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Kurs Abbruchkante. Mit dem Schlauchboot geht es vom Schiff aus ganz nahe an den Dawes Gletscher heran. Für die Passagiere nur e i n Höhepunkt der Alaska-Reise.

© Elisabeth Binder

Kreuzfahrt: Das Gold liegt jetzt im Hafen

Riesenkreuzfahrtschiffe steuern Alaska an. Ganz nah ran aber kommt die kleine "L’Austral".

Der Goldrausch des 19. Jahrhunderts ist vorbei. Wer in Alaska heute nicht vom „schwarzen Gold“ im Ölgeschäft profitiert, schürft seine Dollars in diversen Häfen. Zumindest im Sommerhalbjahr. An diesem frühen Sonntagmorgen in Skagway tragen die „Goldnuggets“ dieser Tage Sonnenbrillen von Dior und Polos von Lacoste.

Am Kai liegt unsere „L’Austral“, ein französisches Schiff mit weniger als 200 Passagieren an Bord. Zwei Tage später werden wieder die schwimmenden Hochhäuser erwartet, dann docken vier oder mehr Schiffsriesen an. Bis zu 15 000 Passagiere werden über den Ort herfallen, der im Winter nur 450 ständige Einwohner zählt. Die Touristen drängen sich dann auf dem Broadway, stöbern in den Souvenirläden, vergleichen in den Juweliergeschäften die Preise von Northern-Light-Topasen.

Etwa eine Million Kreuzfahrt-Touristen kommen jährlich allein hierher. Heute früh werben die Mädels im Visitor Center darum, die Gäste möchten doch bitte ihre Einkäufe bei den Einwohnern des Städtchens erledigen. Viele andere der glitzrigen Läden gehörten nämlich den großen US- Kreuzfahrtgesellschaften, die hier zusätzlich abstaubten, heißt es.

Heute stehen Touristen am Grab der Goldsucher

Alaska, das bedeutet oft immer noch Abenteuer. Oder eben auch das, was manche dafür halten. In der Luft brummen rote Hubschrauber, die für viel Geld zum nächsten Gletscher fliegen, wo die Passagiere eine Mini-Wanderung unternehmen können oder einfach nur herumstehen dürfen. Andere Gäste fahren im Nostalgiezug zum White Pass, dem Bergsattel, über den sich einst die „Stampeders“, die vom Goldrausch Befallenen, ihren Weg bahnten.

Käpt'n Jean-Philippe Lemaire sieht die "L'Austral" vor allem als Expeditionsschiff.
Käpt'n Jean-Philippe Lemaire sieht die "L'Austral" vor allem als Expeditionsschiff.

© Elisabeth Binder

Damals bevölkerten 20 000 teils verzweifelte, teils zweifelhafte Glückssucher das Städtchen. Eine Mahlzeit, die in San Francisco für 50 Cent zu haben war, kostete hier 2,50 Dollar. Beladen mit Proviant für ein Jahr, brachen viele Pferde tot auf dem Weg zum Glück zusammen. Auf dem Friedhof von Skagway genießen die Passagiere der „L’Austral“ den angenehmen Grusel der Erzählungen aus rauen Zeiten. Viele Menschen haben sich hier ruiniert und hätten sich wohl nicht vorstellen können, dass einst Europäer an ihren Gräbern stehen würden, die unter ungleich angenehmeren Vorzeichen reisen. Mit dem Oldtimer-Bus geht es zurück in unser Stück Frankreich.

„Bonjour, Madame“, grüßt freundlich der Matrose, der die Schiffskarte durch den Scanner zieht. Auf geht’s in den Salon, wo die Heimkehrer kleine Teller füllen mit Madeleines und Schokoladenplätzchen oder sich ein Glas Champagner einschenken lassen.

Nachmittags veranstaltet hier Kreuzfahrtdirektor Kamel Hamitouche mit viel Sinn für autoritäre Ironie gern Quizspiele und Bingo. Das Schiff mit seinem französischen Ambiente und dem Lebensgefühl einer privaten Jacht macht es möglich, in nur wenigen Schritten von einer Welt in eine andere einzutauchen. Jenseits der Gangway regiert der Dollar, hier der Euro, dort sind die Berge (noch) mit Eis bedeckt, hier kann der Gast im Hamam beim Dampfbad auftauen.

