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Tricolore am Heck. Da wissen alle anderen, unterwegs in der ägäischen Inselwelt, wo die „Soleal“ registriert ist.

© Hella Kaiser

Ägäis-Kreuzfahrt: Mon Dieu, so viele Inseln

Die „Soleal“ ist eine kleine, elegante Schönheit. In der Ägäis ankert sie an den schönsten Plätzen. An Bord dominiert französische Lebensart.

„Bonjour, mesdames, messieurs“, grüßt Kapitän Rémy Genevaz am Morgen über die Bordlautsprecher. Und teilt weiterhin auf Französisch mit, dass die „Soleal“ soeben vor Bodrum festgemacht hat. Dann erfolgt die Ansage auch auf Englisch. Niemals wird es in den folgenden sechs Kreuzfahrt-Tagen in der Ägäis umgekehrt sein. „Wir sind ja ein französisches Schiff“, erklärt Hotelmanager Philippe Touati. Und damit das jeder sofort weiß, flattert am Heck die Tricolore, in XXL-Format. „Auf unsere Flagge sind wir mächtig stolz“, sagt Gästebetreuerin Johanna Stansfield. Der Ort der Registrierung steht am Bug unter dem Schriftzug „Le Soleal“ geschrieben: Mata Utu. Nie gehört, wo soll das sein? Es handele sich da um den Hauptort auf der kleinen polynesischen Insel Uvea, erklärt Johanna lächelnd.

Die „Soleal“ hat nichts gemein mit jenen ungetümen Kreuzfahrtschiffen, die Tausende Passagiere unterbringen können. Mit einer Länge von 142 und einer Breite von 18 Metern gleicht sie eher einer schicken Jacht. Eine Diva der Meere, die sich Zeit nimmt, um von A nach B zu kommen. Maximal 260 Passagiere können auf der „Soleal“ mitfahren. Auf unserer Tour – eine Woche von Athen nach Athen mit Stopps an türkischen und griechischen Orten – sind es 190. Und um die kümmern sich erstaunlich viele dienstbare Geister: 140 Menschen gehören zur Crew.

Auch innen besticht die „Soleal“ durch Eleganz. Bodenbeläge, Wände und Möbel sind in Beige, Mokka, Crème und Weiß gehalten, gerahmte Fotografien maritimer Motive schmücken Flure und Salons. Fast ausschließlich Balkonkabinen stehen zur Verfügung, mit erstaunlich großen Nasszellen. Aufgrund einer geschickt eingebauten Schiebetür kann man selbst beim Duschen aufs Meer schauen.

Auch Kinder sind an Bord herzlich willkommen

Wo die schönsten Plätze auf der „Soleal“ sind und wie das Bordleben funktioniert, verrät Cruise Director Frédéric Jansen bei der offiziellen Begrüßung. Dazu hat er die Passagiere nonchalant ins Theater gebeten, jenen Ort auf Deck 3, wo im Laufe der Reise Shows und Vorträge stattfinden werden. „Passagiere aus dreizehn Nationen sind an Bord“, plaudert Frédéric aus. Darunter zwei Österreicher, sieben Italiener, sechs Deutsche, vier US-Amerikaner, neun Australier ... 50 Menschen „aus aller Welt“ – und 140 Franzosen. Die spenden einen Extra-Applaus, als schließlich Hupert-Marie, der Sommelier vorgestellt wird. „De la France, bien sûr“, fügt Frédéric hinzu. Chancenlos wohl jeder ausländische Weinkellner, der es wagen würde, auf einem französischen Schiff anzuheuern.

