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Kreuzfahrtschiffe: Oasen der Meere

Kunst, Kulinaria und Kuschelecken - Kreuzfahrt überbieten sich gegenseitig mit Extras.

Der Dresscode für alle Gäste an diesem Tag: rubinrot. Die Ladys tragen rubinrote Cocktailkleider, die Herren rubinrote Fliegen und Schlipse. "We named the ship ,Ruby Princess' ", sagt das glückliche Brautpaar Kip Hickman and Danielle Vurpillat. Denn die allererste Heirat an Bord hat man praktischerweise mit der Taufe der "Ruby Princess" zusammengelegt, und wie auf Kommando errötet der Himmel in Fort Lauderdale zartrosa.. Abendrot? Oder doch Schamesröte über diesen Luxus an Bord eines Schiffs, in dem die Gesellschaftsräume im Stil venezianischer Palazzi gestaltet wurden, und wo gleich zwei flache Fernseher - einer am Bett, einer am Sofa - in den Kabinen stehen? Während auf Deck 16 die Trauung zu Flötenklängen des Pachelbel-Kanons fortschreitet, ein Streichtrio im Butzenfenster-geschmückten Steakhouse auf Deck acht "Adieu, mein kleiner Gardeoffizier" intoniert, liegen andere Passagiere am "Calypso-Pool" in der Abendsonne und schauen auf einer riesigen Leinwand einen Spielfilm an. Deckstewards sind derweil unterwegs mit Evian-Spray fürs Gesicht, wie nebenan im Ritz-Carlton South Miami Beach. Gemäß der Devise der Company: nicht nur gut, sondern "superior" sein. Service ist einer der drei Begriffe, mit denen immer mehr Reedereien um Marktanteile wetteifern in Zeiten wie diesen, da die Devise "höher-schneller-größer", auch den Kreuzfahrtmarkt erreicht, manche sagen überrollt hat. Und - Krise hin oder her - dieser Markt boomt noch. Je mehr Gigantismus beim Einsatz neuer Kreuzfahrtschiffe um sich greift, desto mehr überbieten sich die Reedereien darin, neben exzellentem Service auch Extras - rechtlich anerkannte Hochzeiten wie bei Princess Cruises -, sowie Natur, Kultur und vor allem auch Rückzugsmöglichkeiten auf ihren Megalinern anzupreisen. Denn Joggingbahnen, Einkaufsstraßen, Eislaufhallen sowie Pommes, Pizza und Plunder rund um die Uhr haben sie ja fast alle schon. Das neue Konzept heißt deshalb: "Big ship choice, small ship feel" - reisen auf einem Ozeangiganten, dabei eine intime Atmosphäre vorfinden wie auf einer Yacht.

Nichts, das weiß man inzwischen auch bei der Reederei Princess Cruises, kann so wertvoll sein wie Ruhe. Richtiger Luxus beinhaltet Entspannung, Erholung, Regeneration - Abschied vom Alltag eben. Das reicht auf der "Ruby Princess" vom "Pool nur für Erwachsene" über das intime Dinner auf dem Balkon bis hin zur "Silent Embarcation" nach Ende der Kreuzfahrt: runter vom Schiff abseits von "Krethi und Plethi" - schließlich kann jede Ausschiffung schon auf kleinen Schiffen ein Horror an Massenbewegung sein. Nicht fehlen darf natürlich das entspannte Vor-sich-hin-Golfen an Deck. Auf (Roll)Rasen, versteht sich. So ein Grün ("Echtes Gras musste her!") gibt es auch auf der "Celebrity Solstice". Es liegt auf Sand und einer wasserdichter Membrane, soll Wind, Wasser und - nicht zuletzt - Passagieren trotzen. Wenn das Grün gelb wird, tauscht man es aus. Dafür sorgt ein eigens engagierter Gärtner. Der ist der meistgefragte Mann an Bord bei der Taufe der "Solstice", die fast zeitgleich mit jener der "Ruby Princess" in Florida stattfindet. Dieser Rasen wird bestaunt, befühlt und betreten. Er ist das meist meistbesuchte Areal neben der "Glas-Show" an Bord, die Glasblaskunst ganz wie im venezianischen Murano zeigt. Dass da nebenbei auch Kunst im Wert von fünf Millionen Dollar - Hockneys, Hirsts, Matisses und Picassos - über die Meere schippert, ging in der Euphorie über den Rasen fast unter. Zumal man auf dem Fleckchen sogar picknicken darf.