Der Käse wird aus Europa eingeflogen

Vom Alaska, wie es einst war, zeugt ein Totempfahl.
Vom Alaska, wie es einst war, zeugt ein Totempfahl.

© Elisabeth Binder

Im Restaurant hat Chefkoch Guy LaGaville feine Hors d’œuvres zubereitet. Die strengen US-Lebensmittelbeschränkungen setzen der Kreativität des aus Martinique stammenden Meisters zwar Grenzen. Rohmilchkäse, lange Baguettes und Crème brûlée etwa kommen nicht auf den Tisch. Aus Rücksicht auf die während dieses Törns zahlreich anwesenden Amerikaner und Australier hat er auch Schnecken und Froschschenkel aus dem Programm gestrichen und dafür, sehr diskret, in einer Ecke „Hamburger“ annonciert.

Aber die Europäer, überwiegend Franzosen, lassen sich gern „Poulet basquaise“ servieren oder „Filet de Sole Bonne Femme“, von den „Tentations“, den süßen Verführungen zum Dessert nicht zu reden. Und bei jeder Mahlzeit wartet eine Auswahl französischer Käse, die regelmäßig aus Europa kommen und in Vancouver an Bord genommen werden. In Alaska kauft Guy Lagaville frischen Fisch hinzu, Wildlachs natürlich.

Auch diese großartigen Fische symbolisieren (noch) das Gold, dem in Alaska nachgejagt wird. Darüber erfahren die Kreuzfahrer mehr, als das Schiff in Petersburg vor Anker geht, einem kleinen Fischerort, den die großen Ozeanriesen gar nicht erreichen können. Barry zeigt uns den Hafen. Die Kontrolle über den Fischfang sei der eigentliche Grund gewesen, warum Alaska 1959 der 49. Bundesstaat der USA wurde, erzählt er.

Kapitän Lemaire will Begeisterung für die Natur wecken

Barry und Fischer Bobby sehen mit großer Sorge, wie Berge, die seit 15 000 Jahren mit Eis bedeckt sind, immer wieder dunkle Flecke zeigen, wo das Eis geschmolzen ist. Im Hafen liegen die Boote dicht an dicht, in die viele Fischer viel investieren. Bobby etwa, der eine kleine Gruppe spontan auf sein Drei-Millionen- Dollar-Boot einlädt, weiß, dass man vom Fischfang gut leben kann.

Doch er fürchtet den Raubbau an der Natur, ist ein großer Befürworter der Fischfangquoten. Die Bestände brauchten Zeit zur Regeneration. Diese Sicht sei jedoch wenig populär. Und sein Lachs-Favorit? King Salmon gehöre zwar zu den bekanntesten Arten, doch Barry ist absoluter Sockeye-Fan. „Schmeckt eher wie Lachs“, meint er.

Dank Kapitän Jean-Philippe Lemaire geht es auf der Reise nicht nur um Edelmetalle, Leckereien oder Souvenirs. Der Kommandant sieht die „L’Austral“ vor allem als Expeditionsschiff, und das macht er auch seinen Passagieren deutlich. Leidenschaft für Menschen, für die Natur gehört für ihn zum Beruf, und dieses Feuer will der Mitgründer der Reederei Ponant auch in seinen Gästen wecken.

Immer wieder tauchen die Buckel und Flossen der Wale auf

Immer wieder wartet der 57-jährige Bretone mit Überraschungen auf, oft meldet er sich spontan über das Bordmikrofon. Am ersten Abend etwa, nach der Abreise aus Alaskas Hauptstadt Juneau, scheucht er die vom „Dîner de Bienvenue“ etwas faul gewordenen Esser auf Deck. Eine Schule von Walen ist zu sehen. Immer wieder tauchen Buckel und Flossen auf. Die Begeisterung über das Schauspiel ist einhellig.

Überhaupt muss man auf der „L’Austral“ stets auf Unerwartetes gefasst sein. Gerade sitzt der Gast mit einem Buch im Salon, schon gibt der Kapitän bekannt, er habe Erlaubnis, durch die Wrangell Narrows zu fahren, eine Enge, durch die bis dahin noch nie ein Kreuzfahrtschiff fahren durfte. Für die Passagiere erscheint die Passage fast wie eine Flussfahrt, die Häuser am Ufer sind zum Greifen nah. Und am Ufer äußert sich die Begeisterung über den seltenen Anblick eines Schiffs in Juchzen und Winken. Später wird der Kapitän erzählen, das Manöver sei gar nicht so schwierig gewesen, es seien noch 50 Zentimeter Wasser unterm Kiel geblieben….