Schnitting: Le Soleal
Schnitting: Le Soleal

© promo

Auch 20 Kinder sind an Bord, teilt Frédéric mit. Die seien selbstverständlich herzlich willkommen, aber sie hätten Regeln zu beachten. Auf der „Soleal“ lauten die: „Niemals rennen, nicht laut schreien und auch nicht in den Pool springen.“ Noch ein Hinweis für alle: „Das Internet an Bord ist teuer und langsam.“ Der happige Preis steht in den Unterlagen: 100 Minuten kosten 30 Euro. Frédérics Empfehlung: „Lassen Sie’s einfach, Sie sind doch in den Ferien.“

Die können beginnen – gleich nach der obligatorischen Rettungsübung. Die Passagiere versammeln sich in ihren orangefarbenen Rettungswesten am vorgeschriebenen Ort. Auch eine Frau, die den Sinn der Übung nicht einsehen will, wird freundlich, aber bestimmt an ihren Platz dirigiert: „S’il vous plaît, madame...“ Hotelmanager Philippe Touati kennt da kein Pardon. „Ich garantiere, dass kein einziger Passagier die Rettungsübung versäumt“, sagt er stolz. „Wir legen höchsten Wert auf Sicherheit.“

Gemüse-Consommé, Dorade mit Kartoffel-Olivenpüree, und die Desserts …

Auf dem Weg von Piräus nach Bodrum schippern wir an felsigen Inselchen vorüber. Wie die wohl heißen? Es gibt keine Ansagen über die Bordlautsprecher. „Wir wollen, dass unsere Passagiere möglichst wenig gestört werden“, sagt Philippe Touati. Auf einem karstigen Etwas ist eine griechische Flagge aufgemalt, aha, noch sind wir also nicht in der Türkei. Etliche Passagiere haben hinten am Pooldeck eine Liege in Beschlag genommen. Aber es führt noch eine Treppe zu Deck 7 hinauf, wo Zodiacs und Kanus festgezurrt sind. Wenige kommen hierher, die meisten bleiben wohl lieber in der Nähe der Bars. Dabei stehen auch „on Top“ bequeme Liegen, auf denen jeweils ein schneeweißes Strandtuch zusammengerollt ist.

Kein Wölkchen trübt die Abendsonne, das Meer ist glatt. „Wir werden in der Nacht eine ruhige Fahrt haben“, verspricht Kapitän Rémi Genevaz. Und wünscht eine „très bonne soirée“. Im Restaurant auf Deck 2 ist alles fein eingedeckt fürs Dîner à la Carte. Wie wäre es mit einer Gemüse-Consommé, gefolgt vom Dreierlei aus Landschinken, Avocados und Mango-Melonen? Zum Hauptgang vielleicht Dorade mit Kartoffel-Olivenpüree oder doch Huhn-Pilz-Ballottine in Portweinsauce? Alternativ steht immer auch ein vegetarisches Menü zur Wahl.

Ach, und die Desserts … „Sind Franzosen schwierige Gäste?“ – „Sie sind anspruchsvoll“, sagt Chefkoch Philippe Tremel diplomatisch. Einer habe mal Froschschenkel bestellt, aber, nun ja, die biete man leider nicht an. Die Geschmäcker seien international verschieden, weiß Tremel. „Amerikaner zum Beispiel essen kein Tatar, Franzosen lieben es.“ Wenn mehr Deutsche mitfahren, müsse das Frühstück verbessert werden. Wie bitte? Ist doch alles da: Müsli, Obstsalat, Yoghurt, verschiedene Käse- und Schinkensorten, Rührei, Lachs … „Wir können uns immer noch steigern“, sagt Tremel lächelnd und denkt an dunkle Brotsorten.

Überraschung: Abba-Songs auf Französisch

Die im Preis inbegriffenen Tischweine, täglich andere, sind tadellos. Wer’s exquisiter möchte, kann immer neuen Vorschlägen des Sommeliers folgen. Ein Condrieu Jean Luc Colombo aus dem Rhônetal (75 Euro) zum Beispiel oder einen 2011er Beaune Clos des Mouches von Joseph Drouhin aus dem Burgund (170 Euro).

