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Polynesier mit Muschelhörnern in geschmückten Auslegerkanus anlässlich eines Inselfestes auf Nuku Hiva.

© IMAGO

Marquesas: Das Wunder der Schönheit

Fast verlieren sich die Marquesas-Inseln in der Weite des Südpazifiks. Hier lebten Paul Gauguin und Jacques Brel. Die "Aranui 5" bringt Fracht und Passagiere hin.

Es war Liebe auf den ersten Blick. Eine bedingungslose Liebe, entkoppelt von Zeit und Raum, wie sie in dieser Intensität vielleicht nur Künstlerseelen empfinden können. Als Jack London, der Poet des hohen Nordens, einst vor Nuku Hiva in der Südsee den Anker ging, ergriff ihn eine wahrhaft romantische Euphorie. „Man fühlt es fast wie einen Schmerz, so vollkommen ist die Schönheit.“ Das war vor gut 100 Jahren und daran hat sich bis heute nichts geändert. Es scheint kaum möglich, sich dem Zauber des Eilandes entziehen zu können.

Nuku Hiva gehört zu der vulkanischen Inselgruppe der Marquesas. Nur ein paar verlorene Nadelspitzen eines unterseeischen Gebirges in der Endlosigkeit des Südpazifiks. Aber was für welche! 14 kleine Basaltinseln, eine beeindruckender als die andere, mit religiösen Kultstätten einer untergegangenen Maori-Kultur in fruchtbaren tropischen Tälern, mit Bergnebelwäldern und kargen Gebirgskämmen, die so gar nicht ins Klischee des Südseeparadieses mit türkisfarbenen Lagunen und palmengesäumten Traumstränden passen.

Die aber trotzdem – oder gerade deshalb – von jeher Entdecker, Schriftsteller, Maler und Musiker in ihren Bann zogen. James Cook, Robert Louis Stevenson, Herman Melville, Jack London, Thor Heyerdahl, Jacques Brel, um nur einige zu nennen. Und natürlich Paul Gauguin, der wie kein anderer den Mythos Südsee prägte und in die Welt trug.

Alle drei Wochen wird der EU-Außenposten mit Errungenschaften der modernen Zivilisation beliefert

Viele gute Gründe also, die Marquesas zu besuchen. Da gibt es nur eine Hürde: Der Archipel gilt als das am weitesten von jedem Festland bewohnte Fleckchen Erde weltweit. Selbst von Tahiti, dem politischen und wirtschaftlichen Zentrum Französisch Polynesiens, und damit auch der Marquesas, sind es 1500 Kilometer zur entlegenen Provinz.

Eine Skulptur von den Marquesas aus der zurzeit wegen Umzugs geschlossenen Südseeaustellung im Völkerkundemuseum in Berlin-Dahlem.
Eine Skulptur von den Marquesas aus der zurzeit wegen Umzugs geschlossenen Südseeaustellung im Völkerkundemuseum in Berlin-Dahlem.

© Thilo Rückeis

Die angenehmste Art und Weise der Anreise ist die Cruise auf der „Aranui“. Das kombinierte Passagier- und Frachtschiff läuft die isolierte Inselgruppe alle drei Wochen an und beliefert die Bewohner des EU-Außenpostens mit allen materiellen Errungenschaften der modernen Zivilisation, von der Zahnpasta über Coca Cola bis hin zum Diesel für die Tankstellen.

Bei einer Inselexkursion erkunden die Kreuzfahrtpassagiere aus Übersee die liebliche Bucht von Hatiheu, die schon Robert Louis Stevenson im Jahre 1888, also kurz vor Jack London, zum Schreiben inspirierte. Die er seinen Lieblingsplatz im Schatten des mächtigen, gut 1200 Meter hohen Mount Tekao nannte. Noch immer wirkt die Bucht magisch auf ihre Besucher. Dunkelbraun ist der nur schmale Strand, meterdicke Basaltbrocken schützen das gleichnamige Dorf seit Menschengedenken vor der starken Brandung. Schützende Korallenriffe gibt es nirgends im Archipel.

