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Atlanta: Willkommen in der Glücksfabrik

In Atlanta lernt man alles über Coca-Cola. 40 Sorten kann man probieren im Konzernmuseum.

„Ja, das ist gut! Schmeckt’s dir?“, feuert der junge Mann im Yankeeshirt seinen strohblonden Sohn an. Der Knabe nickt stumm und drückt den Hebel auf Höhe seiner Stirn ganz herunter, um den durchsichtigen Plastikbecher erneut mit Simba Guarana zu füllen, einer süßen Wurzel-Limonade aus Paraguay. Der Vater experimentiert inzwischen mit einer Mischung aus peruanischer Inca Cola und Delaware Punch aus Honduras. Fast wie im Schlaraffenland: In der Probierzone von Coca-Cola World, dem Besucherzentrum beim Mutterkonzern in Atlanta, gibt es gut 40 verschiedene Coca-Cola-Produkte aus allen Kontinenten zu verkosten.

Wer genehmigen uns erst mal eine Fanta Kolita, eine knallrote Erdbeerfanta aus Costa Rica, und tauchen dann in die „Welcome-Zone“ der Coca-Cola-Welt ein. Wände und Decke sind über und über mit Coca-Cola-Reklameschildern und Neonwerbungen bedeckt. Das charakteristische geschwungene Logo findet sich hier nicht nur in lateinischen Buchstaben, sondern auch auf Arabisch, Chinesisch, Thailändisch und Devanagari. Dazwischen sind Kostbarkeiten wie die „Coca-Cola-Strandhose“ von 1972 ausgestellt, eine Nylonhose, die tief auf der Hüfte sitzen muss und die „damals jeder haben wollte“, wie uns ein moppeliger Lockenkopf mit Brille versichert. „Wir sind ja gerade 123 geworden“, fügt er stolz hinzu und stellt sich als unser Guide vor. Mit einem geschätzten Wert von zwei Millionen Dollar ist „Der barfüßige Junge“ des amerikanischen Malers Norman Rockwell vermutlich das kostbarste Stück der Ausstellung. Das klassische Werbebild zeigt einen rothaarigen, sommersprossigen Jungen, der an einen Baum gelehnt ein Sandwich und eine Flasche Coca-Cola genießt.

Im Kinosaal entführt uns der digitale Trickfilm „Happiness Factory“ in die imaginäre Welt im Getränkeautomaten. Denn als „Glücksfabrik“ stilisiert sich der Coca-Cola-Konzern mit Werbeausgaben von rund zwei Milliarden US-Dollar im Jahr gern selbst. Im Film wirft ein junger Mann eine Münze in den Automaten, und wir folgen kurz der Münze, die durch ein Rohr fällt und munter einen steilen Berg hinunterrollt. Gleichzeitig wird der Abfüllprozess einer Flasche Cola durch eine Gruppe kichernder Fantasiewesen in Gang gesetzt. Pinguine kühlen die gefüllte Flasche dann in einer Polarlandschaft, und weiße Puschel mit Kussmund polieren das dickwandige Glas noch mal nach, bevor die Colaflasche unter jubelndem Beifall den Automaten verlässt. Dann kommen die „Angestellten“ zu Wort: das Pinguin-Ehepaar aus der Kühlkette, der Latino-Lebensmittelchemiker und die Sekretärin, die eigentlich hauptberuflich auf Männersuche ist. Alle versichern uns, dass Coca-Cola glücklich macht. In der Fantasiewelt gibt es offensichtlich wenig Konflikstoff. Im richtigen Leben wird dem Unternehmen allerdings vorgeworfen, Gewerkschaftsaktivisten mit zum Teil rabiaten Methoden einzuschüchtern.

Coca-Cola wurde 1886 von John S. Pembroke in Atlanta erfunden. Der Apotheker entwickelte die erfolgreiche Formel als Grundlage für eines der damals beliebten Sirup-Getränke; den Namen und den geschwungen Schriftzug steuerte sein Buchhalter bei. Zunächst wurde Coca-Cola nur in den Trinkhallen der Ostküste frisch vom Brausefass gezapft. Eine moderne, aggressive Marketingstrategie und der bewusst niedrig gehaltene Preis – bis in die 1950er Jahre kostete ein Glas Coca-Cola fünf Cent – machten aus der braunen Limonade schließlich einen der erfolgreichsten Softdrinks der USA.

Den weltweiten Durchbruch brachte wohl die Entscheidung der Firma im Zweiten Weltkrieg, allen amerikanischen Soldaten „Cola um die Ecke“ zu garantieren: eisgekühlt und für fünf Cent, egal wo sie stationiert waren. Dafür musste das Unternehmen zwar Dutzend neue Abfüllanlagen und Vertriebssysteme aufbauen, erschloss zugleich aber bereits die neuen Märkte der Nachkriegswelt.

„Ich mag eigentlich alles von Coca-Cola, aber das Wasser schmeckt scheußlich“, beschwert sich eine füllige Deutsche im geblümten Kleid. Zu ihrem Glück wird „Bon Aqua“, das mineralienversetzte Leitungwasser, an den Zapfsäulen der Probierzone gar nicht erst angeboten. In der „Glücksfabrik“ ist die Welt trotz Globalisierung in Kontinente aufgeteilt. Beverly, eine Art Bitter Lemon, das bisher exklusiv in Italien vertrieben wird, schmeckt sogar ziemlich gut. Noch eine lilafarbene Traubenlimo aus Estland hinterher und dann zurück in die Ausstellung.

Durch große Glasfenster sehen wir die taillierten Colaflaschen wie in einem Skilift heranfahren. 1915 schrieb die Firma einen Designwettbewerb für eine optisch markante Flasche aus. Gewonnen hat ihn die Root-Glasfirma aus Indiana mit ihrer Konturflasche, die heute weltweit mit Coca-Cola identifiziert wird.

Alle Abfüllanlagen werden schon seit Einführung der Flaschenabfüllung von Franchisenehmern betrieben, Coca-Cola liefert nur die Grundzutat, den Coca-Cola-Sirup, der nach einer streng geheimen Formel an mehreren ebenso geheimen Orten in den USA hergestellt wird. In der Abfüllanlage werden dem Sirup dann Wasser und Kohlensäure zugesetzt. Ein neues, angeblich verbessertes Rezept, das 1985 auf den Markt kam, konnte sich nicht durchsetzen und musste aufgrund weltweiter Proteste bereits nach 74 Tagen wieder duch die bewährte Formel ersetzt werden.

„Ich kann schon gar nichts mehr schmecken.“ Der kahlköpfige Rentner in Aloha-Shorts, der sich gerade einen Becher mit Vegibeta, einem sojabasierten Gemüsedrink aus Japan, füllt, spricht uns aus der Seele.

Vor dem Eingang des Besucherzentrums warten lange Schlangen. Die Ikone des American Way of Life zieht täglich mehrere tausend Menschen aus aller Welt an. Wir sehen amerikanische Familien genauso wie holländische Rentner und arabische verschleierte Frauen. Coca-Cola ist heute der Inbegriff der Globalisierung. Ob die Brause auch allen schmeckt, ist eine andere Frage.

World of Coca-Cola, 55 Martin Luther King Jr. Drive, SW, Atlanta, im Internet: www.woccatlanta.com

Natascha Thoma, Isa Ducke

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