Wer legerer speisen möchte, kann auf Deck 6 (draußen oder drinnen) Platz nehmen. Ein opulentes Büfett ist arrangiert. Warum die französischen Gäste überwiegend schlank sind, wird schnell klar. Sie nehmen sich nur winzige Portionen. Und sind natürlich schon bestens angezogen fürs spätabendliche Musical im Theater. „Mamma Mia“ gibt’s – auf überraschende Art: Fast alle Abba-Songs werden auf Französisch gesungen. Da erstaunt es kaum, dass an einem Nachmittag der Film „Troja“ – eine Hollywood-Produktion mit Brad Pitt – auf Französisch mit englischen Untertiteln annonciert ist.

Wer mag, spaziert zur Brücke. „Die ist rund um die Uhr für unsere Passagiere zugänglich“, sagt Johanna. Manche kämen, wenn sie nicht schlafen können, auch nachts um drei Uhr und „lassen sich die Sterne erklären“. Den Kapitän, die Ruhe in Person, stört es anscheinend nicht. Der 55-Jährige ist ein alter Hase. „Ich bin alles gefahren, Containerschiffe, Bananendampfer und seit etlichen Jahren Kreuzfahrtschiffe.“ Mag er seinen Job? „Mon Dieu, natürlich. Ich bin auf diesem wunderschönen Schiff und fahre zu herrlichen Orten.“

Kultur ist wertvoller als schnödes Baden

Die antike Stadt Perge ist nur rund 16 Kilometer von Antalya entfernt.
Die antike Stadt Perge ist nur rund 16 Kilometer von Antalya entfernt.

© Hella Kaiser

Bodrum zum Beispiel. Leider ist der Ort im August auch schrecklich voll. Kein Plätzchen frei am Stadtstrand. Dabei hatte man sich so aufs Schwimmen gefreut. Die „Soleal“ hat nur einen Mini-Pool, der bestenfalls zum Untertauchen reicht. „Wir haben uns gegen ein großes Becken zugunsten einer entspannten Atmosphäre am Pooldeck entschieden“, sagt Johanna.

In Bodrum locken die Händler in ihre Geschäfte: „Kommen Sie herein, hier drinnen ist es schön kühl.“ So wie im Bordshop, der jedoch nahezu ausschließlich mit Lacoste bestückt ist. Was die französische Marke in dieser Saison zu bieten hat, wurde den Passagieren bei einer Modenschau an Deck präsentiert.

Einen Tag später, in Fethiye, ist Kultur wertvoller als schnödes Baden. Ein viereinhalbstündiger Ausflug (55 Euro) führt nach Xanthos und Letoon. Sechs Passagiere haben sich für die „englische Gruppe“ eingetragen – und bekommen, von den französischen Gästen ein wenig neidisch beobachtet, ihren eigenen Guide. Während wir über Land fahren, links Olivenbäume, rechts Gewächshäuser für Tomaten, erzählt uns Dschingis Wissenswertes über die Türkei. Und klagt: „Nur zehn Prozent der Steuern werden für Bildung ausgegeben und nur lächerliche acht fürs Gesundheitswesen.“ Ankunft in Xanthos, Mittelpunkt der lykischen Geschichte, Weltkulturerbe. Sicher, es ist warm, sehr warm. Aber warum sind kaum Besucher an dieser weitläufigen antiken Stätte? „Die meisten Touristen interessieren sich nicht für Kultur, die wollen in der Türkei nur billige Badeferien machen“, sagt der 42-jährige Reiseführer achselzuckend.

Juhu, wir dürfen plantschen! Selbstverständlich gut bewacht

Ein ähnliches Bild bietet sich anderntags in Perge, 16 Kilometer nordöstlich von Antalya. Diesmal sind wir nur zu viert in der „englischen Gruppe“, die um acht Uhr morgens startet. Das Ehepaar aus Perth hatte den Ausflug kurzfristig abgesagt. „Es ist ihnen zu früh am Morgen“, erzählt Marcia aus Sidney kopfschüttelnd. Sie ist fassungslos über so viel „Ignoranz“. Man käme doch nur einmal hierher und sollte unbedingt alles anschauen. Marcia lässt keinen Termin mit Sophie Favrolt aus. Die ist Historikerin und lädt täglich zu Lichtbild-Vorträgen. Sie drehen sich ums antike Theater, die Sieben Weltwunder oder die Persischen Kriege. Wenn Sophie auf Französisch parliert, finden sich Etliche ein. „Wenn der Vortrag auf Englisch ist, sitze ich meist allein da“, sagt Marcia und schaut streng: „Kommen Sie auch mal, man kann eine Menge lernen.“