Markant ragen vier Lavatürme aus dem Dickicht des Dschungels

Markant sind die vier Lavatürme, die steil aus dem dunkelgrünen, undurchdringlich wirkenden Dickicht des Dschungels ragen. Auf einem der Türme thront die weiße Statue der Jungfrau Maria. Seit 1872 ist sie Schutzpatronin der kleinen Gemeinde, deren gesellschaftliches und soziales Zentrum neben der Kirche wohl das Restaurant „Chez Yvonne Katupa“ ist.

Heute herrscht Hochbetrieb bei der charismatischen Yvonne, die an die 90 Jahre auf dem nun schon etwas krummen Buckel haben dürfte. Alle drei Wochen hat sie viel zu tun, immer wenn das Versorgungsschiff „Aranui 5“ vor Anker liegt und bis zu 254 Passagiere auf Exkursion an Land schickt. Aus Neuseeland, Australien und Europa kommen die meisten – und in Yvonnes Restaurant wollen sie die „typische“ Küche probieren.

Aufgetischt werden Spanferkel, Yamswurzeln und schmackhaftes Gemüse aus dem Umu, dem traditionellen Erdofen. Zwei Stunden gart das in Palmwedel gewickelte Essen, gut geschützt in einem Metallkorb, auf schwacher Glut im Boden. Das Ergebnis? Leicht rauchig, sehr lecker.

Die Augen vieler Passagiere leuchten: Südseeträume sind wahr geworden

Platz für Träume. Die Marquesas-Inseln gehören politisch zu Französisch-Polynesien. Sie liegen südlich des Äquators im Pazifischen Ozean, 1600 Kilometer nordöstlich von Tahiti. 14 Inseln und zahlreiche winzige Eilande gehören zu den Marquesas. Die Gesamtbevölkerung auf dem Archipel beträgt rund 10.000 Menschen. Die „Aranui 5“, ein Frachtschiff, bringt ihnen die notwendigen Waren. Glück für alle Südseefans: Auch Passagiere dürfen mitfahren.
Platz für Träume. Die Marquesas-Inseln gehören politisch zu Französisch-Polynesien. Sie liegen südlich des Äquators im Pazifischen Ozean, 1600 Kilometer nordöstlich von Tahiti. 14 Inseln und zahlreiche winzige Eilande gehören zu den Marquesas. Die Gesamtbevölkerung auf dem Archipel beträgt rund 10.000 Menschen. Die „Aranui 5“, ein Frachtschiff, bringt ihnen die notwendigen Waren. Glück für alle Südseefans: Auch Passagiere dürfen mitfahren.

© Marc Vorsatz

Mit dem Besuch des Kunstmarktes von Taiohae, gefolgt von einer traditionellen Maori-Show im Dschungel und Besichtigung der Tikis, steinerne Götterfiguren aus uralter Zeit, vergeht der Landgang wie im Flug. Dann noch schnell ein Abstecher vorbei an imposanten Wasserfällen hinein ins fruchtbare Taipi-Tal, wo Herman Melville 1841 mehrere Wochen Unterschlupf fand, nachdem er von einem Walfangschiff wegen unzumutbarer Bedingungen abgehauen war. Seine Flucht verarbeitete der amerikanische Schriftsteller literarisch sowohl in seinem Erfolgsroman „Moby Dick“ als auch in seiner Erzählung „Taipi“.

Während die Passagiere an Land unterwegs sind, wird auf der „Aranui“ gearbeitet. Die Ladung muss gelöscht werden, und im Gegenzug wird frisches Obst gebunkert. Vor allem aber Kopra als wichtigstes Exportgut für Übersee. Das daraus gewonnene hochwertige Kokosöl findet Verwendung in der französischen Kosmetikindustrie.

Paris subventioniert das weiße Fruchtfleisch der Kokosnuss mit dem Dreifachen des Weltmarktpreises. Im hochproduktiven EU-Binnenmarkt hätten die Insulaner ansonsten keinerlei Chance. So soll der soziale Friede auf den Inseln gewahrt und eine Abwanderung verhindert werden.

Auf einigen Inseln starben bis zu 90 Prozent der Einwohner durch eingeschleppte Krankheiten

Am Abend an Bord erzählt Eriki Marchand, Künstler aus Tahiti, von der polynesischen Kultur der Gegenwart und Vergangenheit. Dem sympathischen Dozenten ist eine gewisse Verbitterung über die Europäisierung seiner Heimat anzumerken. Verständlich. „Auf einigen Inseln starben bis zu 90 Prozent der Bewohner durch eingeschleppte Krankheiten wie Grippe oder Masern. Mit ihnen verschwand ein Stück unwiederbringlicher Kultur.Importierte invasive Pflanzen wie die brasilianische Miconia und Tiere wie Ziegen und Ratten taten und tun ihr Übriges“, erklärt Eriki.

