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Anmutige Szenerie. Die meisten im Zinnmuseum auf der Plassenburg ausgestellten Dioramen stellen allerdings martialische Schlachten nach.

© Dagmar Krappe

Franken: In Kronach marschieren die Frauen voran

Wehrbauten, Rittersäle, Zinnfiguren und viele Brauereien: Unterwegs auf der fränkischen Burgenstraße.

Viel fahrendes Volk hat vor der Burg haltgemacht: Krämer, die allerhand Gewänder, Kopfbedeckungen und Ledertaschen feilbieten, Zinngießer, Drechsler, Korbflechter, Puppenspieler und Feuerschlucker. Auch Jongleur Bald Anders, der sein Publikum mit einer Messernummer unterhält, ist unter den 400 Akteuren. Es ist wieder Mittelaltermarkt auf Burg Rabenstein in der Fränkischen Schweiz. „Seit zehn Jahren schlüpfe ich in die Rolle der Sagengestalt aus dem 16. Jahrhundert“, sagt Sönke Jädicke. Im wirklichen Leben ist er Heimerzieher und Zirkuspädagoge, aber zweimal im Jahr lagert er vor den jahrhundertealten Gemäuern.

Burg Rabenstein ist eine von über 90 Burg- und Schlossanlagen entlang der Burgenstraße, die sich auf fast 1200 Kilometern zwischen Mannheim und Prag erstreckt. Vor knapp 60 Jahren wurde die Route abgesteckt. Ungefähr auf halber Strecke befindet sich die Fränkische Schweiz. Eingerahmt von den Städten Nürnberg, Bamberg und Bayreuth. Steile, weiße Jurakalkfelsen, Tropfsteinhöhlen und Obstwiesen prägen die Landschaft. Die Küche ist deftig. Die Einheimischen lieben Bratwurst und Haxen. Mit über 70 Brauereien und mindestens 600 Biersorten hat das Gebiet die größte Brauereidichte der Welt.

Im Mittelalter entstanden Burgen als Wohn- und Wehrbauten. Doch die Zeiten der Belagerungen und Verteidigungen sind längst Geschichte. Heute sind die alten Gemäuer Kulturdenkmäler. Sie dienen als Museen, Verwaltungseinrichtungen, Jugendherbergen oder geben Feierlichkeiten den passenden Rahmen. Manche werden auch ganz privat genutzt. Burg Rabenstein hoch über dem Ailsbachtal ist seit einigen Jahren ein Hotel und Restaurant. Sogar mit eigener Tropfsteinhöhle, der Sophienhöhle. Bunte Sinterfahnen, der riesige Stalagmit „Millionär“ und ein Höhlenbärenskelett sind die Attraktionen.

Nur wenige Kilometer entfernt über dem Ort Pottenstein thront die gleichnamige und älteste Burg der Fränkischen Schweiz. Erste Teile stammen aus dem 10. Jahrhundert. 700 Jahre lang gehörte sie den Bischöfen von Bamberg. Nach der Säkularisation 1803 blieb sie Jahrzehnte unbewohnt. Seit 1918 nennt Familie von Wintzingerode aus dem thüringischen Eichsfeld Burg Pottenstein ihr Zuhause. „So ein Besitz ist Lust und Last zugleich“, meint Thilo Freiherr von Wintzingerode.

Einige Räume wie der Rittersaal, der rote Salon oder das Elisabethzimmer sind zur Besichtigung freigegeben. „Nach dem Tod ihres Mannes 1228 floh die ungarische Prinzessin Elisabeth und spätere Landgräfin von Thüringen von der Wartburg und lebte einige Wochen auf Pottenstein“, erzählt der Burgherr.

Fröhlichere Zeiten sind hinter den dicken Mauern eingekehrt

Festung Rosenberg in Kronach. Die Mauern sind bis zu 14 Meter dick.
Festung Rosenberg in Kronach. Die Mauern sind bis zu 14 Meter dick.