Hafen-Denkmal. Rhodos-Stadt mit ihren Befestigungsanlagen ist auch sonst sehenswert.
Hafen-Denkmal. Rhodos-Stadt mit ihren Befestigungsanlagen ist auch sonst sehenswert.

© Hella Kaiser

Wir ankern weit vor der Küste, einige haben eine Exkursion zum Inselchen Kekova gebucht. Zu spät entschlossen, der letzte Platz ist weg. Doch unversehens haben die an Bord Verbliebenen das große Los gezogen. Frédéric kündigt eine „Baignarde“ an. Schwimmen, juhu. Mit Leinen wurde hinterm Heck der „Soleal“, ein großes Rechteck, markiert – darin dürfen wir, gut bewacht, plantschen. Frédéric passt auf, dass nie mehr als 25 Menschen zugleich im Wasser sind.

Nachmittags verlieben sich alle in Kas. Welch ein hübscher Ort. Schmale Gassen hügelauf und hügelabwärts, Katzen dösen auf Treppenstufen. Nette Lokale und Bars, interessante Geschäfte, freundliche Menschen. Sogar einen Buchladen gibt es. Sieben Werke moderner türkischer Autoren in englischer Übersetzung hat die Inhaberin auf einem Extratisch ausgelegt. Wir entscheiden uns für eins von Orhan Pamuk. „Gute Wahl“, sagt die Händlerin zufrieden. Draußen beginnt der orientalische Zauber, die Muezzins rufen zum Abendgebet. „Morgen werden wir das nicht mehr hören“, sagt eine deutsche Passagierin bedauernd. Morgen werden wir auf Rhodos sein.

Endlich was Griechisches?

Die Insel boomt. Erwachsene schlappen hitzegeplagt durch die Straßen, Kinder quengeln, schicke und verbeulte Autos stehen gleichermaßen im Stau. Die Holländerin Sandra, die in ihrem Altstadtshop seit Jahrzehnten Kleidung und Accessoires verkauft, ist unzufrieden. „Die guten Touristen kommen nicht mehr“, sagt sie und beklagt „zu viele Urlauber aus Osteuropa“. „Die haben alle All-inclusive gebucht und geben kein Geld aus.“ Eine halbe Stunde braucht der lokale Bus bis Kalithea. Dort soll es gleich drei Strandbuchten geben.

Aber wo ist noch ein Plätzchen frei unterm Sonnenschirm? „Kein ideales Ziel für die Hochsaison“, finden wir unter der brennenden Sonne. „Was soll man machen mit einem schulpflichtigen Kind“, sagt ein Ehepaar aus Pirmasens später an der Bushaltestelle. „Morgen mieten wir ein Auto, da schauen wir, ob es im Inselinneren noch stille Dörfer gibt.“

Morgen werden wir auf Patmos sein. Und schimpfen ein bisschen über den Kapitän, weil er schon für 17 Uhr verlangt: „All aboard“. Das hat Patmos nicht verdient, ein Inselchen, so verträumt und griechisch wie vor 50 Jahren. Einige Passagiere haben sich in den Hafentavernen Spezialitäten bestellt. Endlich was Griechisches. Das an Bord einmal offerierte „Griechische Büfett“ war enttäuschend. Tzatziki ohne Knoblauch, kein Soutzoukakia, kein Taramasalat ...

Natürlich ist auch das Abschiedsdinner très francais. „Kommen Sie so elegant Sie mögen“, stand auf der Einladungskarte. Und das lassen sich die Passagiere der „Soleal“ nicht zweimal sagen.

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