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© dpa

Gästekarten: Bayern lernt von der Türkei

"Urlaub ohne Nebenkosten" wird auch in deutschen Ferienorten angeboten.

Reißt der Himmel noch auf, oder wird es später Bindfäden regnen? An einem Tag wie diesem fahren Urlauber eher nicht per Bergbahn auf einen Gipfel – zu unsicher ist das Wetter, um einen Batzen Geld für Gondeltouren auszugeben. Doch damit soll es in Bad Hindelang bald vorbei sein: Der Kurort im Allgäu führt im Mai die Gästekarte „Bad Hindelang plus“ ein, mit der viele Attraktionen im Ort gratis besucht und genutzt werden können – bei unklarer Wetterlage dann gerne auch in mehreren Anläufen. Bad Hindelang hat die Gästekarte unlängst vorgestellt. Sie ist auch eine Reaktion auf den immer stärkeren Wunsch vieler Touristen nach einem „Urlaub ohne Nebenkosten“, wie ihn All-Inclusive-Fans etwa aus der Türkei und der Karibik schon kennen.

Experten sind sich sicher: In Deutschland wird es künftig immer mehr solche Urlaubsangebote geben, bei denen die Gäste von Anfang an ziemlich gut einschätzen können, was sie die Reise unterm Strich kosten wird. Auch komplette All-Inclusive-Konzepte seien von der Ostsee bis zu den Alpen vorstellbar, meint Klaus Laepple. An dem Thema komme keiner mehr vorbei, sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Auch das Beispiel der „Mein Schiff“ von Tui Cruises, wo es in der kommenden Saison ebenfalls All-Inclusive an Bord gibt, mache das deutlich.

„Das Thema Budgetsicherheit wird die nächsten Jahre beherrschen“, glaubt auch der Tourismusforscher Karl Born, der an der Hochschule Harz in Wernigerode tätig ist. Für ihn ist aber auch klar: Einfach die Konzepte aus dem sonnigen Süden übernehmen, den Touristen ein Plastikbändchen an den Arm hängen sowie Speisekammer und Weinkeller unbegrenzt öffnen – das wird es nicht sein. Stattdessen werde sich All-Inclusive auffächern, indem zum Beispiel nur die Sport- oder die Essensangebote gratis sind: Wie beim Thema Wellness, wo vier bis fünf verschiedene Spielarten existieren, werde es auch mehrere Varianten von All-Inclusive geben. „Denn der Deutsche neigt so ein bisschen dazu, nicht zu viel für Dinge zu bezahlen, die er gar nicht benutzt.“    

Dazu passt auch das Ganzjahresangebot in Bad Hindelang: Vom Skipass im Winter bis zum Freibad im Sommer sind 17 Attraktionen dabei, erklärt Kurdirektor Maximilian Hillmeier. Überall im Ort mit der Karten essen zu gehen, ist dagegen nicht vorgesehen. Von den etwa 400 Hoteliers und anderen Gastgebern im Ort machen 220 mit. Sie zahlen eine Umlage an die Gemeinde und dürfen den Urlaubern dafür die Gästekarte für die Gratisleistungen aushändigen. „Die allermeisten erhöhen dafür maßvoll die Preise“, sagt Hillmeier. Ein vollständiges All-Inclusive-Angebot daraus zu machen, bei dem – wie in großen Resorthotels in der Karibik – auch Speisen und Getränke enthalten sind, habe jeder Wirt für seine Gäste dann selbst in der Hand.

Aus „Bad Hindelang plus“ soll langfristig „Allgäu plus“ werden, hofft Hillmeier – schließlich gibt es in Oberstaufen in der Nähe schon lange ein ähnliches Angebot. Weitere Orte könnten folgen. Das sieht auch Sybille Wiedenmann so: „Wir können die Augen nicht zumachen und sagen, für Bayern habe das keine Relevanz“, sagt die Geschäftsführerin des Bayern Tourismus Marketings. Zwar sei Bayern „noch ein ganzes Stück weg“ von dem, was in der Türkei geboten wird und auch davon, zu welchem Preis dort All-Inclusive-Ferien zu haben sind. Man müsse jedoch „an das Thema ran“, da es der Wunsch vieler Urlauber ist, eine solche Ausgabensicherheit am Ferienort zu haben.

Auch große Reiseveranstalter versuchen, das Thema in Deutschland weiter zu entwickeln. „Wir glauben massiv, dass der Kunde das haben will“, sagt zum Beispiel Andreas Casdorff, der bei Tui unter anderem für die Deutschland-Ziele verantwortlich ist. Dies gelte vor allem für die Familienurlauber, etwa an der Ostsee und in den Mittelgebirge.

„Wir führen Gespräche mit Hoteliers“, sagt auch Michael Tenzer, Geschäftsführer Flugreisen bei Thomas Cook Deutschland. Dabei gehe es nicht zuletzt um die Frage, ob und wie die Infrastruktur im Umfeld punktuell eingebunden werden kann. Denn zum Beispiel bei Gastwirten aus der Umgebung sorgen All-Inclusive- Konzepte regelmäßig für Sorgen, dass ihre Geschäfte leiden könnten – auch auf Mallorca sei das eine verbreitete Befürchtung, erläutert Hochschullehrer Born. Es müsse daher geklärt werden, ob sich diese Anbieter ins jeweilige Hotelkonzept integrieren lassen, sagt Tenzer, der sich All-Inclusive „von Oberstdorf bis Sylt“ überall vorstellen kann.

Christian Röwekamp

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