© Krappe

Auch das Wahrzeichen Nürnbergs ist eine Burganlage. Kaiser-, Burggrafenburg und Sinwellturm überragen die 500 000-Einwohner-Stadt. Bis 1571 waren dort alle Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches zu Gast und hielten ihre Reichstage ab. Unterhalb des Bauwerks wohnte im 15. und 16. Jahrhundert der berühmteste Sohn der Stadt, der Renaissancemaler Albrecht Dürer. Zu dieser Zeit lebte auch die einflussreiche Patrizierfamilie Tucher in Nürnberg.

Schauspielerin Inge Bickel führt als Katharina Tucher durch das kleine Renaissanceschloss. Zeigt Mobiliar und Geschirr, den Speisesaal, den vor einigen Jahren wiedererrichteten Hirsvogelsaal oder das Arbeitszimmer ihres Gatten Lorenz, der mit englischen Stoffen und Gewürzen wie Safran, Muskat, Zimt und Ingwer handelte. Auch eine Brauerei betrieb die weit verzweigte, umtriebige Familie, von der es noch heute fünfzig direkte Nachfahren gibt. „Bis Anfang der 1990er Jahre hatten nicht nur Dürer-Liebhaber das Porträt Elsbeth Tuchers fast täglich vor Augen“, berichtet Inge Bickel: „Es zierte den alten 20-D-Mark-Schein.“

Zwei Kleinstädte, über denen wuchtige Festungen thronen, sind Kronach und Kulmbach nördlich von Bayreuth. „Als das Schießpulver erfunden wurde, hielten herkömmliche Burgmauern nicht mehr stand“, erklärt der Experte Alexander Süß: „Sie wurden zu Festungen mit mächtigen Wehranlagen ausgebaut. Auf der Festung Rosenberg in Kronach gibt es bis zu 14 Meter dicke Mauern.“

Echte Ritterspiele finden dort schon lange nicht mehr statt. Zum Gedenken an die erfolgreich widerstandene Belagerung durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg zieht jährlich am Sonntag nach Fronleichnam eine Schwedenprozession durch den Ort. Frauen schreiten bei der Verteidigung der Stadt den Männern voran. Sie hatten den Feind einst mit Pflastersteinen und kochendem Wasser in die Flucht geschlagen. „Während des Ersten Weltkriegs diente Rosenberg als Gefangenenlager“, so Alexander Süß: „Der berühmteste Insasse war Charles de Gaulle.“

Tucher-Mimin.
Tucher-Mimin.

© Krappe

Längst sind fröhlichere Zeiten hinter den dicken Mauern eingekehrt. Es werden Hochzeiten gefeiert, Messen, Märkte und Konzerte organisiert oder Ausstellungen gezeigt, denn auch Kronach hat einen berühmten Maler. Lucas Cranach der Ältere wurde 1472 hier geboren. Als er fortzog nach Wittenberg in Sachsen-Anhalt, nahm er den Namen seiner Heimatstadt an.

Das Deutsche Zinnfigurenmuseum hätte keinen passenderen Ort als die Hohenzollernfestung Plassenburg in der Bierstadt Kulmbach wählen können. Denn auch wenn es Tier-, Märchen- und Schachfiguren, Häuser, Schiffe und Alltagsszenen aus der silberfarbenen Legierung gibt, so ist der Zinnsoldat, der in den Kampf zieht, doch die Hauptgestalt.

Seit 1929 beherbergt die Renaissanceburg die größte Zinnfigurensammlung der Welt, die allerdings 1945 stark verwüstet wurde. „Ab 1953 haben wir sie durch Schenkungen, Nachlässe und Ankäufe wieder aufgebaut“, sagt Museumsleiterin Astrid Fick: „300 000 Einzelfiguren in traditioneller flacher Form oder als Vollplastiken sowie 150 Dioramen (szenische Darstellungen) können wir zeigen.“

Zinnfiguren dienten Kindern als Spielzeug und Herrschern zur Schlachtenplanung. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts sind sie begehrte Sammlerobjekte. Alle zwei Jahre findet in Kulmbach eine Zinnfigurenbörse statt, die kommende in diesem August. Allerdings nicht auf der Burg, sondern ganz neuzeitlich im Zelt.

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