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Reise: Kein Fahrrad am Stechlin

Fontanes Lieblingssee lockt Ausflügler. Was ihnen dann am Ort geboten wird, kann ernüchternd sein

Der freie Dienstag ist warm und himmelblau. Wie geschaffen für einen Ausflug zum Stechlin. Erstaunlicher Betrieb an der Badestelle. Wieso kommen die Menschen hierher, es gibt doch so viele Seen ringsherum? „Ja“, sagt die Kioskfrau stolz, „aber unser See ist eben berühmt und hat das klarste Wasser.“ Recht hat sie. Unser Hamburger Freund schwimmt schon drin herum und ist begeistert. 17 Kilometer misst die kleine Seenrunde, „mit dem Rad schaffen Sie das in anderthalb Stunden“, sagt die Kioskfrau.

Tolle Idee. Und am Ortseingang von Neuglobsow, gleich neben dem modernen, sehr groß geratenen „Stechlinsee-Center“ war doch ein Radverleih. 15 Uhr, doch alles verrammelt. Ein Auto mit Kölner Kennzeichen parkt in der Nähe, ein Ehepaar steigt aus. „Um halb drei waren wir schon mal hier, da war auch geschlossen“, sagt der Mann und schaut enttäuscht: „Wir hätten so gern ein Rad gemietet.“

Am Tor hängt ein Schild der Firma Stechlin-Touristik. „Wenn der Fahrradverleih geschlossen ist, rufen Sie bitte an.“ Eine Handynummer. Wir wählen. Eine Frau meldet sich, hört unseren Wunsch und sagt: „Das wird heute nichts mehr.“ – „Aber es ist doch erst drei Uhr.“ – „Wie viele Räder wollen Sie denn?“ – „Fünf.“ Sie überlegt, will jemanden vorbeischicken. Eine Weile später kommt eine Frau und schließt das Tor auf. „Wie lange wollen Sie die Räder?“ Zwei Stunden. „Dann müssen Sie aber auch genau in zwei Stunden wieder zurück sein“, sagt sie streng. Wir nicken und nehmen schlichte Drahtesel in Empfang. Die Nummern unserer Personalausweise werden penibel notiert. Gezahlt wird gleich.

Zwei Stunden Fahrrad ab 3,50 Euro steht auf einem Schild. Der Kölner überreicht der Frau sieben Euro passend. „Ein Rad kostet aber fünf Euro für zwei Stunden“, sagt die Vermieterin. Aber da steht doch 3,50? „Das ist für die billigen Räder, und die sind jetzt nicht da“, heißt es knapp. Da wollen die Kölner nicht mehr radeln – und wir verzichten auch. „Bei uns hätte man sich bei den Kunden erst mal für die Wartezeit entschuldigt und die Räder dann sicher für 3,50 vermietet“, sinniert der Hamburger. Und rechnet kopfschüttelnd: „17,50 Euro hätten die jetzt locker eingenommen – und schlagen es aus.“ Später werden sie den Freunden in Köln und Hamburg berichten, wie das so ist mit der freien Marktwirtschaft in Brandenburg. Wir gucken ein wenig beschämt und sagen leise: „Aber der Stechlin ist doch wirklich wunderschön.“ kai

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