Natur in Form von Blumen in Hülle und Fülle auch auf der "Eurodam", dem neuesten Schiff der 1873 gegründeten Reederei, die einst Tulpenzwiebeln verschiffte, Hering und Genever, dann Immigranten von Europa nach Amerika brachte. 7000 US-Dollar pro Woche lässt sich die Reederei die Frischblumendekoration kosten.

Während ein Schiff wie die "Solstice" meist auf Sieben-Tage-Törns in den Gewässern bei den Bermudas eingesetzt wird, hat die Reederei Holland-America festgestellt, dass "der Trend zu längeren, teureren Reisen in höherwertigen Kabinenkategorien gehe". Dabei folgt man der Firmenphilosophie, im Zeitalter des Ozeanliner-Gigantismus nun nicht diesem Trend nachzueifern, Schiffe nicht für 5000, sondern für "nur" 3000 Passagiere zu planen. Dennoch befinden manche Passagiere auf der Taufreise von Rotterdam nach Hamburg: "Zu groß", sei das 2104 Gäste fassende Schiff, dieser größte Dampfer, der je unter holländischer Flagge fuhr. Aber immerhin ein "richtiges" Schiff, sagen andere. Kein schwimmendes Luxushotel. Trotz der Bulgari- Teller im Pinnacle-Restaurant und der Rückzugs-Cabanas an Deck, trotz der Millionen-Kunstwerke im Bauch des Schiffes, die man, wie in Museen, mit Audioguide von Objekt zu Objekt abschreiten und sich erklären lassen kann.

Denn der "typische Holland-America- Gast", so hat es die Reederei beobachtet, ist ein Kunstkenner. Und er hat ein gewisses Bedürfnis nach geistiger Nahrung: Aklso werden exklusiv Microsoft-Kurse angeboten und ein anspruchsvolle Kreuzworträtsel, das täglich druckfrisch von der "New York Times" geliefert wird. Auf Englisch, aber das gilt unter den deutschen Passagieren als besondere Herausforderung. Mehr um tatsächliche Nahrung geht es allerdings in jener chromglänzenden Zehn-Millionen-Dollar- Schauküche, auf der "Eurodam", in der aus dem Fernsehen bekannte und ach so beliebte Kochshows produziert werden.

Die kann man auch allein in der Kabine auf schicken Flachbildfernsehern anschauen, genauso wie die Shows der Künstler, die allabendlich an Bord auftreten. Und die - immer in Superlativen denken - "mehr Oscars, Tonys und Grammys eingeheimst haben als die Künstler auf jedem anderen Schiff", wie Marketing Chef Richard Meadows betont.

Auch Holland-America weiß: Butler- Service, Luxus-Spa, Sterneküche, Kulturangebote - all das ist für die Katz, liegt der Passagier seekrank in der Koje, pardon, in seinem Luxusbett, und wenn selbst die "Akupunktur gegen Seekrankheit" im Spa nichts hilft. Deshalb wurden auf der "Eurodam" keine Kosten gescheut, die neueste Technik einzubauen, um auch bei stärkstem Seegang allzeit ruhige Fahrt zu verheißen.

Das dies auch so sein wird auf der neuen "Oasis of the Seas", dem weltweit größten Kreuzfahrtschiff mit 16 Decks und Platz für 5000 Passagiere, kann man nur hoffen: freitragende Whirlpools meterhoch über dem Meer, eine dreidimensionale Kletterwand und ein Surf-Park sollen auch bei kräftigem Wellengang nutzbar sein. Frei von Höhenangst muss der Passagier auf diesem schwimmenden Hochhaus, das im kommenden Dezember in Dienst gestellt wird, ohnehin sein.

Doch um ein ruhiges Plätzchen muss man sich auch dort angeblich keine Sorgen machen: Endlich - wer hat nicht darauf gewartet? - wird es auch einen "Central Park" geben. Im Bauch des Schiffes. Mit exotisch bepflanzten Grünflächen und einsamen Pfaden für den geruhsamen Spaziergang abseits aller Entertainment- Hektik. Gut, schließlich wollen auch Hochzeitsreisende mal ihre Ruhe haben.

Dagmar Zurek

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