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Nimm die Dame. Viele Kinder sind gern bei ihren Großeltern. Auch, weil sie mehr Zeit haben und eher geduldig sind. Zu Hause und unterwegs.

© imago/Westend61

Neues Marktsegment der Tourismusbranche: Ruhig mal naschen

Wenn Großeltern mit ihren Enkeln verreisen, fallen manche Regeln flach. Wie ein Urlaub gelingt, ohne dass Tränen fließen oder Fetzen fliegen.

Für berufstätige Eltern sind Oma und Opa oft ein Segen. Besonders wenn die Kinder Ferien haben – die Eltern aber keinen Urlaub –, sind Großeltern oft längerfristig gefragt. Damit der Urlaub für alle Seiten entspannt wird, sollten sie aber einiges bedenken. Seit mehreren Jahren entstehe ein ganz neues Marktsegment in der Tourismusbranche, sagt Prof. Torsten Kirstges, Tourismusexperte an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven. „Immer mehr Reiseveranstalter entwickeln spezielle Angebote für die Zielgruppe Großeltern mit Enkeln.“

Mit Oma und Opa auf Reisen gehen – das ist mehr als nur eine gute Betreuungsoption. „Das kann auch richtige Beziehungspflege sein“, sagt Kirstges. „Viele Familien nutzen solche Möglichkeiten, um mal wirklich Zeit füreinander zu haben.“ Besonders wenn die Großeltern weiter weg wohnen, sei ein gemeinsamer Urlaub in den Ferien eine gute Möglichkeit, die Beziehung zu den Enkeln zu intensivieren.

Bevor das erste Mal die Koffer gepackt werden, sollten die Kinder mindestens drei, vier Jahre alt sein, rät Andreas Engel von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) in Fürth. „Bei kleineren Kindern ist die Bindung zu den Eltern noch zu stark und elementar, um tagelang unterbrochen zu werden.“

Grundregel bei Kindergartenkindern: Die Großeltern sollten wichtige Bezugspersonen sein. „Wenn man die Enkel nur zweimal im Jahr sieht, ist das für einen gemeinsamen Urlaub häufig noch nicht ausreichend, und Heimweh ist vorprogrammiert“, sagt der Psychologe. Eltern, die den Kontakt des Kindes zu den Großeltern intensivieren möchten, könnten dann zum Beispiel einrichten, dass diese die Kinder in den Ferien zu Hause besuchen. So kann das Kind mit Oma und Opa etwas wie Urlaub im gewohnten Umfeld machen.

Anfangs nicht zu weit weg fahren

Sind Oma und Opa feste Bezugspersonen und übernehmen vielleicht auch im Alltag regelmäßig die Betreuung, kann schon im Kindergartenalter die erste Reise geplant werden. Ursula Lenz, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) in Bonn, empfiehlt, dafür nicht zu weit in die Ferne zu schweifen. „Beginnen Sie am besten mit einem Wochenendurlaub in die Umgebung, das schenkt den Enkeln erste Sicherheit.“

Nach und nach darf die Distanz dann gesteigert werden. Auch bei Grundschulkindern ist es oft die beste Lösung, einen Urlaubsort zu wählen, der im Notfall innerhalb weniger Stunden erreichbar ist. So können die Eltern bei schlimmem Heimweh oder im Fall einer Krankheit zu Hilfe eilen.

Vier Tage Freizeitpark, Städtetrip nach Berlin oder Radtour durch den Harz: „Solche Aktionen sind für jüngere Kinder eher nicht geeignet“, sagt Engel. Er empfiehlt Eltern, sich im Vorfeld mit den Großeltern an einen Tisch zu setzen, um ein für alle Parteien passendes Reiseziel zu finden. Am Nordseestrand buddeln, Spaziergänge durch Wälder machen, auf den Spielplatz gehen: „Für Kinder bis ins Grundschulalter sind solche kleineren Aktionen absolut ausreichend.“

Neigen aktive Großeltern dazu, sich gerne zu viel vorzunehmen, setzen Eltern am besten schon vorher Grenzen. „In dem gemeinsamen Gespräch sollte unbedingt geklärt werden, was das Kind gerne macht und welche Bedürfnisse, zum Beispiel den Mittagsschlaf, es hat“, sagt Engels. Eltern sollten auch vermitteln, welche Regeln ihnen für die Reisezeit wichtig sind – wie etwa regelmäßige Schlafenszeiten oder begrenztes Naschen. Alles vorschreiben sollten sie den Großeltern aber nicht: „Studien belegen, dass Kinder durch Vielfältigkeit lernen. Oma und Opa dürfen auch ruhig anders sein.“

Ein Kuscheltier oder T-Shirt von Mama helfen gegen Heimweh

Für die Kinder ist es vor allem aufregend und ein großes Abenteuer, mit Oma und Opa wegzufahren. Eltern sollten deshalb schon früh damit beginnen, die Reise positiv zu thematisieren. Auf der Landkarte schauen, wo die Reise hingeht, sich Bilder vom Urlaubsort anschauen, eine Reisetasche kaufen oder schon mal die ersten Sachen einpacken: „Auf diese Weise kann sich das Kind Stück für Stück innerlich darauf vorbereiten“, sagt Engels.

Damit sich das Kind sicher fühlt, empfiehlt der Psychologe, kleine Helfer einzupacken. Das können etwa ein Foto von den Eltern, ein Kuscheltier oder ein T-Shirt von der Mama sein. Auch während der Reise sei ein enger Kontakt zu den Eltern hilfreich, zum Beispiel durch regelmäßige Telefonate oder Skypen, sagt Engels. „Dass dabei dann ab und zu eine kleine Heimweh- oder Sehnsuchtsträne fließt, ist ganz normal.“

Was viele gern vergessen: Die Eltern sollten sich auch über rechtliche Angelegenheiten Gedanken machen. Das gilt besonders, wenn der Urlaubsort weiter entfernt ist. „Die Großeltern sind für die Zeit der Reise verantwortlich, müssen also im Notfall auch wichtige Entscheidungen treffen können“, sagt Ursula Lenz. So ermöglicht eine Vollmacht der Eltern den Großeltern, im Zweifel schnell zu handeln. Das kann beispielsweise nötig sein, wenn das Kind im Krankenhaus behandelt werden muss.

Wer alles gut geplant hat, kann die Kinder normalerweise mit gutem Bauchgefühl abreisen lassen. Für die Großeltern ist der gemeinsame Urlaub mit den Enkeln zwar viel Trubel – aber auch eine wichtige, intensive Zeit. Und: Auch die Eltern haben dann mal wieder etwas Muße für sich. dpa

Bettina Levecke

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