Krachend brechen die Eisbrocken vom Gletscher ab

Schlanke Schönheit: Eher wie eine Jacht kommt die "L'Austral" daher.
Schlanke Schönheit: Eher wie eine Jacht kommt die "L'Austral" daher.

© Ponant

Bei vergleichsweise strahlend schönem Wetter nähern wir uns dem Dawes Gletscher. Nun trifft der Kapitän eine Entscheidung, die seinem Team eine Menge Arbeit, seinen Gästen aber eine einmalige Erfahrung beschert. Mit Schlauchbooten geht es vorüber an Wasserfällen, an Robben, die auf kleinen Eisschollen durchs Wasser treiben bis ziemlich nah an den Gletscher, von dem Eisbrocken abbrechen und krachend ins Wasser fallen. Ein Riesenspektakel!

Am Abend bekommt der Kapitän dafür beim Diner spontan Applaus. „Danke“, rufen die Amerikaner. Jean-Philippe Lemaire sieht viel Potenzial in Alaska, allerdings findet er eine Woche zu kurz für eine Kreuzfahrt, zehn Tage sollten es schon sein.

Riesige Kreuzfahrtschiffe verschatten Ketchikan

Wie populär Alaska unter Kreuzfahrt- Fans ist, lässt sich erahnen, als wir gegen Ende der Woche bei Ketchikan vor Anker gehen. Sage und schreibe fünf Schiffshochhäuser liegen hier bereits an der Pier und verschatten das Städtchen. Als große Attraktion gilt bei den amerikanischen Gästen – neben Souvenirshops – das wie ein Puppenhaus hergerichtete frühere Bordell „Dolly’s House“ in der Creek Street. Die Tatsache, dass der Rotlichtbezirk hier bis in die 1950er Jahre hinein blühte, hat aber auch was richtig Verruchtes…

Doch für Europäer viel spannender ist ein Spaziergang durch den Regenwald. Leibhaftige Bären tauchen zwar in dem von Holzfällern verschonten Schutzgebiet mit den uralten Baumriesen gottlob nicht auf. Doch sind hohe Hemlocktannen und mächtig dicke Zedernbäume kaum weniger imposant. Zudem treffen wir noch einen indianischen Meisterschnitzer, der eben an einem Totempfahl arbeitet. So gibt es doch noch einen Hauch von dem Alaska, wie es einst war und in vielen Teilen noch ist. Abseits vom Tourismus.

Tipps für Alaska

FAHRTGEBIET

Der hohe Norden des amerikanischen Kontinents übt noch immer eine große Faszination aus. Nicht nur auf Europäer, sondern insbesondere auch auf Nordamerikaner. Nicht von ungefähr setzt sich Jahr für Jahr eine ganze Armada von US-Kreuzfahrtschiffen ab Seattle und Vancouver dorthin in Bewegung.

BEISPIELREISEN

Einer der Platzhirsche im Revier ist die Holland-America Line, die im kommenden Jahr von Ende Mai bis Ende September mit drei Schiffen jeweils acht 15-tägige Reisen zwischen Seattle/Vancouver und Alaska anbietet. Buchbar ab 1549 Eurp pro Nase in einer Innenkabine (ohne Flug).

Für die französische Reederei Ponant geht statt der „L’Austral“ im kommenden Jahr das etwas neuere Schwesterschiff „Soléal“ mit maximal 264 Passagieren auf Alaska-Törn. Zwischen Juni und September werden zu sieben Terminen unterschiedlich lange Fahrten angeboten: vom Kurztörn mit sieben Nächten an Bord bis zu ausgedehnteren Reisen mit 13 oder auch 15 Nächten.

Besonderes verspricht die Reise „Aleuten und Wrangelinsel“ zwischen Alaska und Russland (ab 7980 Euro pro Nase, allerdings mit Flug). Die günstigste Reise „Fjorde von Alaska“ von Vancouver nach Juneau mit sieben Nächten kostet ab 2710 Euro ohne Flug.

Telefonische Auskunft gibt es bei der Reederei (08 00/ 180 00 59) oder auch zu weiteren Angeboten in vielen Reisebüros.

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