler. Hier bekommen Wanderer und Ausflugsgäste zwischen April und November fast ausschließlich Produkte serviert, die direkt vom Feld, vom Hof und aus dem eigenen Garten kommen: Speck und Käse, Speck- und Käseknödel, Hauswurst mit Krautsalat, Bauernbraten und Rippchen, Strudel und Krapfen.

Eine von Martas Spezialitäten: Brennnesselknödel. Nur ein paar Schritte hinter dem denkmalgeschützten Bauernhaus wächst eine kleine Kolonie des feurigen Rohstoffs. „Meine Brennnesselknödel sind der Renner“, sagt Marta lachend. Das tolle Panorama über Meraner Talkessel, Vinschgau und Etschtal gibt es auf der Sonnenterrasse gratis dazu.

Etwa 45 Minuten entfernt beeindruckt auch der Oberfahrer-Hof bei Flaas mit seiner Lage zwischen zwei Hochplateaus und einer fantastischen Fernsicht. Auf bis zu 50 Grad steilen Wiesen, bei denen der Einsatz von Maschinen kaum möglich ist, grasen 30 Stück Tiroler Grauvieh. Als sei die harte Arbeit in Stall und Garten nicht genug, haben sich auch Sebastian und Sonja Zöggeler etwas Besonderes einfallen lassen, um Gäste auf ihren Hof zu locken. Ihr „Köder“ zieht vor allem jüngere weibliche Gäste wie magisch an: Pferde. Zwölf gutwillige Haflinger dürfen gesattelt werden. Bei Ausritten in die Natur ist Sebastian als geprüfter Wanderrittführer stets mit von der Partie. Ob das zweijährige Söhnchen Laurin mal in seine Fußstapfen treten wird? Reiten jedenfalls kann es schon.

Ekkehard Eichler

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