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Montmartre. Seit Amélie die Kinobesucher becircte, ist das legendäre Kunstviertel noch attraktiver geworden. Foto: Mauritius Images

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Paarreisen: Wo Aschenbrödel den Schuh verlor

Paris ist ein Sehnsuchtsziel für Verliebte. Doch es gibt noch andere schöne Orte für romantische Küsse im Mai.

Sie verzauberten die Herzen in romantischen Filmen. Verliebte reisen den Traumpaaren nach, zu den Drehorten, die zarte Gefühle – besonders im Wonnemonat Mai – aufflackern lassen.

Montmartre

Ganz weit vorn bei Europas Sehnsuchtszielen für Verliebte: der Künstlerhügel im Norden von Paris. Auf seiner Spitze thront die schneeweiße Basilika Sacre Coeur, ihr zu Füßen liegt die zuckersüße, „fabelhafte Welt der Amélie“. Zartrosa schimmert das Abendlicht über dem blaugrauen Dächermeer, und schon gleitet man in den märchenhaften Film von Jean-Pierre Jeunet. Der Regisseur zeigt die Metropole zwischen Traum und Wirklichkeit, verwandelt sie in das Klischee zurück, das Romantiker immer suchten. Dafür ließ Jeunet Autos entfernen, Mauern reinigen und seine mystische Inszenierung störende Touristen aus dem Filmmaterial schneiden. Die steilen Treppen an der Basilika sind Schauplatz der Schnitzeljagd von Amélie (Audrey Tautou) und Nino (Mathieu Kassovitz), bevor sie zueinanderfinden. Nino ist ein Eigenbrötler und sammelt weggeworfene Passfotos. Amélie ist einsam und liebevoll, sie hilft schwachen Menschen und rächt Ungerechtigkeiten. An der Rue Lepic, die sich den Berg hinaufzieht, steht das „Café des 2 Moulins“, altmodisch und viel fotografiert, denn hier arbeitete Amélie als Kellnerin. Die Theke und die Möbel sind dieselben wie im Film, nur der Zigarettenstand der Georgette ist verschwunden. An der Wand hängt ein großes Kinoplakat von Amélie, der guten Fee mit den Kulleraugen.

Wer nach einer außergewöhnlichen Liebeserklärung sucht, geht zu „Le mur des je t’aimes“, der „Mauer der Ich-liebe- dichs“ am Square Jehan-Rictus, südlich der Rue Lepic. Der Künstler Frederic Baron hat dort auf Steinkacheln den Satz in 311 Sprachen geschrieben, etwa auf Japanisch („dai-sou-ki“) und auf Norwegisch („veille-el-skar-deille“).

Zum Abschluss der ultimativen Turteltour durch Paris ein Hotspot an der Ile Saint-Louis: Pont Marie, die „Brücke der Liebenden“, sie sollte unbedingt im Ausflugsschiff unterquert werden. Küsst man sich genau dann, wenn das Boot unter der Brücke ist, darf man sich etwas wünschen (auch ewige Liebe). Und die Chancen stehen angeblich gut …

Gripsholm

Leinen los zur Fahrt ins Glück! Am Kai beim Stockholmer Rathaus (Stadshuskajen) startet die „Mariefred“ mit einem fulminanten Tuten und nimmt Kurs auf Schwedens Liebesschloss. Dreieinhalb Stunden tuckert das hundertjährige Dampfschiff über den Mälarsee, bald taucht in der Ferne Gripsholm auf. „Das Schloss, aus roten Ziegeln erbaut, stand leuchtend da, seine runden Kuppeln knallten in den blauen Himmel“, heißt es in Kurt Tucholskys Roman „Schloss Gripsholm“. Die heiter-melancholische Geschichte beschreibt die Sommerliebe von Kurt, seiner „Prinzessin“ Lydia und deren Freundin Billie, die gegen Ende zu Besuch kommt. „Gib mal Billie einen Kuss“, sagt die Prinzessin, und dann: „Lust steigerte sich an Lust, dann wurde der Traum klarer, und ich versank in ihnen, sie in mir – wir flüchteten aus der Einsamkeit der Welt zueinander.“

Wie viel Selbsterlebtes darin steckt, ist das Geheimnis von Kurt Tucholsky und seiner Geliebten Lisa Matthias geblieben, die 1929 in der Nähe von Gripsholm ein Quartier bezogen, aber später öffentlich zumindest die Menage à trois bestritten. Die Romanhelden nächtigen in einem Seitenflügel des Schlosses. Das können ihnen die vielen Liebestouristen freilich nicht nachmachen, die alljährlich zu zweit oder zu dritt hierherkommen. Mit dem Buch im Gepäck und den Bildern aus den beiden Verfilmungen im Kopf schauen sie, ob wirklich alles so idyllisch ist.

Das majestätische Gebäude beherbergt heute eine Porträtsammlung. In einem der runden Renaissancetürme wurde im 18. Jahrhundert ein prunkvolles Theater eingerichtet. Die Erbauung des Schlosses begann 1537 unter Gustav Vasa auf den Grundmauern einer Burg, die Bo Jonsson Grip im 14. Jahrhundert errichten ließ. Im Schlossladen kann man Saft aus Äpfeln kaufen, die an Bäumen auf dem Gelände gewachsen sind. Draußen im Kräutergarten können Besucher schlendern, betörende Düfte schnuppern und wie Kurt und Lydia entspannen: „Wir lagen auf der Wiese und baumelten mit der Seele.“ Das benachbarte Städtchen Mariefred ist autofrei. In den malerischen Gassen reihen sich bunte Holzhäuschen mit Souvenirshops, Kunsthandwerksläden und Cafés aneinander.

Moritzburg

Sachte berühren die Säume ihrer langen Kleider die steinernen Stufen. Frauen lassen sich hier am liebsten barfuß fotografieren – die hintere Freitreppe auf der Ostseite von Schloss Moritzburg entwickelt sich allmählich zu einer Kultstätte. Selbst Heiratsanträge werden dort gemacht, wo Aschenbrödel seinen Schuh verlor. Das Schloss, ein Barockjuwel in Ocker und Weiß, mit vier dicken, runden Ecktürmen, steht auf einer Granitkuppe inmitten einer Teichlandschaft, 15 Kilometer nördlich von Dresden. Sein heutiges Aussehen erhielt der Bau ab 1723. August der Starke hatte für die Gestaltung den Architekten Matthäus Daniel Pöppelmann beauftragt, der auch den Dresdner Zwinger entwarf. Im Winter 1972/73 wurden hier Außenaufnahmen des Films „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ gedreht. In einer tschechisch-deutschen Koproduktion entstand unter Regisseur Vaclav Vorlicek der „Märchenfilm des Jahrhunderts“ mit Pavel Travnicek in der Rolle des Prinzen und der wunderbaren Libuse Safrankova als Aschenbrödel. Die zauberhafte Filmmusik stammt von Karel Svoboda, auch Komponist des Titellieds für „Die Biene Maja“. Im Schloss werden mittlerweile Aschenbrödel-Kostümbälle veranstaltet – und Ehen geschlossen.

Mehr Informationen:

Fremdenverkehrsamt Paris, Telefonnummer: 00 33 / 892 68 30 00 (34 Cent pro Minute), Internet: www.parisinfo.com

Schloss Gripsholm, Mitte Mai bis Mitte September; Telefon: 00 46 / 159 / 101 94, Internet: www.kungahuset.se

Schloss Moritzburg, April bis Oktober; Telefon: 03 52 07 / 87 30, im Internet unter: www.schloss-moritzburg.de

Dietmar Scherf

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