Glückliches Polynesien: Kinder von den Marquesas lächeln in die Kamera.
Glückliches Polynesien: Kinder von den Marquesas lächeln in die Kamera.

© imago/Bluegreen Pictures

Mit seinen nunmehr 2600 Einwohnern und einer Fläche von 17 mal 25 Kilometern ist Nuku Hiva die größte und bevölkerungsreichste Insel der Marquesas und bildet einen Höhepunkt der Kreuzfahrt.

Vier Tage zuvor legte die „Aranui“ in Tahitis Hauptstadt Papeete ab. Vollbeladen mit Fracht und gut 200 Urlaubern an Bord verließ sie die Gewässer der Gesellschaftinseln und nahm Kurs auf den Tuamoto Archipel, um am nächsten Morgen vor dem flachen Korallenatoll Takapoto die Anker zu werfen. Türkisfarben leuchtet die riesige, palmengesäumte Lagune. Das Bad im lauwarmen Wasser ist ein Genuss. Die Schiffsköche bereiten ein Strand-Barbecue vor, mit fangfrischem Fisch und allerlei tropischen Leckereien. Die Augen vieler Passagiere leuchten: Südseeträume sind wahr geworden.

Der Luxus dieser Kreuzfahrt sind nicht die Kabinen, sondern die Inseln

Nach einem entspannten Tag auf See mit interessanten Vorträgen in legerer Atmosphäre für die Touristen wirft die „Aranui“ am Tag vier in den marquesischen Gewässern vor Nuku Hiva die Anker, um an den Folgetagen die bezaubernden Nachbarinseln Ua Pou und Hiva Oa anzusteuern. Malerisch ist der Cimetière Calvaire auf Hiva Oa. Andächtig verharren vor allem europäische Touristen hier vor den Gräbern des Malers Paul Gauguin und des Chansonniers Jacques Brel. Rund 19.000 Kilometer sind sie dafür gereist, über Paris, Los Angeles und Papeete.

Am Tag sieben, genau zur Halbzeit dieser außergewöhnlichen Kreuzfahrt, deren Luxus nicht die Kabinen, sondern die Inseln sind, ankert die „Aranui“ vor Fatu Hiva in der vielleicht idyllischsten Bucht des gesamten Archipels. Hanavave schmiegt sich in den Schoß einer steil aufragenden Gebirgskette. Palmen und tropisches Grün säumen dieses paradiesische Fleckchen Erde, das selbst in der Südsee seinesgleichen sucht.

Über Tahuata, Ua Huka, Ua Pou, Rangiroa und Bora Bora, gleichsam im Kielwasser der „Bounty“, geht es zurück nach Tahiti. Im Kopf all die Bilder, die bleiben werden.

Tipps für Französisch-Polynesien

ANREISE

Mit Air Tahiti Nui von Paris via Los Angeles nach Papeete/Tahiti ab 1990 Euro.

VERANSTALTER

Auf dem kombinierten Fracht- und Passagierschiff "Aranui 5" von Tahiti über das Tuamoto Archipel zu den Marquesas Inseln und zurück über Bora Bora nach Papeete, 14 Tage inklusive Vollpension, Landausflügen, Vorträgen etc. ab 4015 Euro zuzüglich Flug. Buchbar bei Lernidee Erlebnisreisen, Telefonnummer: 030/786 00 00; Internet: www.lernidee.de.

REISEZEIT

Ganzjährig. Von Oktober bis März ist durch mehr Regen alles schön grün.

REISELEKTÜRE

M. Bernauer (Hrsg.): Paul Gauguin. Noa Noa - Erzählungen und Briefe aus der Südsee, Verlag Ripperger & Kremers, Berlin, 256 Seiten, 19,90 Euro.

AUSKUNFT

Tahiti Tourisme, c/o Eyes2market, Rellingen, Telefon: 041 01/6968802, Internet: tahiti-tourisme.de.

Marc Vorsatz

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